Die Parteispitze sei wenig volksnah, und Frauen fühlten sich in der FPÖ als "eher lästig", sagt Schönbacher.

Foto: Alexander Danner

Nach der Wahlschlappe im Herbst 2021 wurde der millionenschwere Skandal um veruntreute Klubgelder der FPÖ Graz publik. Ex-Vizebürgermeister Mario Eustacchio und Klubchef Armin Sippel traten zurück. Die Staatsanwaltschaft ermittelt bisher gegen sechs Beschuldigte wegen des Verdachts der Untreue, des Betrugs und der Wiederbetätigung. Es gilt die Unschuldsvermutung. Claudia Schönbacher übernahm in der Krise mit anderen Hinterbänklern die Partei, wurde aber bald ausgeschlossen. Weil sie den Skandal mit den Behörden aufklären wollten, sagt sie. Sie gründete mit Kollegen den "(Korruptions-)Freien Gemeinderatsklub". Ohne Klub und Stadtsenatssitz landete die FPÖ Graz in der politischen Bedeutungslosigkeit.

STANDARD: Wie sitzt es sich als Ex-Blaue in einer von KPÖ und Grünen geführten Regierung?

Schönbacher: Vollkommen in Ordnung. Wir haben einen sehr wertschätzenden Umgang. Ich bin sehr dankbar, den Tierschutz und das BürgerInnenamt bekommen zu haben.

STANDARD: Wie haben Sie von der Selbstanzeige des früheren Klubdirektors erfahren?

Schönbacher: Durch die Medien. Es war ein Schlag ins Gesicht. Ich bin immer davon ausgegangen, die Partei arbeitet ehrenamtlich und sehr sparsam. Ich war viel unterwegs, z. B. bei Heimgartenvereinen oder runden Geburtstagen, und durfte zwei Geschenkkörbe pro Jahr verrechnen. Den Rest, mindestens zehn, musste ich selbst zahlen.

STANDARD: Die Staatsanwaltschaft ermittelt mittlerweile wegen eines Schadens von fast zwei Millionen Euro durch veruntreute Gelder. Da wären sich noch ein paar Körbe ausgegangen.

Schönbacher: Oh ja. Auch Preise, zum Beispiel für den Ball der Vielfalt, habe ich selbst gespendet. Die hab ich aus meinem Friseursalon genommen, ich war ja selbstständig. Als ich Stadträtin wurde, habe ich den Salon natürlich zugesperrt.

STANDARD: Sie leben und arbeiteten im Bezirk Gries. Hatten Sie viel Kundschaft mit Migrationshintergrund?

Schönbacher: Sehr viel. Es ist anders, wenn man Leute persönlich kennt, weil man dann auch Probleme anders ansprechen kann. Ich habe immer gesagt: Jeder, der zu uns kommt und vorhat, etwas beizutragen, ist herzlich willkommen. Wo wären wir ohne Migration? Dann könnten wir viele Arbeitsplätze nicht besetzen. Man kann nie alle über einen Kamm scheren. Wir wissen, dass in der Migration einiges schiefläuft, aber da sind wir teils selber schuld. Man muss den Leuten, die zu uns kommen, sagen, was sie beitragen müssen. Aber die Bereitschaft muss auch von den Migranten kommen. Es geht um ein Geben und Nehmen!

STANDARD: Apropos Geben und Nehmen: Die Ex-Parteispitze war da wohl kein Vorbild für Migranten.

Schönbacher: Nein. Für niemanden. Auch Ehrenamtlichen gegenüber wäre es das Mindeste gewesen, nachzuweisen, was man mit dem Geld getan hat. Wenn man das nicht tun will und sogar Unterlagen vernichtet, ergibt das ein ganz ein übles Bild. Es wurden Belege aus dem Vorjahr oder sogar unterjährig vernichtet.

