Die chinesische Delegation ist in Taiwan eingetroffen.

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Chinas Top-Diplomat Wang Yi wirft den USA eine Schmutzkampagne vor.

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Taipeh – Inmitten wachsender militärischer Spannungen und erstmals seit Ausbruch der Corona-Pandemie vor drei Jahren ist in Taiwan wieder eine Gruppe chinesischer Behördenvertreter zu einem Besuch eingetroffen. Die Delegation landete am Samstag in Taipeh, angeführt vom stellvertretenden Leiter der Shanghaier Niederlassung von Chinas Büro für Taiwan-Angelegenheiten. Vor dem Flughafen versammelten sich etwa ein Dutzend Unabhängigkeitsverfechter, die darauf pochten, dass Taiwan und China zwei unterschiedliche Länder seien und dass Chinesen die Insel verlassen sollten. An einer Straße zum Flughafen fanden sich derweil mehrere Anhänger Chinas ein, die die Delegation demonstrativ willkommen hießen.

Unterschiedliche Wahrnehmungen

Taiwan beharrt auf seiner Unabhängigkeit, China betrachtet die Insel dagegen als Teil seines Territoriums. Seit geraumer Zeit nehmen die Spannungen zu. Die Volksrepublik ist unter anderem verstärkt militärisch präsent in der Taiwanstraße, einer Meerenge zwischen dem chinesischen Festland und der Insel. China lehnt einen Dialog mit Taipeh ab, seit Tsai Ing-wen 2016 Präsidentin von Taiwan wurde, weil sie in Peking als Separatistin gilt. Auf Städte-Ebene fand gleichwohl bis zum Beginn der Corona-Pandemie weiterhin ein regelmäßiger Austausch statt. Die am Samstag eingetroffene Delegation war von der Stadt Taipeh eingeladen worden, um dort am Laternenfest teilzunehmen.

Der Konflikt zwischen China und Taiwan wird international eng verfolgt. Bei einer Eskalation wird ein Übergreifen auf die gesamte Region befürchtet und ein Eingreifen der USA, die Taiwan unterstützen. In diesem Zusammenhang dürfte in Peking auch ein Bericht der "Financial Times" für Aufmerksamkeit sorgen: Die Zeitung berichtete am Samstag unter Berufung auf Insider, dass kommende Woche ranghohe Vertreter Taiwans in Washington erwartet werden, darunter Außenminister Joseph Wu. Die Delegation werde sich unter anderem mit dem stellvertretenden Nationalen Sicherheitsberater der USA, Jon Finer, treffen. Die Gespräche sollen dem Bericht zufolge als privat eingeordnet werden, um eine Verärgerung Pekings zu vermeiden. Die Beziehungen der USA und Chinas sind erheblich angespannt und waren am Samstag auch Thema auf der Münchner Sicherheitskonferenz.

China sieht Schmutzkampagne der USA

Chinas Top-Diplomat Wang Yi hat den USA eine Schmutzkampagne und aggressives Verhalten gegen sein Land vorgeworfen. Die US-Regierung rufe auch andere Länder dazu auf, sich dem anzuschließen, sagte Wang Yi. Er warf Washington unter anderem eine protektionistische Politik durch die Sanktionen gegen China im Halbleiter-Bereich und ein völlig überzogenes Agieren beim Abschuss eines chinesischen Ballons vor. Die Sanktionen seien "selbstbezogen und eine ernsthafte Verletzung des freien Handels" sowie der Regeln der Welthandelsorganisation (WTO).

Zugleich pochte Wang Yi darauf, dass der Westen Taiwan nicht aufwerten dürfe. Jede Verletzung der Ein-China-Politik oder der Versuch, zwei Chinas zu schaffen, sei "eine große Verletzung" der territorialen Souveränität Chinas. Sein Land werde sich dagegen wehren. Wang Yi war früher Außenminister und ist mittlerweile Direktor des Büros der Kommission für auswärtige Angelegenheiten des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas und damit der Top-Diplomat des Landes. Er hatte sich in München unter anderem mit dem deutschen Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) getroffen.

Mit Blick auf die USA betonte er, der amerikanische Abschluss eines chinesischen Ballons sei völlig überzogen. Man habe Washington gesagt, dass es sich um einen Wetterballon gehandelt habe, der vom Weg abgekommen sei. Es gebe sehr viele solcher Ballons in der Welt. "All diese Ballons abzuschießen, ist nicht möglich. Das zeigt auch keine amerikanische Stärke – im Gegenteil."

Keine klare Positionierung im Ukraine-Krieg

Wang Yi vermied erneut eine klare Positionierung im Ukraine-Krieg und betonte nur, dass Peking für Friedensgespräche sei. Er kündigte ein Positionspapier seiner Regierung an, wie man zu einer friedlichen Lösung des Konflikts kommen könne. Er rief die Europäer auf, ihrerseits auf Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine zu drängen. Russland wollte er nicht verurteilen. Peking hat seit der russischen Invasion mehrfach die eigene Neutralität betont. Auf der Sicherheitskonferenz 2022 wenige Tage vor dem russischen Angriff hatte Wang Yi noch die ukrainische Souveränität und ihr Recht auf territoriale Unversehrtheit betont. Er warnte davor, Atomkraft in diesem Krieg zu missbrauchen. (Reuters, APA, red, 18.2.2023)