Platz ist in der kleinsten Hütte, in dieser sogar für eine ganze Batterie orientalischer Mezze und Sandwiches.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Jetzt dauert es nur noch ein paar Monate, bis die Gäste vom Arabischen Golf sich wieder ins Alpenländische verfügen, um den zusehends unlebbaren Folgen des Klimawandels in ihrer Heimat zu entfliehen. Zell am See und Gastein freuen sich schon, wieder ein bissl Abwechslung in den grellbunten Funktionskleidungslook der übrigen Touristen und Einheimischen zu bekommen. Aber auch in der Wiener Innenstadt werden die Vollverschleierten mit ihren Petrodollar-Trägern im Gefolge wieder Akzente setzen.

Was angesichts solch wohletablierter Tradition aber verwundert, ist das vergleichsweise armselige Angebot entsprechender Restaurants. Für Gäste mit so gut gefüllten Taschen müsste sich doch eine richtige Szene an libanesischen und marokkanischen, türkischen und syrischen, irakischen und jemenitischen Etablissements ausgehen, die, wenn schon nicht der einheimisch hauptstädtischen, so doch der touristischen und an hiesigen internationalen Organisationen von Opec bis Ofid, von Unido bis König-Abdullah-Zentrum (autsch, doch nicht mehr) tätigen Kundschaft zu Diensten stehen.

Levantinische Lebensfreude

Schaut aber ziemlich mau aus. Das neue Nil macht seine Sache sehr gut, für einen Tempel überbordender levantinischer Lebensfreude ist die Ausrichtung aber ein bissl zu studentisch. Das Elissar in der Johannesgasse müht sich nach Kräften, eine gültige Version gutbürgerlich libanesischer Restaurantwirklichkeit zu vermitteln, Ali’s Grill in der Operngasse versucht, nach deutlich ambitionierterem Start, zumindest eine Ahnung der Herrlichkeiten türkischer Esskultur an die schütter besetzten Tische zu bringen. Damit sind wir auch schon am Ende der Fahnenstange. Und das in einer Stadt wie Wien, die sich dem Golf-Geld seit Jahrzehnten nach Kräften andient!

Zum Glück gibt es kleine, versteckte Hütten wie das Jasmin al Sham, ganz am Döblinger Ende des Gürtels, wo der Alkohol verboten, das Essen aber großartig ist. Oder das Shako Maako, abseits der Rotenturmstraße, wo die Mezze richtig gut sind, wegen der Winzigkeit des Lokals aber nur in begrenzter Auswahl vorhanden.

Nowar Alwazan und seine Frau Oussama El Minawi aus dem Libanon haben das Standl seit vergangenem Herbst, vorwiegend werden Take-away-Gäste mit schnellem Mittagessen oder einer ebensolchen Unterlage für die Fährnisse des nahen Bermudadreiecks versorgt. Es lohnt aber sehr, sich an einen der winzigen Tische zu klemmen und auffahren zu lassen, was da ist.

Tiegel hier, Tiegel da

Wer einen Tisch ergattert, kann auffahren lassen, was die Küche hergibt.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Die Falafel etwa sind Weltklasse, wolkengleiche, federleichte Knusperkissen mit köstlich saftiger Fülle. Melanzanikaviar (Baba Ghanoush) ist zart rauchig, frisch, cremig, extrem gut. Muhammara, die Paste aus gegrillter Paprika und Nüssen, wird mit Cashews statt Walnüssen gemacht, weil offenbar Allergiker unter den Gästen sind – funktioniert tadellos. Kibbeh, die torpedoförmigen Fleischbällchen, überzeugen mit sattem Zimtduft und einer Kruste so fein, dass sie splittert wie Glas. Fattoush, der grandiose Salat aus Paradeisern, Minze, Gurken und Granatapfelkernen, wird comme il faut mit knusprig frittierten Stücken vom Fladenbrot aufgetragen, herrliche Kombination der Konsistenzen.

So geht es dahin – wenn es irgendwann konsistenter werden soll, sind die ins Lavash gewickelten Schnipsel vom Shawarma (Rind, selbst geschichtet) oder die Hendlspieße vom Plattengrill die Wahl: Die Sandwichrolle wird, wie es sich gehört, vor dem finalen Knusperdurchgang am Grill, kurz ins Bratlfett des Spießes getunkt und dann an die Gasflamme des Grills gehalten. Für die Feuernote! Selbstgemachte Pommes und die Würzpower der Chili-Mango-Salsa Amba dazu, und man ist mit der Welt versöhnt. Bier und Saft holt man sich selbst aus dem Kühlschrank, den Kardamom-Kaffee bekommt man formvollendet serviert. (RONDO, Severin Corti, 24.2.2023)

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