STANDARD: Einige Unterlagen haben ihren Weg in die Öffentlichkeit gefunden. Bei Eustacchio kamen laut diesen Unterlagen neben Gehalt und städtischen Spesen als Stadtrat und Vizebürgermeister von 2014 bis 2021 über 500.000 Euro zusammen. Auch die Parteiabgabe hat er sich großteils zurückzahlen lassen. Hat man nie gefragt, wozu er so viel Geld braucht?

Schönbacher: Wir haben überhaupt nicht gewusst, dass er etwa rund 50.000 im Jahr an Verfügungsmitteln extra aus der Parteiförderung bekommt. Er hat es uns nicht gesagt, und es war nicht Usus zu fragen. Dabei bräuchte es dafür einen Beschluss. Als ich mein Mandat angenommen habe, habe ich seinen Büroleiter gefragt, wofür man Verfügungsmittel brauchen kann. Er sagte: Ich muss das nicht unbedingt wissen. Man muss solche Ausgaben erklären: Alle Karten auf den Tisch!

STANDARD: Landesparteichef Mario Kunasek hat Ihre Kollegen im Gemeinderat, die forderten, die Karten auf den Tisch zu legen, aus der Partei geworfen. Sie selbst wurden von Bundesparteichef Herbert Kickl entfernt, da Sie auch in der Bundesparteileitung waren. Verstehen die Aufklärung anders?

Schönbacher: Ich weiß es bis heute nicht. Nur weil wir einen Kollegen nicht mehr im Gemeinderatsklub haben wollten, dem wir nicht mehr vertrauen, kann man doch nicht die komplette Stadtpartei zerstören.

STANDARD: Warum haben Sie diesem Kollegen nicht mehr vertraut?

Schönbacher: Wir haben ihn mehrfach gefragt, welche Funktionen er hatte, weil er schon sehr lange Gemeinderat war und sehr vertraut mit den Beschuldigten war. Wir wollten wissen, was er wusste, ob es für uns als Nachfolger noch etwas zu wissen gebe. Er hat Nein gesagt. Ein halbes Jahr später haben wir herausgefunden, dass er Funktionen hatte, in denen er über die dubiosen Geldströme Bescheid wusste.

STANDARD: Der Mann hatte Mitverantwortung für Finanzen in Klub und Partei, und Sie haben das erst, ein halbes Jahr nachdem Sie die Partei übernommen hatten, erfahren? Wie ist so etwas überhaupt möglich? Werden solche Funktionen geheim vergeben?

Schönbacher: Am Anfang als Gemeinderätin haben wir einmal einen Beschluss gefasst. Daran kann ich mich erinnern. Danach nie wieder. So haben wir nach Jahren sogar vergessen oder nicht mehr daran gedacht, wer der Rechnungsprüfer ist. Wir haben den Kollegen vertraut.

STANDARD: Sie gingen mit dem Kollegen zu Landesparteichef Kunasek?

Schönbacher: Ja. Wir haben gemeinsam dem Kollegen empfohlen, sich bei der Kripo zu melden und alles, was er weiß, zu Protokoll zu geben. Das war am 13. September 2022. Er hat gesagt, er wird sich das überlegen. Er hat sich überlegt, nicht zur Kripo zu gehen. Trotzdem wollte Kunasek, dass er bleibt. Warum hält er ihm so die Stange? Und ich durfte nicht in der freiheitlichen Familie bleiben, dabei habe ich nichts getan als fleißig und ehrlich zu arbeiten.

STANDARD: Die Kripo wirft Kunasek Beweismittelunterdrückung und Falschaussage vor. Er weist das von sich und betont, dass er einen unabhängigen Wirtschaftsprüfer nach Bekanntwerden der Affäre alles prüfen ließ. Doch derselbe Mann hat jahrelang die Stadtpartei und die Vereine geprüft?

Schönbacher: Ja, genau. Der hat dann seine eigene Arbeit geprüft.

STANDARD: Glauben Sie, dass es weitere dubiose Geldflüsse gab, die die Öffentlichkeit noch nicht kennt?

Schönbacher: Davon gehe ich aus. Eustacchio war ja auch Landesfinanzreferent. Das System Mario ist nicht nur der Umgang mit Spesen. Mario Eustacchio und Mario Kunasek lassen andere für sie geradestehen. Erst wenn es nicht mehr anders geht, stellen sie sich.

