Aktion am Praterstern am Montagmorgen.

Foto: Colette Schmid

Mit gefährlichen Situationen für die Aktivistinnen und Aktivisten auf der Praterbrücke sind die Klimaproteste in Wien in die zweite Woche gegangen: Am Montag um 8 Uhr blockierten die Mitglieder der Letzten Generation beim Praterstern in der Leopoldstadt den Verkehr. Sie klebten dabei wie gewohnt ihre Hände auf die Straße. Die Polizei sperrte die Fußgänger- und Radwege ab, während der Autoverkehr nach Minuten wieder fließen konnte. Nach rund 40 Minuten war die Versammlung aufgelöst.

Die IG Architektur unterstützte die Aktion am Praterstern.
Foto: Colette Schmid

Anders entwickelte sich die Situation auf der Praterbrücke, wo eine knappe Stunde später vier Mitglieder der Letzten Generation, zwei Männer und zwei Frauen im Alter von 21, 24, 25 und 62, auf der Südosttangente (A23) auf einen Überkopfwegweiser kletterten und ein Banner entrollten. Der Verkehr konnte hier fließen. "Es ist sehr gefährlich", erzählte die Aktivistin Mirjam dem STANDARD eineinhalb Stunden später am Telefon. "Der Verkehr donnert weiter, die Brücke wackelt." Von vier Mitgliedern waren zu Mittag bereits zwei von der Polizei abgelöst worden.

Eiternde Hand

Ein Mann soll dabei laut Letzter Generation so brutal entfernt worden sein, dass seine Hand verletzt wurde. "Seine Hand blutet und eitert jetzt auch schon", sagte Mirjam Griebler, "aber wir haben hier keine ärztliche Versorgung, die Polizei ist mittlerweile gegangen. Autos gehen vor Menschen."

Ein Bild der LPD Wien der betroffenen Hand nach Reinigung.
Foto: LPD Wien

Die Wiener Polizei kommentierte den Vorfall auf Nachfrage so: Nachdem die festgeklebten Personen, "der Aufforderung freiwillig die Örtlichkeit zu verlassen" nicht nachkamen wurde die erste Person "schließlich von Beamten der WEGA mittels Lösungsmittel unter möglichster Schonung abgelöst. Anzumerken ist, dass es sich beim Untergrund um blankes Metall handelte. Nach der Ablösung wurden an einer Handinnenfläche Abschürfungen festgestellt. Die Versorgung durch Sanitäter der Polizei oder des Rettungsdienstes wurde von der Person abgelehnt. Sämtliche polizeilichen Maßnahmen wurden entsprechend dokumentiert" . Dazu schickte die Landespolzeidirektion Wien ein Foto der Hand nach der Reinigung.

Sechs Stunden war der 62-jährige Aktivist Wilfried Engel festgeklebt. Seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter konnten ihn auch nicht loslösen.

Wilfried Engel klebte als Letzter und länger als geplant fest. Auch seine Mitstreiterinnen konnten ihn nicht lösen.
Foto: Letzte Generation

Weniger dramatisch ging es am Praterstern zu. Die IG Architektur, die zuvor in diversen sozialen Medien dazu aufgerufen hatte, sich diesem Protest unter dem Titel ihrer Petition "Wo ist der Klimaplan der Regierung?" anzuschließen, war ebenfalls anwesend. Der Verein ist eine österreichweite Interessengemeinschaft von Architekturschaffenden, er zählt laut eigenen Angaben über 300 Mitglieder.

Mit einigen von ihnen traf sich der STANDARD schon um 7.20 Uhr bei der U-Bahn-Station U4 am Schwedenplatz. Man konnte annehmen, die Menschengruppe, die sich auf dem Bahnsteig versammelt hatte, sei im Begriff, zu einer Architekturexkursion aufzubrechen. Einige namhafte Büros waren vertreten. Doch man wartete auf den "Guide", ein Mitglied der Letzten Generation, das zu einem der drei Orte, an denen am Montag Kundgebungen stattfanden, führte. Es ging mit der U1 weiter auf den Praterstern. Man solle sich vorerst unauffällig verteilen und etwaige Transparente derweil nicht sichtbar mittragen.

Renommierte Architekturbüros

"Auch wir wissen selbst bis zuletzt nicht, wo sich Leute ankleben werden", erzählt später ein älterer Aktivist der Letzten Generation dem STANDARD. Man verwende für kleinere Bezugsgruppen Obstsorten als Codenamen – "Ich bin heute mit der Gruppe Ringlotte da, es gibt auch Maulbeeren und Kirschen" – und warte auf die "Bienenkönigin", mit der man dann mitgehe. "Die IG-Architektur unterstützt generell soziales und zivilgesellschaftliches Engagement", erzählt Fabian Waldmüller aus dem Vorstand der IG Architektur. Er hat mit Wolfgang Feyferlik und Petra Kickenweitz auch die Petition initiiert, die von der IG Architektur unterstützt wird. "Wir haben schon 500 Unterzeichnende", freut sich Wallmüller.

