Marker-Roboter sollen nach Angaben Russlands mit entsprechenden Waffenmodulen so umgerüstet werden, dass sie gegen Panzer eingesetzt werden können.

Foto: Androidnaya Technika

Die Zusage für mehr als 100 westliche Kampfpanzer sorgte Ende Jänner für Erleichterung in der Ukraine. In Russland hat man die Nachricht über die Panzerlieferungen erwartungsgemäß marginalisiert – im Hintergrund wird der Einsatz möglicher Gegenmaßnahmen dennoch geplant. Eine Ankündigung mutet auf den ersten Blick futuristisch an: Ein modularer Kampfroboter unter der Bezeichnung Marker soll so umgebaut werden, dass er zur Gefahr für Panzer wie den Leopard 2 oder den M1 Abrams wird.

Schlüsselfigur hinter dieser Initiative ist Dmitri Rogosin. Der ehemalige Leiter der russischen Weltraumagentur Roskosmos leitet eine Gruppe von Militärberatern, die sich "Wölfe des Zaren" nennt. Dort sei man sich einig, dass die "Marker in der verbleibenden Zeit, bevor die Abrams und Leopards in der Ukraine eintreffen, vorbereitet werden sollten, um sie zusammen mit ihren Besatzungen zu zerstören", sagte Rogosin bereits am 26. Jänner auf seinem Telegram-Kanal.

Gegenüber der Staatsagentur RIA Novosti hat Rogosin erklärt, dass bereits im Februar vier dieser Marker-Roboter in Aufklärungs- und Angriffsversionen zum Einsatz kommen. Dank eines elektronischen Katalogs im optischen Erkennungssystem sollen Marker – mit entsprechenden Bildern feindlicher Fahrzeuge trainiert – nun auch in der Lage sein, andere Panzer erkennen und bekämpfen zu können. Diese Charakteristik war für die Drohne bislang noch unbekannt.

Prestige-Projekt seit 2019

Die Entwicklung der Marker ist an sich keine Neuheit und gilt schon seit 2019 als ein Prestige-Projekt von Androidnaya Technika und der Advanced Research Foundation, die als russisches Gegenstück zur US-amerikanischen DARPA verstanden werden kann. Im Oktober 2021 etwa vermeldete der Hersteller, dass die Roboterplattform Marker auf dem russischen Weltraumbahnhof Wostotschny erfolgreich getestet wurde, um Arbeiten im Sinne der "autonomen Patrouille der zugewiesenen Schutzrouten von Objekten der Weltrauminfrastruktur am Boden durchzuführen, Eindringlinge zu entdecken, sie zu identifizieren und abzufangen."

Foto: Androidnaya Technika

Die größte Besonderheit ist wohl die Vielseitigkeit der Drohne, mit der sie eingesetzt werden kann. Wahlweise auf Rädern oder über Kettenantrieb kann das rund drei Tonnen schwere Fahrzeug von einem menschlichen Piloten ferngesteuert werden, über ein integriertes System aber auch vollkommen autonom agieren.

Laut Angaben von Androidnaya Technika verfügt der Unterbau des Marker über sechs unabhängige Drehachsen und eine optoelektronische Einheit. Darunter ist das System zu verstehen, mit dem der Marker seine Umgebung wahrnimmt und sie in elektronische Daten umwandelt. Auf dem Fahrzeug selbst können zwei unterschiedliche Module installiert werden, die unabhängig voneinander eingesetzt werden können. Ein Betrieb des Roboters soll mehr als zwei Tage lang ohne Unterbrechung möglich sein.

Eine Drohne mit und gegen Drohnen

Ursprünglich wurde der Marker für die Aufklärung getestet: Die modulare Bauweise ermöglicht eine Vielzahl von Aufsätzen, darunter auch eine Plattform zum Starten kleiner Flugdrohnen, mit dem Zweck, die Umgebung im Verbund mit dem Marker auszukundschaften. Videos zeigen, dass das Fahrzeug mit entsprechender Modifizierung etwa auch dazu eingesetzt werden könnte, Truppen mit Nachschub zu versorgen.

