Es gab sie über Jahre hinweg zu Spottpreisen: Schweine waren Lockartikel der Wirte und Supermärkte. Um drei Euro war ein Kilo ihres Fleisches im Handel zu haben. Als Schnitzel warfen es zahlreiche Großküchen Gästen nur geringfügig teurer nach. Mit auf dem Teller landete Tierleid. Enormer Kostendruck lässt artgerechte Mast nicht zu.

Trotz höherer Preise und wachsender veganer Ernährung brach der Konsum von Schweinefleisch nicht ein.
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Das Gros der Schweine lebt nach wie vor auf Vollspaltenböden auf engem Raum ohne Einstreu. Ihre Preise aber sind so hoch wie nie zuvor.

150 Euro erlösten Landwirte vor einem Jahr für ein geschlachtetes Schwein im Schnitt. Derzeit sind es 260 Euro. Lag der Basispreis je Kilo Anfang 2022 noch bei 1,45 Euro, sind es nun 2,20 Euro. Allein vergangene Woche zog dieser um zwölf Cent an. Die Branche ist Hochs und Tiefs mit Blick auf den Schweinezyklus gewöhnt. Doch um so viel teurer wie heuer wurden ihre Tiere noch nie.

Fleischverarbeiter sprechen von einem Allzeithoch, das in den kommenden Wochen auf den Einzelhandel durchschlagen werde. Bereits im Vorjahr bezahlten Konsumenten innerhalb weniger Monate für Fleisch um 15 bis 20 Prozent mehr. Künftig wird dafür noch deutlich tiefer in die Tasche gegriffen werden müssen – auch wenn sich an Standards in der Tierhaltung vorerst wenig ändert.

Ferkel europaweit gesucht

Der Auslöser dafür sei ein bisher noch nie da gewesener Einbruch in der Schweinemast, erläutert Johann Schlederer, Chef der Schweinebörse, die als Bindeglied zwischen den Landwirten und der Industrie fungiert. Deutschland, das als einer der größten europäischen Fleischerzeuger die Preise am Markt vorgibt, verlor 15 Prozent seiner Produktion – in Summe fehlen dort seit dem Vorjahr rund sechs Millionen Schweine.

Auch Länder wie Polen dezimierten ihre Bestände um ein Zehntel. In Österreich sank die Mast in den vergangenen zwölf Monaten um fünf Prozent, rechnet Schlederer vor, der heuer ähnliche Rückgänge erwartet. Ferkel sind Mangelware. Quer durch Europa suchen Verarbeiter hektisch neue Lieferanten. Denn der Appetit auf Fleisch ist trotz wachsender veganer Ernährung fast ungebrochen.

Fleisch für Haustiere

Annahmen, dass seiner Branche infolge der hohen Inflation der Absatz wegbrechen würde, hätten sich bis zuletzt nicht bewahrheitet, sagt Thomas Schmiedbauer, Chef von Wiesbauer und Obmann der Fleischverarbeiter, dem STANDARD. "Konsumenten waren auch bereit, mehr für Fleisch zu zahlen." Infolge der europaweiten Verknappung der Schweine führt für ihn an weiteren Preiserhöhungen kein Weg vorbei.

Selbst wenn der Gusto auf Surbraten, Ripperl und Schweinebauch sinke, gehe der Bedarf an Fleisch per se nicht zurück, sagt Schlederer und erinnert an mehr als zwei Millionen Hunde und Katzen der Österreicher.

Aderlass der Mäster

Warum erlebt die Schweinemast trotz geschmalzener Erzeugerpreise einen derart starken Aderlass? Von Goldgräberstimmung ist unter Züchtern wenig zu spüren. Der Krieg in der Ukraine jagte ihre Futtermittelkosten, die zwei Drittel der Gesamtkosten in der Schweineproduktion ausmachen, in die Höhe. Wer Getreide anbaut, verkauft es lieber, als es an eigene Ferkel zu verfüttern.

Das Image der Branche ist durch zahlreiche Skandale in der Tierhaltung nachhaltig beschädigt. Keinen schlanken Fuß macht diese auch in der Debatte um Klimaschutz. Finanziell in die Enge getrieben sehen sich viele Betriebe aber vor allem durch strengere Tierschutzvorgaben – und Deutschland macht dabei deutlich mehr Druck als Österreich.

"Streichelzoo"

Die deutsche Regierung berät aktuell im Bundesrat eine verbindliche staatliche Kennzeichnung der Tierhaltung für Schweinefleisch. Parallel dazu werfen Diskonter konventionelles Fleisch, das nur auf Basis gesetzlicher Mindeststandards produziert wurde, aus den Regalen.

Aldi etwa will darauf bis 2025 zur Gänze verzichten und ab 2030 in seinen Kühlvitrinen allein Fleisch aus höheren Haltungsformen führen.

"Innerhalb weniger Jahre soll aus Hardcore-Haltung ein Streichelzoo gemacht werden", meint Schlederer, "das schreckt Mäster ab." Österreich lässt sich mit der Abschaffung der Vollspaltenböden trotz harter Kritik der Tierschützer bis 2039 Zeit. Eine Tierhaltungskennzeichnung ist in Arbeit, fußt aber auf einer freiwilligen Vereinbarung des Handels.

Hofübergaben

Wer einmal damit aufhört, kehrt nicht mehr in die Schweineproduktion zurück, ist sich Feinkosterzeuger Rudolf Berger sicher. Aufbruchstimmung ortet er jedoch unter jungen Bauern: Etliche Hofübernehmer investierten in neue Ställe und seien offen für mehr Tierwohl.

Bisher ist die Bereitschaft vieler Konsumenten, dieses nicht nur zu loben, sondern auch zu kaufen, gering. Kaum mehr als zwei Prozent der Schweine hierzulande wachsen unter dem Bio-Siegel auf. Nur fünf Prozent werden im Dienste neuer Tierwohlprogramme gehalten. Und seit die Teuerung Haushalte zum Sparen zwingt, haben höhere Labels Supermärkten zufolge einen noch schwereren Stand.

Spar sei mit seinen eigenen Fleischwerken der größte Abnehmer dieser Initiativen, sagt Konzernsprecherin Nicole Berkmann. "Wir können derzeit jedoch nicht alles, was wir den Bauern unter Tierwohl abnehmen, auch als solches verkaufen." (Verena Kainrath, 18.2.2023)