Die Impfpflicht hätte nicht ihrer Überzeugung entsprochen, hieß es von Peter Hacker (SPÖ) am Samstag.

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Wien – Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) haben es getan. Nun folgt auch der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) mit dem Bekenntnis, drei Jahre Corona-Pandemie aufarbeiten zu wollen. Während Nehammer von einem "kollektiven Trauma" spricht und alle Maßnahmen – Lockdowns, Schulschließungen, Impfpflicht – von einer Kommission aufarbeiten lassen will, gab sich Hacker im Ö1-"Journal zu Gast" am Samstag schon jetzt deutlich selbstkritischer: Es sei ein Fehler gewesen, dass die SPÖ die Impfpflicht gegen ihre Überzeugung mitgetragen habe, sagt der Stadtrat.

Kein Höhepunkt der Pandemie

In einer damaligen Sitzung hätte die ÖVP, darunter die Landeshauptleute und der Kanzler, massiv auf die – inzwischen wieder abgeschaffte – Impfpflicht gedrängt. Dass hier auch Michael Ludwig (SPÖ) als Wiener Bürgermeister mitgezogen sei, führt Hacker im Interview auf den "nationalen Konsens" zurück. Aus Solidarität habe man die Impfpflicht mitgetragen, auch wenn man ihr skeptisch gegenüber gestanden sei. "Das war möglicherweise ein Fehler." Dass diese aber ein kollektives Trauma ausgelöst hätte, glaubt der Stadtrat nicht. Traumatischer seien da viel eher die Lockdowns und Schließungen gewesen.

Beim Thema Versöhnen will Hacker jedenfalls nicht mit Nehammer mitziehen. Dieser hatte sich am Mittwoch für einen Versöhnungsprozess – womöglich auch mit Blick auf FPÖ-Wählerstimmen – ausgesprochen. "Das kann er schon machen, wenn er meint", sagt der Stadtrat sinngemäß. Er selbst müsse sich aber mit niemandem versöhnen und könne mit dem "Sesselkreis des Kanzlers" wenig anfangen. Durchzudiskutieren, welche Maßnahmen funktioniert hätten und welche nicht, sei hingegen sinnvoll.

Der Wiener Pandemie-Weg

Gerade mit Blick auf die von Hacker kritisierte "Politisierung der Corona-Maßnahmen" dürfte Wien jedoch seinen Teil dazu beigetragen haben. Stichwort: Wiener Weg mit Maskenpflicht in Öffis und Corona-Testregime. Eine "rote Trade-Mark" sei nie die Intention gewesen, sagt Hacker dazu. Es sei jedoch wichtig gewesen, das Pandemiegeschehen im Blick zu haben. Und das ließ sich Österreich einiges kosten: In Summe flossen 4,8 Milliarden Euro in das österreichweite Testregime. Mit seinem "Alles-Gurgelt"-Programm war Wien dabei österreichischer Testmeister.

Dass die Bundeshauptstadt bei der Übersterblichkeit dennoch nicht besser dagestanden ist als der Rest Österreichs, will Hacker nicht gelten lassen. "Niemals wurde in einer Epidemie eine Teststrategie entwickelt, um Sterbefälle zu verhindern. [...] Das Ziel war, infizierte Personen zu entdecken, um zu verhindern, dass sie andere anstecken", sagt Hacker. Hier hätte eine Zwei-Millionen-Stadt wie Wien eine andere Dynamik als kleinere Gemeinden. Außerdem würde Wien eine der niedrigsten Sterberaten im Vergleich zu anderen Millionenstädten in Europa aufweisen.

Und hier endet die Selbstkritik Hackers: "Ich bin stolz darauf, dass wir das besonders gut hinbekommen haben", sagt er. Dass sich Personen im Rahmen der Teststrategie "im Sinne von in die Taschen gesteckt" bereichert hätten, könne er mit großer Wahrscheinlichkeit ausschließen. Dass der eine oder andere viel Geld verdient habe – gerade zu Beginn –, sei sicher der Fall gewesen. Allerdings hätte man die Kosten für die Testungen massiv senken können. Das Problem für die "unnötig hohen Gesamtkosten" sei letztlich die politische Eitelkeit gewesen, nicht mit den Wienern mitziehen zu wollen. Hätte man ein ähnliches Testprogramm in ganz Österreich ausgerollt, dann hätte man sich "anderthalb bis zwei Milliarden Euro locker sparen können", behauptet Hacker.

FPÖ sieht Ludwig als "treibende Kraft"

Mit wenig Freude reagierte die Wiener FPÖ am Nachmittag auf die Worte Hackers. In einer Aussendung bezeichnete der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp die Aussage, wonach Ludwig die Impfpflicht lediglich im nationalen Konsens mitgetragen habe, als "dummes Herumgelüge". "Tatsache ist, dass Ludwig die treibende Kraft für die Corona-Impfpflicht war. Wie feig kann man nur sein, dass man jetzt versucht, seine eigenen Handlungen zu verleugnen und die Wienerinnen und Wiener anzulügen", sagte Nepp. (etom, APA, 18.2.2023)