Vor der Ankündigung, den Marker gegen Panzer einsetzen zu wollen, waren die Hersteller bemüht, seine Vorzüge zudem als kostengünstige Flugabwehr gegen tieffliegende Drohnen hervorzuheben. Mit entsprechendem Modul und Radar ausgestattet, könne das System Luftziele in einem kleinen Bereich erkennen und die Koordinaten weitergeben – entweder an die Waffen am Fahrzeug selbst oder an andere Einheiten.

Technisches Experiment auf dem Schlachtfeld

Mag die Funktionsweise in vorgefertigten Werbevideos noch reibungslos wirken, weil die Drohne Übungen in einer kontrollierten Umgebung ausführt, stellen tatsächliche Kampfsituationen solche Systeme vor ganz andere Herausforderungen. Das russische Militär hat schon 2018 unbemannte Bodenfahrzeuge vom Typ Uran-9 im Syrien-Krieg eingesetzt und sah sich laufend vor erhebliche Probleme gestellt: Neben einer geringen Reichweite wurden auch häufig Systemausfälle und Kontrollverluste beklagt, sodass die den Drohnen zugewiesenen Aufgaben nicht erfüllt werden konnten. Auf eine lange Routine in der Nutzung dieser neuen Technologien dürfte man unter realen Bedingungen jedenfalls noch nicht zurückgreifen können.

Foto: Androidnaya Technika

Für einen experimentellen Charakter der Marker spricht auch der Umstand, dass es insgesamt nur fünf dieser Drohnen geben soll. Davon gleich vier Stück in die Ukraine zu entsenden macht sie zudem nicht besonders verzichtbar. "Interessant ist, dass Marker immer als Proof-of-Concept vorgestellt wurde, als Vorzeigeprojekt für Anwendungen der allgemeinen künstlichen Intelligenz", sagt Samuel Bendett, Mitglied des Russia Studies Program und Adjunct Senior Fellow am Center for New American Security gegenüber der Fach-Seite "Task & Purpose". Seiner Ansicht nach werfe der geplante Einsatz deshalb "mehr Fragen als Antworten" auf.

Keine Wunderwaffe

Auch Frank Umbach, Forschungsleiter am Center for Advanced Security, Strategic and Integration Studies (CASSIS) an der Universität Bonn, glaubt nicht an Panzerkiller oder eine "Wunderwaffe" in Form von UGVs (Englisch für "unmanned ground freeride vehicle") und interpretiert solche Ankündigungen als russische Propaganda. Gegenüber dem STANDARD führt Umbach zudem noch einen weiteren Aspekt an, weshalb der Einsatz dieser Technologie das russische Militär vor Schwierigkeiten stellen dürfte. "UGVs dürfen nicht für sich alleine betrachtet werden, sondern sind immer Teil eines Kampfverbandes mit Schützen-, Spähpanzer und Artillerie. Dieses 'Gefecht der verbundenen Waffen' beherrschen die russischen Streitkräfte aber nicht besonders, sie sind zu stark von tradierten zentralistischen Befehlsstrukturen charakterisiert", sagt der Experte.

Unklar bleibt nicht zuletzt auch die konkrete Bewaffnung, die für den Einsatz des Markers im Ukraine-Krieg vorgesehen ist. Bekannt ist bislang nur eine Kombination aus schwerem Maschinengewehr und einem Block aus zwei Raketenwerfern, wie sie über verfügbares Bildmaterial und Videos zu erkennen ist. Und von wahrscheinlichen Problemen der Navigation und Wartung abgesehen hätte es diese Kombination jedenfalls schwer, Kampfpanzer wie den Leopard 2 oder den M1 Abrams gefährden zu können – und somit der Bezeichnung "Panzerkiller" gerecht zu werden. (Benjamin Brandtner, 20.02.2023)