Gute Ideen, wie die von Kanzler Karl Nehammer angekündigte Aufarbeitung der Pandemie-Maßnahmen, oder die von Arbeitsminister Martin Kocher angestoßene Teilzeitdebatte, wurden schlecht umgesetzt.

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Vielleicht verlief die vergangene Woche in der ÖVP ja nach einer besonders gefinkelten Strategie des ÖVP-Kommunikationschefs Gerald Fleischmann, von sich selbst kopiert aus seinem Buch "Message Control" über seine Zeit mit Sebastian Kurz, Kapitel "SNU" (strategisch notwendiger Unsinn). Vielleicht aber verlief sie überhaupt nicht nach Plan, oder, schlimmer noch, komplett planlos. Dann brennt der konservative Hut lichterloh.

Es fing eigentlich mit einer guten Idee an: Nachdem der Gesundheitsminister mehr oder weniger das Ende der Corona-Pandemie verkündet hatte, rief Kanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer gleich einmal zur Versöhnung "rund um Ostern" auf. Die Regierung werde auf die Bevölkerung zugehen und selbstkritisch aufarbeiten, was in den vergangenen drei Jahren nicht so gut gelaufen sei. So weit, so vernünftig – wenn auch ein wenig durchschaubar. Schließlich stehen im März in Kärnten und im April in Salzburg zwei wichtige Landtagswahlen an, bei denen die ÖVP nicht wieder den Schock von Niederösterreich erleben möchte: Jene Teile der Bevölkerung, die sich als impf- und Maßnahmen-kritisch geoutet haben, am Wahltag an die FPÖ zu verlieren. Dennoch: Es hätte eine Chance sein können.

Alles andere als versöhnlich

Wenn Nehammer nicht mit dem nächsten Atemzug klargemacht hätte, was er unter Aufarbeitung versteht: Schuld sind die Expertinnen und Experten, deren Rat die Regierung "zu hörig" gefolgt sei. Diese mögen nun bitte erklären, wie sie zu ihren Einschätzungen gekommen seien. Dass die Angesprochenen seither alles andere als versöhnlich gestimmt sind, verwundert nicht. Ein solcher Vorwurf geht tief, auch bei jenen, die nicht in die Pandemiebekämpfung involviert waren.

Ähnlich schief ging der zweite, von seiner Absicht her ebenso gut gemeinte, Vorstoß der vergangenen Woche. Wirtschaftsminister Martin Kocher will die hohe Teilzeitquote im Land verringern. Teilzeitjobs sollen weniger attraktiv werden, sagt er im Kurier – und denkt laut darüber nach, Familien- und Sozialleistungen zu kürzen. Dass er damit vor allem Frauen anspricht, vor allem Alleinerziehende, zum Großteil solche, die wegen Betreuungspflichten keine andere Möglichkeit als die Teilzeitarbeit haben – das hat der Minister offenbar nicht bedacht. Der grüne Koalitionspartner reagiert verärgert, von überall hagelt es Kritik. Kocher macht einen Rückzieher, eine ökonomisch notwendige Debatte ist wohl damit auf längere Zeit beendet.

Angriff als Verteidigung

Der Kanzlerpartei passieren handwerkliche Fehler, die – hier schließt sich der Kreis zur Corona-Kritik – das Vertrauen der Bevölkerung in "die da oben" empfindlich stören. Dazu passt auch, dass man die Verantwortung gerne abschiebt – auf Expertinnen und Experten, noch lieber auf "die Medien". Der ÖVP-Parteipressedienst bezichtigt einen anerkannten Dokumentarfilmer der "linken Propaganda", der Kanzler greift Journalisten zunehmend direkt und persönlich an und fordert sie gleichzeitig dazu auf, "weniger sensibel" zu sein.

Mit solchem Verhalten zeigt Nehammer nur, wie empfindlich er selbst gerade ist. Die ÖVP agiert angstgetrieben. Misstrauen regiert statt Gestaltungswillen. Kritik wird stets als Angriff aufgefasst, der Horizont verengt sich immer mehr. So wird die von der ÖVP heiß ersehnte Trendumkehr an den Wahlurnen wohl nur schwer gelingen. (Petra Stuiber, 19.2.2023)