Die gestiegenen Kosten für Heizung, Elektrizität und Co stellen viele Haushalte vor massive Probleme.
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Seit etwa einem Jahr hat sich viel verändert: Die Aggression Russlands gegen die Ukraine erreichte ein neues Niveau im noch immer währenden Angriffskrieg. Davon ist längst nicht nur die Bevölkerung vor Ort betroffen. Die Weltwirtschaft wurde stark geprägt, Menschen auf der ganzen Welt sind durch steigende Energiepreise armutsgefährdet.

Das zeigt auch eine aktuelle Studie im Fachjournal "Nature Energy" deutlich. Den Fachleuten zufolge könnten Preissteigerungen zwischen 63 und 113 Prozent stattgefunden haben. Damit dürften weltweit zusätzlich 78 bis 141 Millionen Menschen in extremer Armut leben.

87 Prozent der Bevölkerung modelliert

Der Ukraine-Krieg hat den Haushalten erhebliche direkte Mehrkosten etwa für Heizung, Kühlung und Mobilität beschert, aber auch – aufgrund der Abhängigkeit der globalen Lieferketten von fossilen Brennstoffen – indirekt deren Ausgaben gesteigert, etwa durch höhere Preise für andere Waren und Dienstleistungen. Haushalte waren dabei auf unterschiedliche Weise betroffen, und zwar abhängig davon, wie hoch das Einkommen ist, wie das Geld ausgegeben wird und wie und wo gekaufte Produkte hergestellt wurden.

Daher hat das Forschungsteam um den aus Österreich stammenden Ökonomen Klaus Hubacek von der Universität Groningen (Niederlande) die direkten und indirekten Auswirkungen der gestiegenen Energiepreise auf mehr als 200 Gruppen mit unterschiedlichen Verbrauchsniveaus modelliert. Die Daten repräsentieren dabei die Bevölkerung aus 116 Ländern und decken rund 87 Prozent der Weltbevölkerung ab. Bereits im Juli 2022 wurde die Forschungsarbeit abgegeben, um fachbegutachtet zu werden.

Armutsbekämpfung untergraben

Im Szenario, bei dem eine Verdoppelung des Preises für Kohle sowie Preisanstiege für Öl von 51 Prozent und Gas von 94 Prozent angenommen wurden, gehen die Fachleute davon aus, dass die Gesamtenergiekosten der Haushalte um 62,6 bis 112,9 Prozent gestiegen sind. Das führte zu einer Erhöhung der gesamten Haushaltsausgaben um 2,7 bis 4,8 Prozent. Die Belastung variiert dabei aufgrund von Unterschieden in der Struktur der Versorgungskette, den Verbrauchsmustern und dem Energiebedarf.

Infolge dieser massiven Kostensteigerungen könnten weltweit zusätzlich 78 bis 141 Millionen Menschen in die extreme Armut getrieben werden, warnen die Forschenden. So würden in armen Ländern, etwa den afrikanischen Staaten südlich der Sahara, die gestiegenen Lebenshaltungskosten "die hart erkämpften Erfolge beim Zugang zu Energie und bei der Armutsbekämpfung untergraben", schreiben die Fachleute in der Arbeit.

Verschwendete Steuergelder

"Unsere Forschung unterstreicht die Notwendigkeit, die durch den Anstieg der Energiepreise verursachten höheren Kosten für lebensnotwendige Güter abzufedern, insbesondere für Lebensmittel und vor allem für Haushalte mit niedrigem Einkommen", heißt es in der Studie. Weil verschiedene Arten von Haushalten auf unterschiedliche Weise unter den hohen Preisen leiden, würden sie verschiedene Arten von Unterstützung benötigen. Doch die von vielen Regierungen eingeführten Unterstützungspakete zur Abfederung der Energiekosten würden nicht genügend Details berücksichtigen.

"Jede politische Maßnahme, die Einheitslösungen verfolgt und nicht nach Betroffenheit differenziert, verschwendet Steuergelder und hilft nicht denen, die es am meisten brauchen", erklärt Hubacek. Pendlerpauschalen, Preisdeckel oder Rückvergütungen ohne Differenzierung nach Einkommen und Betroffenheit seien ineffizient.

Klimaschutz vernachlässigt

Weiters betonen die Fachleute, dass Maßnahmen zur Bewältigung der hohen Lebenshaltungskosten im Einklang mit den Klimaschutzzielen stehen sollten. Doch die hohen Energiepreise würden die globalen Energiemärkte verändern und hätten einige europäische Länder dazu veranlasst, den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen zu verzögern, nach alternativen Quellen wie Flüssigerdgas (LNG) im Ausland zu suchen und verstärkt in kohlenstoffintensive Infrastrukturen zu investieren.

Insgesamt könnten "Notmaßnahmen die Energiewende verlangsamen und die ohnehin schon rückläufigen Bemühungen um den Klimaschutz weltweit weiter verzögern", warnen die Forschenden. Statt in fossile Infrastruktur zu investieren, sollte Geld für Effizienz und Energiesparen zur Verfügung gestellt werden, betonte Hubacek. "Durch Investitionen in Energieeffizienz ließe sich das Ziel 'Mobilität und warme Häuser für alle' mit geringen Kosten und CO2-Emissionen erreichen", sagte der Wissenschafter. (APA, red, 21.2.2023)