Warten auf Brennholz. Wer sich in die Liste einträgt, bekommt zwei Kubikmeter und kann damit etwa einen Monat lang heizen. Es ist nicht die Lösung aller Probleme, aber ein Mosaikstein der Hilfe.

Foto: Gerald Schubert

Auf den ersten Blick sieht das aus Spanplatten zusammengezimmerte Häuschen aus wie eine Busstation. Das Heiligenbild an der Rückwand wiederum lässt eher an eine Seitenkapelle der kleinen Kirche denken, die gleich nebenan steht. Doch an dem Tisch unter dem Giebel, an dem immer noch der Weihnachtsschmuck hängt, wird ganz praktisch Hilfe organisiert. Die Frauen, die hier an der staubigen Landstraße bei Anenii Noi stehen, etwa 30 Kilometer südöstlich von Moldaus Hauptstadt Chișinău, warten darauf, sich in eine Liste für die Zuteilung von Brennholz einzutragen.

Abgewickelt wird diese – mit Unterstützung der Caritas Österreich – von der Diaconia, einer Hilfsorganisation der örtlichen orthodoxen Kirche. Jeweils zwei Kubikmeter bekommen die begünstigten Haushalte in der Gemeinde. "Das reicht für ungefähr einen Monat, je nach Temperatur", erklärt Diaconia-Chef Igor Belei, während das Brennholz auf Lastwägen verladen wird. Andere Partner würden mit Lebensmitteln oder Kleidung helfen: "So versuchen wir mit vereinten Kräften, wenigstens einen Teil des wirtschaftlichen Drucks von den Menschen zu nehmen."

Neid vermeiden

In Anenii Noi sind an diesem Tag elf Familien dran. Haushalte, die Geflüchtete aus der Ukraine aufgenommen haben, und ortsansässige Bedürftige halten sich dabei in etwa die Waage. Das ist wichtig, um keinen Neid zu erzeugen. "Trotz der bitteren Not im eigenen Land sind die Menschen hier beeindruckend solidarisch", sagt Michael Landau, Präsident der Caritas Österreich, während des Besuchs in Moldau. Dennoch müsse die Bevölkerung vor Ort genauso berücksichtigt werden wie die Menschen, die durch den Krieg in der benachbarten Ukraine hinzugekommen sind: "Gelingende Hilfe muss inklusiv sein."

Was für professionelle Hilfsorganisationen eine selbstverständliche Richtschnur ist, wird vor Ort nicht immer sofort wahrgenommen. Als der Lkw mit einer Fuhre Holz in einer der holprigen Straßen von Anenii Noi parkt, erregt das kurz Aufsehen in der Nachbarschaft. Eine Frau will wissen, wer hier Holz bekommt und warum. Nun will auch sie sich zur Kirche aufmachen, um sich in eine der Listen einzutragen.

Inzwischen wird das Brennholz im schlammigen Vorgarten eines Einfamilienhauses abgeladen. Drinnen sind die 26-jährige Alexandra und ihre Tochter Mascha untergekommen, die am liebsten Mary genannt wird. In einem der beiden winzigen Zimmer schwebt ein silberner Ballon in Form der Zahl Fünf: Mary hat Geburtstag.

Gefahr als Gewohnheit

Die beiden sind aus der ukrainischen Schwarzmeerstadt Odessa nach Anenii Noi geflüchtet. Die alte Dame, die sie aufgenommen hat, ist für Mary die "Babuschka", die Großmutter. Dabei sind sie nicht einmal verwandt. Alexandras Eltern haben Babuschkas Familie einst an der Küste bei Odessa kennengelernt. Aus der flüchtigen Urlaubsbekanntschaft wurden die offenen Arme für die nächste und übernächste Generation.

"Vor dem Krieg war das Leben in Odessa besser als hier", sagt Alexandra, die früher als Friseurin gearbeitet hat. Auch jetzt muss sie manchmal in die alte Heimatstadt, die nur etwa 100 Kilometer entfernt ist, denken. Mary ist krank und muss dort behandelt werden. Aber jedes Mal ist Alexandra froh, wenn sie zurück in Moldau ist: "Die Lage in Odessa ist bedrückend. Viele haben sich an die Explosionen und die ständige Gefahr gewöhnt. Daran aber möchte ich mich nicht gewöhnen!"

Babuschka bleibt schweigsam. Nur ganz am Schluss möchte auch sie etwas sagen: "Ich bin über 70 und habe schon gelebt. Aber was ist mit den Jungen?"

Soziales Umfeld für Kinder

Mehr als 100.000 Geflüchtete aus der Ukraine sind derzeit in der Republik Moldau, das sind etwa vier Prozent der Bevölkerung. Dass gerade eines der ärmsten Länder Europas die meisten Flüchtlinge pro Kopf aufnimmt, stellt Hilfsorganisationen vor besondere Herausforderungen. Die Caritas Österreich arbeitet daher nicht nur mit der Diaconia zusammen, sondern unterstützt auch andere Einrichtungen wie etwa die von der Caritas Moldau betriebene Flüchtlingsunterkunft Fides oder ein Kindertageszentrum in der Hauptstadt Chişinău.

Fast überall gibt es Räume, in denen geflüchtete Kinder gemeinsam am Online-Unterricht aus der Ukraine teilnehmen. Die Idee dahinter: Die Schülerinnen und Schüler können nach den gewohnten Lehrplänen und oft sogar von ihren alten Lehrkräften unterrichtet werden, während die Einrichtungen in Moldau ihnen Räume und technische Ausstattung zur Verfügung stellen und ihnen vor Ort ein soziales Leben in der Gemeinschaft sowie einen geregelten Tagesablauf ermöglichen.

Die achtjährige Veronika lernt lieber zu Hause, dort kann sie sich besser konzentrieren. Ihre Mutter Ludmila hat in Chişinău privat Unterschlupf gefunden. Auch sie stammt aus Odessa. In Chişinău fühlt sie sich sicher. Die Leute, bei denen sie wohnt, sehen das offenbar anders, erzählt sie: "Sie haben Angst, dass der Krieg auch nach Moldau kommt. In ihrem Zimmer steht immer ein gepackter Notkoffer. Auch jetzt." (Gerald Schubert aus Chișinău, 18.2.2023)

Die Reise nach Moldau wurde zum Teil von der Caritas Österreich finanziert.