Auf den Schildern der Demonstranten war unter anderem "Rettet Israel" zu lesen.

Foto: IMAGO/Sipa USA

In der Küstenstadt Tel Aviv sowie in Jerusalem, Haifa und Beersheva versammelten sich die Demonstrantinnen und Demonstranten am Samstagabend.

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Tel Aviv – Mehr als 100.000 Menschen sind nach Angaben der Veranstalter den siebenten Samstag in Folge gegen die umstrittene Justizreform in Israel auf die Straßen gegangen. In der Küstenstadt Tel Aviv versammelten sich die Demonstrantinnen und Demonstranten am Abend im Zentrum der Stadt und schwenkten israelische Flaggen.

Auf Schildern war unter anderem zu lesen: "Israel darf keine Diktatur werden", "Rettet Israel" oder Appelle an die internationale Gemeinschaft wie "Biden, Macron – helft uns". Mehrere Straßen waren zuvor wegen der Kundgebung gesperrt worden.

Die Proteste, die auch in Städten wie Jerusalem, Haifa und Beersheva stattfanden, richten sich gegen Pläne der rechts-religiösen Regierung, das Justizsystem im Land gezielt zu schwächen.

Regierung: Gericht übt zu viel Einfluss aus

Unter anderem soll dem Parlament ermöglicht werden, mit einer einfachen Mehrheit Entscheidungen des Höchsten Gerichts aufzuheben. Politiker sollen außerdem bei der Ernennung von Richtern mehr Einfluss erhalten. Am kommenden Montag ist die erste Lesung der umstrittenen Reform im Parlament geplant. Insgesamt sind für eine Gesetzesänderung drei Lesungen notwendig.

Kritiker sehen die Pläne als Gefahr für die demokratische Gewaltenteilung. Die rechts-religiöse Regierung argumentiert, das Gericht übe derzeit zu viel politischen Einfluss aus. Für Montag sind wie in der vergangenen Woche Streiks und eine Großdemonstration in Jerusalem geplant.

Israels Polizeichef, Kobi Shabtai, warnte unterdessen angesichts einer aufgeheizten Stimmung vor politischer Gewalt. Menschen würden Dinge schreiben, ohne die Auswirkungen zu bedenken, sagte Shabtai dem Sender Channel 12 und rief zu Dialog auf. Die aktuelle Situation sei sehr besorgniserregend.

USA fordern Überdenken der Reform

Die USA fordern von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, die umstrittenen Pläne für die Justizreform zu überdenken. Er habe dem Ministerpräsidenten gesagt, "so wie ich es meinen Kindern sage: Bremst, nehmt die Geschwindigkeit raus, versucht einen Konsens zu finden, bringt die Parteien zusammen", erklärte US-Botschafter Tom Nides in einem in der Nacht zum Sonntag veröffentlichten CNN-Podcast.

Nides warnte, die Pläne gefährdeten auch die von Netanjahu angestrebte und von den USA unterstützte Verbesserung der Beziehungen zu Saudi-Arabien.

Netanjahu vermied am Sonntag zunächst eine Bewertung der Äußerungen des Botschafters und erklärte lediglich: "Ich freue mich, unsere Feinde zu enttäuschen und auch unsere Freunde zu beruhigen – Israel war und wird eine starke und lebendige Demokratie bleiben." Der Minister für Diaspora-Angelegenheiten, Amichai Chikli, wies dagegen im Sender Kan die Vorwürfe von Nides zurück: "Ich sage dem amerikanischen Botschafter, treten Sie auf die Bremse. Kümmern Sie sich um Ihre eigenen Angelegenheiten." (APA, 19.2.2023)