Ein Gletschersee in den Alpen. Die Wasserausbrüche treten heute durchschnittlich zehn Wochen früher auf als vor 120 Jahren.
Foto: APA/EXPA/JOHANN GRODER

Überflutungen können durch Gletscherseen verursacht werden, die sich plötzlich entleeren – eine Art der Naturkatastrophe, die oft vergessen wird. Man geht davon aus, dass bisher weltweit mehr als 12.000 Menschen durch solche Gletschersee-Ausbrüche ums Leben gekommen sind. Rund 400 Personen dürften in den Alpen verstorben sein, der Großteil in Zentralasien rund um das Himalaja-Gebirge.

Der Klimawandel erhöht das Risiko für diese Fluten, da die rasante Erwärmung die Stabilität der Gletscher verändert. Immerhin dürften die Ausbrüche allerdings weniger extrem werden. Darauf deutet eine neue Studie hin, an der deutsche, schweizerische und kanadische Fachleute beteiligt waren. Gleichzeitig treten die Überflutungen immer früher im Jahr auf.

Immer höhere Lagen

In seiner Studie hat das Forschungsteam mehr als 1.500 weltweit seit dem Jahr 1900 aufgezeichnete Gletscherseeausbrüche anhand des Wasservolumens, des Spitzenabflusses, des Zeitpunkts und der Höhe des Quellsees charakterisiert. So waren die Wissenschafterinnen und Wissenschafter in der Lage, die Entwicklung im Laufe der Zeit abzuschätzen. Die Studie wurde am Donnerstag im renommierten Fachmagazin "Nature" veröffentlicht.

Die beschleunigte Gletscherschmelze der letzten Jahrzehnte hat demnach dazu geführt, dass Gletschersee-Ausbrüche an Volumen und Abfluss abnahmen. Allerdings treten die Ausbrüche immer früher auf: in den europäischen Alpen im Durchschnitt zehn Wochen früher als noch vor 120 Jahren.

Außerdem stellten die Forschenden fest, dass es inzwischen auch in höheren Lagen Seen mit dokumentierten Ausbrüchen gibt. In den Anden, in Island und Skandinavien liegen sie jetzt im Durchschnitt 250 bis 500 Meter höher als im Jahr 1900. Bei den Gletschersee-Ausbrüchen in den europäischen Alpen wurden in der Studie keine nennenswerten Veränderungen der Höhenlage festgestellt.

Spontane Entleerung

Diese Veränderungen zu kennen sei wichtig, etwa um Straßen oder Brücken entlang von Flüssen vorübergehend zu sperren und so Schäden zu verringern, schrieben die Fachleute in der Studie.

Auch in der Schweiz kommt es immer wieder zu Hochwasser durch Gletschersee-Ausbrüche. So halten etwa die Gletscherseen auf dem Plaine-Morte-Gletscher die Behörden seit einigen Jahren auf Trab. Vor allem der sogenannte Favergesee im Grenzgebiet der Kantone Bern und Wallis macht Probleme. In einer länglichen Mulde zwischen Fels und Eis sammelt sich im Frühsommer jeweils Schmelzwasser.

Scientific American

Sobald der See eine kritische Schwelle erreicht, kommt es zu einer spontanen Entleerung. Das passiert jeweils zwischen Mitte Juni und Ende August. Naturgefahrenexperten haben rund um den See ein Überwachungssystem eingerichtet. Mitunter wird an Gletscherseen künstlich Wasser abgelassen, um das Risiko zu minimieren. An anderen werden zusätzliche Dämme errichtet. (APA, red, 17.2.2023)