Während in der Wiener Kammeroper einige (fiktive) Zuschauer auf der Bühne den Beginn einer Vorstellung erwarten (Raum: Sonja Füsti), spielen sich hinter ihnen (um die Reihen des tatsächlichen Publikums) Schicksalsepisoden des Prekariats ab. Das Putzpersonal des imaginären Theaters, das Regisseur Jan Eßinger anstelle des im Libretto vorgesehenen Restaurants Der goldene Drache gesetzt hat, schlüpft bei über 20 Szenen in verschiedenste Rollen der Armutsgefährdung.

Es entstehen Momentaufnahmen von Gewalt, Verzweiflung und emotionaler Verwahrlosung, Katastrophen also, die sich rund um eine Zentralgeschichte abspielen: Ein junger Chinese verblutet an einer unsachgemäßen Zahnentfernung. Die Rohrzange war doch nicht das richtige Instrument, um den Jungen ohne Papiere vom Schmerz zu befreien. Als Verblichener imaginiert er eine Heimreise per Fluss, die Komponist Peter Eötvös farbenprächtig Klang werden lässt.

Verdichtung durch Klänge

In seiner 2014 uraufgeführten Oper auf Basis von Roland Schimmelpfennigs Stücks von 2009 trägt der Orchesterpart das grauenvolle Geschehen. Von Dirigent Walter Kobera, dem Klangforum Wien und der PPCM Academy dicht und eindringlich umgesetzt, kommen die schillernden Sound und Strukturgewächse als raffinierte Instrumente der Verdichtung von quälenden Situationen zur Geltung. Pochende, bohrende Strukturen prägen das Geschehen, kommentieren und illustrieren es und schaffen auch im Poetischen dichteste Atmosphäre.

Christa Ratzenböck, Felix Heuser, Hans-Jürgen Lazar und Peter Schöne singen eindringlich. Der Schluss gehört aber dem Chinesen, den Camilla Saba Davies sensibel ins Elegisch-Verträumte führt. Am Ende beginnt dann auch die Vorstellung für das fiktive Publikum auf der Bühne. Der Vorhang geht hoch, sichtbar wird eine Wand aus auszuliefernden Kartonkisten. Ein Verweis auf Onlineversandhändler und womöglich prekäre Arbeitsverhältnisse ist nicht leicht auszuschließen. (Ljubisa Tosic,17.2.2023)