Viele wünschen sich drei Tage frei zu haben.

Foto: Der Standard

Die Debatte um Kürzungen von Sozialleistungen bei Teilzeitarbeit entfacht in einer Zeit, in der immer mehr Unternehmen sich an alternativen Arbeitszeitmodellen versuchen. Die Viertagewoche, ein Modell als Aushängeschild der modernen Arbeitswelt, gilt seit großangelegten Pilotstudien von Neuseeland bis Großbritannien als Heilmittel gegen Burnout, Überarbeitung und unzufriedene Arbeitskräfte.

Dabei soll nur an vier statt fünf Tagen gearbeitet werden – und gleichzeitig auch weniger Stunden. Doch ob leistungssteigernd und zufriedenstellend oder nicht, Politiker wollen gerade eigentlich das Gegenteil: mehr Menschen in Vollzeit. Einige Unternehmen hingegen probieren einen Spagat: weniger Tage bei gleichbleibenden Stunden.

Weniger Tage, gleiche Stundenzahl

"4 Tog hackln, 3 Tog frei": Damit warb die Firma Leithäusl in Oberösterreich letztes Jahr auf einem großen Transparent an seinem Standort um neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das Bauunternehmen führte vor knapp einem Jahr die Viertagewoche ein.

Weitergeführt: Das Bauunternehmen Leithäusl verteilt 40 Stunden auf vier Tage.
Foto: Barbara Wirl

Und verkündet nun: Das Konzept wird nach einem erfolgreichen Jahr dauerhaft im Unternehmen integriert. Nicht nur sollen mehr als 80 Prozent der Mitarbeitenden mit dem zusätzlichen freien Tag zufrieden sein, auch müsse sich eine Firma auf flexiblere Arbeitszeitregelungen einlassen, wenn sie Fachkräfte finden will, heißt es.

Eine Reduktion der Arbeitsstunden, sieht das Modell der Baufirma aber nicht vor. Die wöchentliche Arbeitszeit der Mitarbeitenden beträgt weiterhin 40 Stunden. Sie können von Montag bis Donnerstag auf zehn Stunden aufstocken, ohne Überstunden zu schreiben. Dafür gibt es dann drei Tage in Folge frei. Der ursprünglichen Idee der Viertagewoche entspricht das allerdings nicht.

Pilotversuch aufgegeben

Erst kürzlich erklärte der Motorradhersteller KTM seinen viermonatigen Pilotversuch zur Viertagewoche für beendet. Zwar hätte das Projekt mit den Mitarbeitenden in der Produktion gut funktioniert, langfristig sei dieses Arbeitszeitmodell aber nicht umzusetzen, erklärte Personalvorstand Viktor Sigl auf Nachfrage des STANDARD. Nicht nur brauche es in der Zeit, in der die Produktion laufe auch IT-Support und andere dienstleistende Personen zur Unterstützung (die in dieser Zeit Überstunden aufbauen mussten), auch wäre es nicht zumutbar, jeden Tag zehn oder mehr Stunden zu produzieren.

Wieder beendet: Motorradhersteller KTM hat die Viertagewoche nach einem Pilotversuch eingestellt.
Foto: APA/ Barbara Gindl

Der Vorstand erklärte auch, warum die Viertagewoche nicht mit weniger Stunden vereinbar sei: Schuld sei der Fachkräftemangel. "Wenn wir die Arbeitszeit jetzt auch noch verkürzen, könnten wir gar nicht mehr produzieren", erklärt Sigl. Das eine Unternehmen schwört also auf vier Tage und 40 Stunden, das andere hat das Projekt wieder aufgegeben. Was ist nun das richtige Rezept für mehr Zufriedenheit und gegen die Personalnot?

Kein Widerspruch

Nicht nur die Modellversuche rund um den Globus konnten die Vorteile einer verkürzten Arbeitswoche mit rund 35 Wochenstunden aufzeigen – sondern auch eine neue Auswertung der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Die in der Pandemie getroffenen Maßnahmen haben laut der Studie "eine Menge Belege" dafür geliefert, dass flexible und geringe Arbeitszeiten sich nicht nur positiv auf Gesundheit und Wohlbefinden der Teilnehmerinnen und Teilnehmer auswirken, sondern auch die Arbeitsleistung steigern können.

Ganz umgestellt: Die Marketingagentur eMagnetix bietet vier Tage mit 30 Stunden.
Foto: emagnetix

Eine Firma, die die Stundenreduktion schon lange lebt, ist die Onlinemarketingagentur eMagnetix. Seit Oktober 2018 wird 7,5 Stunden an vier Tagen gearbeitet – und das bei vollem Lohnausgleich. Das Unternehmen habe nach eigenen Angaben sehr positive Erfahrungen mit dem Arbeitszeitmodell gemacht und bekomme deutlich mehr Bewerbungen auf offene Stellen – ein Nebeneffekt, den auch andere österreichische Unternehmen mit Viertagewoche beobachten konnten.

Doch wie gehen kürzere Arbeitszeiten und fehlendes Personal zusammen? "Im ersten Moment mag das zwar bedeuten, dass einzelne Angestellte weniger arbeiten. Gleichzeitig löst das langfristig das Problem der Personalsuche, weil die Menschen länger in einem Unternehmen bleiben", sagt Philipp Brokes, stellvertretender Leiter der Abteilung Sozialpolitik bei der AK Wien. Durch geringe Fluktuation könne zudem eine Menge Geld seitens der Firmen gespart werden. (Anika Dang, Melanie Raidl, 19.2.2023)