VfGH-Präsident Christoph Grabenwarter und -Vizepräsidentin Verena Madner während einer öffentlichen Verhandlung des Verfassungsgerichtshofs vergangenes Jahr.

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Auf den ersten Blick lässt sich an der geplanten Stiftung des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) kaum etwas aussetzen: Das "Forum Verfassung" soll wissenschaftliche Arbeiten fördern, Veranstaltungen organisieren und einen Verfassungspreis vergeben. Kurz: die Verfassung ins öffentliche Bewusstsein holen. Bereits Ende 2022 haben ÖVP, Grüne, SPÖ und Neos unter dem Radar der Öffentlichkeit einen entsprechenden Gesetzesvorschlag eingebracht. Die Stiftung gilt als Nachfolgerin des privaten Vereins "Forum Verfassung" und soll mit 700.000 Euro jährlich dotiert werden.

Bei namhaften Institutionen wie der Finanzprokuratur, dem Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts, der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien (Juridicum) und zahlreichen anderen Fachleuten stößt der Vorschlag allerdings auf wenig Gegenliebe. In einer Stellungnahme übt das Juridicum ungewöhnlich scharfe Kritik: Man begrüße zwar die Ziele des Vorschlags, die geplante Stiftung sei jedoch "nicht der richtige Weg", diese zu erreichen. Ganz im Gegenteil: In der geplanten Form erschwere sie die kritische Forschung über den Verfassungsgerichtshof, gefährde dessen Ansehen und könne ihn in eine Abhängigkeit zur Politik bringen.

"Hofforschung"

Kritisch sieht die Fakultät vor allem, dass die Stiftung die Öffentlichkeitsarbeit des VfGH stark ausbauen soll und damit die "Wahrnehmung und Würdigung der eigenen Rechtsprechung" selbst steuern kann. Das stehe "nicht im Einklang mit der Rolle der Gerichte" – sondern sei eine Aufgabe der Rechtswissenschaft und der Öffentlichkeit. Andernfalls komme der Verfassungsgerichtshof "in die Nähe einer Regierung, die die Berichterstattung über ihre eigene Tätigkeit beeinflusst".

Hauptgrund der Kritik: Der Stiftungsvorstand soll laut dem Gesetzesentwurf aus drei Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichtern bestehen. Gewählt würden sie aus dem Gremium selbst – mit Zweidrittelmehrheit. Das Problem aus Sicht der Fakultät: Eine Zweidrittelmehrheit der Verfassungsrichter habe damit indirekt die "volle Kontrolle über die VfGH-Forschung mit mehreren hunderttausend Euro jährlich". Externe Kontrollen wissenschaftlicher Art seien nicht vorgesehen. Das Modell könne daher im Extremfall zu einer "Verfassungsgerichts-Hofforschung führen".

"Laufender Druck"

"Es kann doch nicht sein, dass die Verfassungsrichter ihre eigene Judikatur analysieren und bewerten", sagt auch der Verfassungsjurist Heinz Mayer zum STANDARD, "und sie damit die Wahrnehmung ihrer Rechtsprechung in der Öffentlichkeit beeinflussen."

Die Fakultät in Wien sieht zudem die die Finanzierung der Stiftung als problematisch an: Denn im Gegensatz zum laufenden Budget des VfGH seien die Mittel nicht verfassungsrechtlich abgesichert. Sie könnten dem Gerichtshof daher jederzeit von einer einfachen Mehrheit im Parlament entzogen werden. Das könne "laufenden Druck" erzeugen und den Anschein erwecken, der VfGH würde das Parlament, das der Stiftung die Geldmittel zuweist, nicht mehr unbefangen kontrollieren. Das Projekt berge eine "ernste Gefahr, das Vertrauen in den VfGH zu schwächen".

Aufregung "übertrieben"

Nikolaus Scherak, Verfassungssprecher der Neos, kann die Schärfe der Kritik im Gespräch mit dem STANDARD nicht nachvollziehen: "Den Vorwurf der Haus- und Hofforschung sehe ich nicht." Ein großer Teil der veranschlagten 700.000 Euro fließe in die Vergabe eines Verfassungspreises, ein weiterer großer Teil in Schulkampagnen. Die Sorge, dass es deshalb keine kritische Auseinandersetzung mehr mit der VfGH-Rechtsprechung gebe, hält Scherak für "übertrieben". Die Parteien werden diese Woche aber noch einmal über den Entwurf beraten. Dabei wolle man auch die aktuellen Stellungnahmen berücksichtigen.

Auch Christoph Bezemek, Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Graz, teilt die Kritik "in dieser Schärfe" nicht. Die Universitäten seien gut beraten, sich inhaltlich mehr von der "dominanten Beschäftigung mit der Rechtsprechung des VfGH" zu emanzipieren. Budgetär sei der Verfassungsgerichtshof, wie alle öffentlichen Institutionen, bereits jetzt von der Politik abhängig.

Der Verfassungsgerichtshof selbst teilte auf Anfrage des STANDARD mit, dass die Stellungnahme der Universität Wien auf der "Einzelmeinung einiger Professorinnen und Professoren" beruhe. "Andere sehen diese Gefahr nicht." Der klare Schwerpunkt der Tätigkeit liege in der Vermittlung von Wissen über die Verfassung und die Verfassungsgerichtsbarkeit.

Verfassungsrechtliche Bedenken

Das Juridicum und der Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt hegen in ihren Stellungnahmen auch verfassungsrechtliche Bedenken. Der Spielraum, den Verfassungsrichter in ihrer Amtsausübung haben, ist nämlich begrenzt. Fraglich sei deshalb, ob sie überhaupt Tätigkeiten im Bereich der Forschung und Forschungsförderung übernehmen dürften. Aufheben könnte das Gesetz – sollte es tatsächlich verfassungswidrig sein – aber nur einer: der Verfassungsgerichtshof selbst. (Katharina Mittelstaedt, Jakob Pflügl, 20.2.2022)