Jedes Jahr landen in Österreichs Haushalten Lebensmittel im Wert von 400 Euro im Müll.
Foto: Julia Rotter

Ein paar Salatblätter am Rand bräunlich und ohnehin zu wenig für eine ganze Portion? Ab in den Müll. Der Becher griechisches Joghurt, den man im Kühlschrank ganz nach hinten geschoben und vergessen hat und dessen Mindesthaltbarkeitsdatum seit einer Woche abgelaufen ist? Weg damit. Willkommen im Abschiedsland, Einwohner: der halbe Bund Koriander, der zwischen dem welken Grün schon etwas fault.

All diese Lebensmittel wären noch genießbar gewesen. Man hätte sie in Aufstrichen und Gemüsepfannen verarbeiten oder als Ferment ansetzen können. Aber der erste Reflex bei vielen ist, Reste und Nahrungsmittel mit Makel zu entsorgen. Was soll ich auch mit einem trockenen Sechzehntel Wecken Schwarzbrot schon machen? Dass in Österreich verschwenderisch mit Nahrungsmitteln umgegangen wird, zeigt eine Studie des Rechnungshofs von 2021: Jedes Jahr landen demnach rund 800.000 Tonnen an noch genießbaren Lebensmitteln im Müll, allein über 200.000 Tonnen davon tragen die österreichischen Haushalte bei. Anders ausgedrückt: Jede und jeder schmeißt pro Jahr 400 Euro weg.

In Zeiten von rasant steigenden Lebenshaltungskosten eine gewaltige Menge. Für viele bedeutet die Krise, sich wieder stärker bewusstzumachen, was alles vom Lebensmittel verwendet werden kann – und dass man Essen nicht einfach wegwirft, sobald das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist. So haben sich diverse Vereine und Apps dem Zweck verschrieben, noch genießbare Lebensmittel weiterzugeben, an Bedürftige zu spenden oder Wissen zu vermitteln, wie man Überreste verwerten kann (siehe Kasten unten).

Lieber öfter einkaufen

Die enorme Lebensmittelverschwendung wäre zum Teil vermeidbar, wenn man smarter einkaufte. "Statt einem Wocheneinkauf lieber öfters einkaufen gehen", rät Paul Ivić vom Sternelokal Tian in Wien. Dadurch kaufe man nicht nur gezielter, sondern auch weniger an Unnötigem ein. Ivićs Küche versucht zum Beispiel vom Grün einer Karotte bis zur Schale, also alles, was das Produkt hergibt, zu verarbeiten. Aus diesem Gedanken heraus schrieb er das Kochbuch Restlos glücklich. Darin zeigt er Rezepte zur optimalen Resteverwertung für zu Hause.

Ivić in seiner Showküche im Tian. Bis zur letzten Zwiebelschale wird in seinem Restaurant alles verwertet.
Foto: Julia Rotter

Inspiriert wurde er von seinen Großeltern und Eltern. "Für die war es selbstverständlich, dass man nix verschwendet. Wenn du in einer ärmeren Gegend aufwächst, haben Lebensmittel einen höheren Wert." Aber auch Ivić musste sich erst gezielt mit der Resteverwertung auseinandersetzen. Als Koch arbeite man immer mit einer vollen Vorratskammer, sagt er, da habe er lange nicht über Reste nachgedacht. Heute verkocht er das Grün des Karfiols zu einer Art Spinat, aus übrig gebliebenem Eiklar schafft Ivić eine Mayonnaise. Viele bekannte Gerichte sind eigentlich Restlessen: "Denk nur an die verschiedenen Knödel, ans Gröstl – das sind alles Restln." Sein absoluter Restefavorit ist aber die Brotsuppe, die er als Jugendlicher verschmähte.

Suppe und Aufstrich

Ein Klassiker unter den Überbleibseln ist Brot. Bei unserem Besuch in der Showküche des Tian schnippelt der Sternekoch altes Brot in kleine Würfel. Diese brät er mit etwas Butter in einem Topf an und gießt sie mit einem halben Liter Gemüsebrühe auf. Während das Brot in der Suppe zieht, schwitzt er kleingeschnittene Karotten und Zwiebelwürfel in einem Topf mit etwas Butter an. Nun bringt der Sternekoch das Brot zum Köcheln, püriert es mit einem Stabmixer und gießt die Suppe durch ein Sieb in den Gemüsetopf. Mit einem Schlenker aus der Pfeffermühle und etwas Salz schmeckt Ivić die Suppe ab und serviert sie mit Petersilie und Resten von Karotte.

Die übrig gebliebenen Schalen der ausgelösten Schalotte verwendet Ivić in einem Fond. Sie sorgen für die schöne, bräunliche Farbe des Suds. Verwendet man sie nicht gleich, kann man sie auch trocknen lassen und später verwerten.
Foto: Julia Rotter
Die Brotwürfel werden mit etwas Butter gebraten und anschließend mit Gemüsebrühe aufgegossen.
Foto: Julia Rotter
Bei dieser Suppe denkt niemand mehr an Resteverwertung.
Foto: Julia Rotter

Die im Sieb zurückgebliebenen Brotreste verwendet Ivić gleich weiter – der Kreislauf der Restlverwertung. Er hebt sie unter griechisches Joghurt, vermengt dieses mit in Butter angeschwitzten, kleingehackten Petersilie- und Korianderüberbleibseln. Für den Eiaufstrich auf Ivić-Art gibt er gehackte Schalotte, Karotte und Stangensellerie in eine Pfanne mit etwas Butter. Während diese anbrutzeln, mixt der Koch eine Mayonnaise und schneidet ein gekochtes Ei hinein. Alles vermengt, wird der Aufstrich aufs Brot gelöffelt.

Für die Brote mit Aufstrich, das Brot mit Butter anbraten, ebenso das Grün.
Foto: Julia Rotter
Mayonnaise aus Ei und Öl mixen.
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Die fertigen Aufstriche auf die Brote löffeln.
Foto: Julia Rotter

Restlkönig

Den traurig aussehenden Koriander und die welke Petersilie schlägt Ivić nach dem Kochen in nasse Küchenrolle ein und umwickelt sie mit Alufolie. Bis zu drei Wochen sollen Kräuter dann halten. Also die ganz frischen. Den angegammelten gibt er noch ein paar Tage. Richtiges Lagern beugt eben auch Verschwendung vor. Altes Brot schneidet Ivić in Würfel, so ist es später leichter verwertbar. Aber selbst der Profi macht Fehler. In seiner Wohnung faulten Ivić die Zwiebeln immer wieder weg, weil sie es bei einer Zimmertemperatur von 20 Grad einfach zu warm hatten. Kühl, dunkel und trocken halten die Knollen eigentlich mehrere Monate.

Gemeinsam mit Sternekoch Paul Ivić haben wir Reste verarbeitet.
Foto: Julia Rotter

Paul Ivić ist die Restlverwertung ins Blut übergegangen. Er weiß, wie er vom Blatt bis zum Strunk wirklich alles verwerten kann. Bei einem zu Hause fehlt dieses Know-how und Bewusstsein oft noch. Dabei kann man mit simplen Tricks aus letscherten Kräutern und steinhartem Brot ein einfaches und köstliches Essen zubereiten. Und damit gleichzeitig Lebensmittelverschwendung reduzieren. (RONDO, Kevin Recher, 24.2.2023)