Kundgebung für die im Iran gewaltsam zu Tode gekommene Mahsa Amini am Rande eines Fußballmatches in Mödling. Viele Exiliranerinnen und Exiliraner protestieren auch in Österreich gegen das Mullah-Regime.

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Die menschenrechtliche Lage im Iran ist katastrophal, nach dem gewaltsamen Tod von Mahsa Amini im vergangenen September sind Massenverhaftungen und zuletzt auch Todesurteile an der Tagesordnung. Die österreichischen Asylbehörden und die Fremdenpolizei scheint diese zunehmende Repression aber nicht zu beeindrucken. Im Gegenteil: Seit Anfang Februar wurde laut Standard- Informationen dreimal versucht, iranische Staatsbürger unter Zwang nach Teheran zurückzubefördern.

Die Hintergründe dieser neuen "Aktion scharf" sind unklar, zumal es davor jahrelang keine unfreiwilligen Rückführungen aus Österreich in den Iran gegeben hat. Das hat damit zu tun, dass die islamische Republik keine Rückreisezertifikate ausstellt. Bei Abschiebungen kooperiere das Land "mit Hinweis auf die iranische Verfassung generell nicht", ist aus dem Innenministerium in Wien zu erfahren.

Rechtzeitig interveniert

Sämtliche drei Abschiebeversuche schlugen fehl. Anwälte oder Rechtsvertreterinnen schafften es in zwei der drei Fälle, ihre Klienten rechtzeitig aus der Schubhaft herauszubekommen; die Flugtickets nach Teheran lagen aber schon bereit. Im dritten Fall wurde der betroffene Mann erst im Abschiebebereich in Wien-Schwechat wieder freigelassen. Er hatte angekündigt, nicht in den Flieger einzusteigen. Im Iran drohe ihm der Tod.

Besagter 40-jähriger Shahin K.* lebt seit fünf Jahren in Österreich, in einem kleinen Ort im Waldviertel. Wie bei allen von den neuen Abschiebeversuchen betroffenen Iranern wurde auch sein Asylantrag rechtskräftig abgelehnt – und zwar bei allen mit dem gleichen Hauptargument: Ihr Übertritt vom Islam zum Christentum sei keine ernsthafte Konversion.

Festnahme statt Antrag

K. fasste den Plan, einen Antrag auf humanitäres Bleiberecht zu stellen. Am 2. Februar wurde er dazu ins Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) bestellt. In der Einladung war von einer Einvernahme die Rede – doch die Fremdenpolizei wartete schon.

K. wurde in Schubhaft und zwei Tage später zum Flughafen transportiert. Nach seiner Weigerung, sich ins Flugzeug zu setzen – und davor ein rätselhaftes Dokument zu unterschreiben –, wurde er aus dem Polizeiauto heraus auf freien Fuß gesetzt.

Panikattacken seit Schubhaft

Aus ihrer Wohnung im 21. Wiener Gemeindebezirk heraus wiederum wurde diesen Montag ein junges iranisches Paar – Herr H.* und Frau K.* – in Gewahrsam genommen, das seit 2015 in Österreich lebt. Morgens um acht Uhr klopften vier Polizisten an die Eingangstür. Es läge ein BFA-Festnahmeauftrag gegen sie vor, ihre Abschiebung nach Teheran sei bereits für den Mittwoch geplant.

Laut H. wurden er und seine Lebensgefährtin mit Blaulicht ins Polizeianhaltezentrum (PAZ) an der Rossauer Lände gefahren. Dort kamen sie in Einzelzellen, wo Frau N.* schwere Panikattacken erlitt. Diese suchen sie seither immer wieder heim, seit Mittwoch sei sie in ärztlicher Behandlung, schildert ihr Lebensgefährte. Auch er selbst sei noch geschockt: "Es war der schlimmste Tag meines Lebens", sagt er.

Auch der Linzer Anwalt des Paares, Sebastian Siudak, beschreibt den Montag als dramatisch. Er habe das BFA und das PAZ in mehreren Mails aufgefordert, seinen Klienten die Möglichkeit für einen neuerlichen Asylantrag zu eröffnen: Frau N. pflege einen westlichen Lebensstil und wäre im Iran besonders gefährdet. "Ich war schon drauf und dran, nach Wien zu fahren, da kam die Nachricht, dass die beiden aus der Schubhaft entlassen wurden". Aus dem Innenministerium heißt es dazu, die Abschiebevoraussetzungen seien genau geprüft worden.

"Nacht-und-Nebel-Aktionen"

Ähnlich verlief der Abschiebeversuch im Fall eines jungen Mannes am 7. Februar in Wien. Die Polizei kam in seine Wohnung und nahm ihn fest, um ihn zeitnah nach Teheran auszufliegen. Rechtsberaterinnen einer NGO überlegten, beim Europäischen Gerichtshof für Menschen einen Antrag auf "interim measure" – sofortigen Abschiebestopp – zu stellen. Am nächsten Morgen wurde der junge Mann wieder freigelassen.

Was bezwecken die Asylbehörden und die Polizei mit diesem Vorgehen? Sollen die Abschiebeversuche so lange fortgesetzt werden, bis sie einmal glücken? Bei der NGO Asylkoordination spricht Lukas Gahleitner von "Nacht-und-Nebel-Aktionen", die unter den im Iran herrschenden politischem Umständen "völlig inakzeptabel" seien. (Irene Brickner, Elisa Tomaselli, 23.2.2023)