STANDARD: Sie waren in der Bundesparteileitung. Wie war Ihr Verhältnis zu Kickl, bevor er Sie ausschloss?

Schönbacher: Ich hatte kein Verhältnis zu ihm. Ich habe, seit ich ihn kenne, zwei Sätze mit ihm gesprochen, irgendwann bei einem Landesparteitag. Ich hätte mir schon erwartet, dass er mich wenigstens zur Rede stellt oder den Konflikt hinterfragt. Das hat ihn nicht interessiert, oder er hat andere Gründe dafür.

STANDARD: Welche Gründe?

Schönbacher: Vielleicht weiß er ja mehr als ich. Dass er zugelassen hat, dass die komplette Stadtpartei kaputt und der Stadtratssitz für die FPÖ verloren ist, und dann nicht einmal ein Gespräch führt, bevor er die Stadträtin rausschmeißt, würde ich als sehr unüblich bezeichnen.

STANDARD: Nahm Kickl sonst Anteil an der FPÖ Steiermark?

Schönbacher: Zu Kunasek hatte er Kontakt. Zu mir nie. Wenn er nach Graz kam, war ich nie eingeladen. Eustacchio war auch nicht volksnah. Im Gries hatten wir jedes Monat Bürgerstammtisch. Wenn’s viel war, war er einmal im Jahr bei uns.

STANDARD: Gibt es keine Wertschätzung für Frauen in der FPÖ?

Schönbacher: Das würde ich so sagen. Als ich ausgeschlossen wurde, haben mich einige freiheitliche Frauen angerufen und erzählt, dass die Männer bevorzugt werden, dass sie selbst sehr viel arbeiten, aber eher als lästig empfunden werden.

STANDARD: Ihre Kollegen kämpfen vor dem parteiinternen Schiedsgericht gegen den Parteiausschluss. Warum Sie nicht?

Schönbacher: Es war den Gremien egal, wie gut ich etwas nachweisen konnte, ich bin mit dicken Mappen zu Sitzungen gegangen. Meine Mappen hat niemand geöffnet. Wenn ich 30 Personen im Landesparteivorstand habe, sind zehn gegen mich, zehn wissen nicht, was sie tun, und zehn ist es sowieso wurscht. Diese Leute folgen sogar in dieser Situation einfach blind. Sie vertreten nicht meine Werte. In so eine Partei möchte ich nicht zurück. Mein Ausschluss war wie ein Befreiungsschlag.

STANDARD: Warum sind Sie vor 15 Jahren politisch aktiv geworden?

Schönbacher: Das allererste Thema war die Umwelt. Ich wollte damals sogar bei den Grünen aktiv werden, habe aber nie eine Antwort bekommen. Dann habe ich mir Parteiprogramme näher angeschaut und festgestellt, dass das freiheitliche am besten zu mir passt, und bei den freiheitlichen Frauen begonnen. Ich habe mich aber in den letzten Wochen meiner Mitgliedschaft gefragt, wie ich weiterarbeiten kann. Weil da meiner Meinung nach viele Personen in der Führungsriege waren, die nicht die gleichen Werte haben.

STANDARD: Welche Werte meinen Sie konkret?

Schönbacher: Zusammenhalt, die Ehrlichkeit, von der wir immer gesprochen haben, auch das Soziale, das Miteinander.

STANDARD: Dass etwa Gemeinderat Heinrich Sickl den demokratiefeindlichen, rechtsextremen Identitären, deren Symbole mittlerweile verboten sind, das Vereinslokal vermietet und deren Events besucht hat, hat Sie nicht gestört?

Schönbacher: Nein. Mit Heinrich Sickl war die Zusammenarbeit immer sehr wertschätzend.

STANDARD: Was sind Ihre politischen Zukunftspläne?

Schönbacher: Ich bin dabei, eine Bürgerliste zu gründen. (Colette M. Schmidt, 20.2.2023)