Chinas Top-Diplomat Wang Yi betonte in München Chinas Willen, auf Frieden zu pochen. Über die Methoden schwieg er sich aus.

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Bei multilateralen Treffen einer gewissen Größenordnung, kommt jedes Mal unweigerlich Kritik auf: Warum könne man einander nicht virtuell treffen, um Ressourcen zu sparen? So auch bei der jährlich stattfindenden Münchner Sicherheitskonferenz. Aber: Auch heuer zeigt sich wieder, dass es die hunderten bilateralen Treffen, die hier im Speed-Dating-Rhythmus abgehalten werden, braucht. Oder dass sie zumindest dringend nötig wären. Beim Reden kommen ja bekanntlich die Leut' zusammen.

Die USA und China haben offenbar noch nicht zueinander gefunden. Und das, was die beiden einander vorerst über die öffentliche Bühne ausrichten, ist nicht gerade freundlich. Es ist auch nicht gerade vertrauensbildend. Der Ballon-Zwischenfall hat die Stimmung nachhaltig getrübt. Das spricht US-Vizepräsidentin Kamala Harris ebenso an wie Chinas Top-Diplomat Wang Yi. Diesen traf US-AußenministerAntony Blinken am Samstag jedenfalls am Rande der Sicherheitskonferenz , so ein Sprecher des Außenministeriums am Samstag Abend. Details sind noch nicht bekannt. Bis zuletzt war unklar, ob das Treffen stattfinden würde.

Zuvor sprach Wang Yi auf der Bühne von einem "absurdem und hysterischen" Verhalten der US-Amerikaner einen "zivilen Wetter-Ballon", wie Peking weiterhin betont, mit derart schweren Geschützen vom Himmel zu holen. Es sei kein Zeichen der Stärke, sondern eines der Schwäche, resümierte Wang Yi.

Die Verbitterung der USA hingegen scheint tiefer zu greifen und vor allem auch mit der chinesischen Position zum Ukrainekrieg zu tun zu haben. Auch auf wiederholtes Nachfragen, wollte sich Wang Yi auf der Bühne nicht klar positionieren. Der langjährige Sicherheitskonferenzchef Wolfgang Ischinger versuchte ihn festzunageln, nachdem Wang Yi noch im vergangenen Jahre davon sprach, die territoriale Integrität der Ukraine anzuerkenen. Was man daher gedenke gegen Russland zu unternehmen, wollte er wissen?

Chinesischer Friedensplan?

Bis auf nebulöse Ankündigungen eines angeblichen Friedensplans, kam von Wang Yi aber nicht viel. Er kündigte ein Positionspapier seiner Regierung an, wie man zu einer friedlichen Lösung des Konflikts kommen könne, nannte aber keine Details. "Wir werden etwas vorlegen. Und zwar die chinesische Position zur politischen Beilegung der Ukraine-Krise", sagte er. Und weiter: "Wir werden auf der Seite des Friedens und des Dialoges standfest stehen". Statt Sanktionen solle man auf Dialog und Konsultationen nicht vergessen, es müsse dem Frieden eine Chance gegeben werden. Das Papier soll kommende Woche dem Kreml vorgelegt werden, von Wang persönlich.

Er sprach auch die chinesischen Diplomatiebemühungen zu Beginn des Konflikts an – das Wort Krieg vermied er. Diese Bemühungen waren jedoch – wie sich knapp ein Jahr später zeigt – nicht erfolgreich. Verantwortlich dafür machte er in verklausulierten Sätzen offenbar die USA. "Bestimmte Mächte" hätten ein Interesse an einer Prolongierung des Konflikts, meinte er.

Friedensplan müsse abgewartet werden

Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg, der am Samstag erneute zahlreiche bilaterale Treffen absolvierte, kam auch mit Wang zusammen. Konkretes über den Friedensplan erfuhr auch er nicht, wie er vor Journalisten sagte. Es gelte nun einmal abzuwarten, was Peking konkret vorschlägt. Wang habe aber stets auf die territoriale Integrität gepocht und da sei man ja schließlich einer Meinung. Das Wording ist aber anders. Schallenberg habe meist von einem "brutalen Angriffskrieg", während Wang wie auch schon bei seiner Rede am Mittag gerne allgemein wurde und solch klare Wortwahl vermied.

Während Peking also die Verurteilung Moskaus wieder einmal ausließ, machte Harris unmissverständlich klar, dass die USA die Verbrechen der russischen Armee in der Ukraine offiziell als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" anerkenne.

Und dann, als kaum noch jemand damit rechnete, sprach Wang doch noch eine Art Kooperationsangebot aus. Und die Motivation könnte kapitalistischer nicht sein. Krieg sei schlecht fürs Geschäft, sagte Wang Yi sinngemäß. Deshalb mache es Sinn, global zusammenzuarbeiten. Auch Schallenberg betonte, dass China natürlich auch ein wirtschafltliches Interesse habe, diesen Konflikt beendet zu sehen. Bleibt zu sehen, ob es ein Friedensvorschlag ist, den die Ukraine auch nur irgendwie akzeptieren kann.

Rolle des globalen Südens

So moralisch fragwürdig es oft auch erscheint, den Krieg aus einer rein subjektiven Kosten-Nutzen-Analyse zu sehen, so scheint es doch ein durchaus gängiges Modell in weiten Teilen des globalen Südens zu sein. Wiederholt wird auf der Sicherheitskonferenz betont wie geeint die transatlantischen Partner und ihre vereinzelten Partner im südost-asiatischen Raum doch seien. Fast im selben Atemzug wird aber kritisiert, dass viele Staaten Südamerikas, Afrikas oder Asiens Russland für seine Kriegsverbrechen nicht ausreichend zur Rechenschaft zu ziehen, abstrafen.

Die Konferenz ist sichtlich bemüht dies zu ändern. Auf offene Ohren stößt man dennoch kaum. Viel zu oft werde der Konflikt als eine reine Fortsetzung von Russlands Konflikt mit der Nato gesehen – als regionales Problem der Europäer und Washingtons.

Auch deshalb werden Spitzenpolitikerinnen wie Finnlands Premierministerin Sanna Marin oder Ursula von der Leyen nicht müde zu betonen, dass der Angriff Russlands globale Auswirkungen habe, die alle kümmern müssten. Ebenfalls von globalen Auswirkungen sprach Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, schien es aber etwas anders zu meinen. "Was heute in Europa passiert, kann morgen in Ost-Asien passieren", sagte er. Lässt man Russland damit durchkommen, werde wohl China schon bald etwas Ähnliches probieren. Das sprach er so explizit nicht aus, man musste aber kein Meister im Zwischen-den-Zeilen-Lesen sein, um es genau so zu verstehen. Als hätte es noch weitere Gründe für US-chinesische Gespräche gebraucht. (Fabian Sommavilla aus München, 18.2.2022)