Unter den Erstunterzeichnenden sind neben dem Präsidenten der Bundeskammer der ZiviltechnikerInnen, Daniel Fügenschuh, auch namhafte österreichische Architektinnen und Architekten wie Hemma Fasch, Jakob Dunkl, Klaus Kada, Volker Giencke, Martha Schreieck, Anna Popelka, Bernd Vlay, Gabu Heindl, Susanner Fritzer, Ulriker Schartner und Johannes Zeininger.

Einige von ihnen packten um Punkt acht Uhr ihre Schilder und Transparente aus den Taschen und stellten sich schützend hinter Aktivistinnen, die sich am Praterstern und auf der Praterstraße auf die Fahrbahn klebten. Bis sie von den sofort in mehreren Mannschaftswagen eingetroffenen Polizeibeamten und Beamtinnen entfernt wurden.

Radweg von Polizei blockiert

Die Fahrbahnen sind dabei wenige Minuten blockiert, vereinzelt wird gehupt. Manche Passanten loben die Aktion auch. Auf der Praterstraße klebt eine Frau, die Aktivistin Barbara Schmidt, rund 40 Minuten fest, bis die Polizei ihre Hand lösen kann. Doch auf der zweiten Fahrbahn neben ihr fließt der Pkw-Verkehr ungehindert weiter. Das Skurrile dabei: Die Polizei sperrt währenddessen den Radweg und den Zebrastreifen für Fußgängerinnen und Radfahrer. Diese werden länger behindert als Autos – allerdings von der Polizei.

Bei der Frage eines Passanten, ob man auch bei Grün nicht mehr die Straße queren könne, heißt es von einem Beamten: "Grün gibt's jetzt ned!"

Die Aktion am Praterstern war nach einer knappen Stunde vorbei, der Pkw-Verkehr wurde nur wenige Minuten gestoppt.
DER STANDARD

"Ich hab vier Kinder und hätte gerne, dass auch für sie die Zukunft noch was zu bieten hat", sagt Alexander Hagner vom Architekturbüro Gaupenraub. Er sei nur bei Protestkundgebungen dabei, wenn ihm etwas "gehörig gegen den Strich" gehe: "Wenn ich das Gefühl habe, dass alles andere nicht hilft, dann ist das für mich ein Mittel, wo man versuchen kann mitzuwirken. Sonst machen wir lieber als Büro Projekte gegen Missstände, zum Beispiel für Obdachlose." Irgendwie hänge das aber "eh alles ein bisschen zusammen, denn es werden global immer mehr Menschen obdachlos wegen er Klimakrise". Zudem forciere man Architektur im Bereich zirkuläres Bauen, also Recycling statt Neubauten.

Hagner wisse auch aus seiner Tätigkeit als Professor für soziales Bauen in Klagenfurt, dass das Thema Klimakrise für die jungen Studierenden immer drängender werde.

Schon bei früheren Aktionen hatten sich immer wieder Wissenschafterinnen und Wissenschafter dem Protest angeschlossen. Die Letzte Generation fordert von der Regierung ein Ende aller fossilen Projekte sowie eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 100 km/h auf Österreichs Autobahnen.

Schlag in den Unterbauch

Auch am Döblinger Gürtel fand eine Aktion statt. Laut der Gruppe kam es bei dieser Blockadeaktion zu einem Übergriff auf einen Aktivisten, der einen Fahrstreifen blockiert hatte. Der Umweltschützer sei von einem Verkehrsteilnehmer weggezerrt und in den Unterbauch geschlagen worden. Die Landespolizeidirektion Wien bestätigte am Nachmittag auf Anfrage der Austria Presse Agentur, dass der Mann angezeigt wurde. Von dem Vorfall wurde auch ein Video auf Twitter gestellt.

Gegen die von der niederösterreichischen Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) im Wahlkampf geforderten härteren Strafen für die Teilnahme an den Protestaktionen sprach sich Justizministerin Alma Zadić vor wenigen Tagen in einem "Krone"-Interview aus.

Im Innenministerium hieß es auf STANDARD-Nachfrage, dass man Anfang Jänner 2022 eine Arbeitsgruppe eingerichtet habe. "Diese beurteilt die bisherigen Herausforderungen im Zusammenhang mit Versammlungen von sogenannten Klimaklebern sowohl in operativer als auch in legistischer Hinsicht. Die Arbeitsgruppe hat ihre Arbeit noch nicht abgeschlossen", so ein Sprecher des Ministeriums. (Colette M. Schmidt, APA, 20.2.2023)