Es gibt wieder Masernfälle, diesmal in und um Graz. Viele unterschätzen, wie schwer diese Viruserkrankung verlaufen kann – Langzeitfolgen inklusive.

Die Masern sind wieder einmal ausgebrochen. Aus Graz und einem weiteren steirischen Bezirk waren bis Montagfrüh mehr als 20 Fälle gemeldet worden, 17 davon waren bestätigt. Sechs betroffene Kinder werden auf der Grazer Kinderklinik stationär behandelt, sie sind zwischen einem und elf Jahren alt. Sie alle hätten schon geimpft sein können, die Masern-Mumps-Röteln-Impfung wird im zehnten Lebensmonat empfohlen und ist kostenlos.

Mehrere der stationär aufgenommenen Kinder seien "doch eher schwerer" betroffen, berichtet Ernst Eber, Vorstand der Grazer Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde. Das heißt, sie benötigen zusätzliche Sauerstoffzufuhr, weil die Lunge beteiligt ist. Zusätzlich wurden seit dem Wochenende etwa 15 Babys, die noch nicht geimpft werden können, einer Therapie mit Immunglobulinen in Infusionsform unterzogen. Dabei werden ihnen fertige Antikörper verabreicht, die den Ausbruch der Erkrankung verhindern oder zumindest abschwächen können. "Masern sind höchst ansteckend. Damit sollen gerade Kleinkinder unter neun Monaten, die noch nicht geimpft werden können, aber mit infizierten Personen in Kontakt gekommen sind, geschützt werden", erklärt Eber. Die Kinder müssen dafür durchschnittlich einen Tag stationär aufgenommen werden.

Und immer noch ist vielen Eltern nicht bewusst, wie gefährlich Masern für ihren Nachwuchs sein können – und natürlich auch für Erwachsene. Letztere sind aber im Normalfall immun, weil sie entweder geimpft sind oder als Kind selbst die Masern hatten. Der Erreger ist nämlich so ansteckend, dass man sich üblicherweise bei Kontakt mit einer erkrankten Person selbst infiziert, deshalb hatten vor dem großflächigen Impfprogramm die allermeisten die Krankheit schon im Kindesalter.

Gelöschtes Immunsystem

Tatsächlich ist es – entgegen manchen Behauptungen, dass durchgemachte "Kinderkrankheiten" das Immunsystem stärken – keine gute Idee, jemanden dem Risiko der Erkrankung auszusetzen. Denn Masern können schwere Nebenwirkungen haben, etwa eine Masernenzephalitis. Dabei entzündet sich das Gehirn, es kann zu Bewusstseinsstörungen oder auch Krampfanfällen und sogar einseitigen Lähmungen kommen. Die Wahrscheinlichkeit so einer Komplikation liegt zwischen 1:500 und 1:2.000.

Und es kann schwerwiegende Langzeitfolgen geben. "Masern werden immer noch sehr verharmlost. Doch eine Erkrankung löscht das bis dahin erworbene Immunsystem des Körpers regelrecht, es dauert bis zu drei Jahre, bis es sich wieder aufgebaut hat", erklärt Monika Resch, Kinderärztin und Leiterin der Neugeborenenstation an der Privatklinik Goldenes Kreuz in Wien. Denn die Erkrankung reduziert die Gedächtniszellen, also jene Zellen, die gegen ein Antigen sensibilisiert sind und bei erneutem Kontakt für eine schnelle Abwehrreaktion sorgen.

Das heißt, auf die Masern folgt eine lange Zeit mit hohem Risiko für schwerwiegende Infektionskrankheiten bis hin zur Lungenentzündung, mit schweren Verläufen und langen Fehlzeiten in Kindergarten oder Schule. Bis zu zehn Jahre nach der Erkrankung besteht außerdem die Gefahr einer subakut sklerosierenden Panenzephalopathie (SSPE). Das ist eine entzündliche neurodegenerative Erkrankung des Gehirns mit fortschreitender Symptomatik, die durch eine Slow-Virus-Infektion hervorgerufen wird. Sie kann nicht therapiert werden und verläuft immer tödlich. Davon ist immerhin eine Person von 100.000, die an Masern erkranken, betroffen.

Ungeimpfte "Trittbrettfahrer"

Durch flächendeckende Impfungen sind die Masern mittlerweile so selten geworden, dass viele Eltern das Risiko unterschätzen. Dabei verläuft im Schnitt eine von zehn akuten Infektionen mit Komplikationen. Ein Kind von tausend verstirbt sogar daran. Die Weltgesundheitsorganisation hat sich zum Ziel gesetzt, die Masern auszurotten. Um die dafür nötige Herdenimmunität zu erreichen, wäre eine Durchimpfungsrate mit zwei Immunisierungen von 95 Prozent nötig. Jene, die aus gesundheitlichen Gründen nicht geimpft werden können, wären dann automatisch mitgeschützt.

In Österreich sinkt der Durchimpfungsgrad aber permanent, wie eine Evaluierung der Masernimpfung durch das Gesundheitsministerium zeigt. Die Durchimpfungsrate der Zweijährigen im Jahr 2021 lag bei 84 Prozent für die erste Teilimpfung und bei 74 Prozent für die zweite Teilimpfung. Bei den Zwei- bis Fünfjährigen liegt die vollständige Immunisierung mit zwei Impfungen bei 88 Prozent, Tendenz sinkend.

Das führt dazu, dass jedes Jahr wieder Masernfälle auftreten – zuletzt setzte dieser Trend nur aufgrund der Pandemiemaßnahmen aus. Die Annahme einiger Eltern, dass die Masernimpfung ja nicht mehr nötig sei, stimme also nur, solange das Umfeld gut geimpft ist, betont Resch. "Nur dann gibt es eine Herdenimmunität, die auch die Ungeimpften schützt. Die Annahme, dass die Impfung nicht nötig sei, ist der Gesellschaft nicht dienlich und wird irgendwann nach hinten losgehen. Die Fälle werden dann wieder steigen, und wir müssen bei der breiten Immunisierung von vorne beginnen."

Unkompliziertes Impfschema

Die Masernimpfung wird üblicherweise in Kombination mit Mumps und Röteln (MMR) verabreicht und ist im Mutter-Kind-Pass ab dem zehnten Lebensmonat kostenfrei enthalten. Es handelt sich dabei um einen Lebendimpfstoff mit abgeschwächten Viren, der für eine vollständige Immunisierung zweimal gegeben werden muss. Eine spätere Auffrischung ist nicht nötig. Weil es sich um eine Lebendimpfung handelt, muss man dafür völlig gesund sein, in den vier Wochen danach sollte nichts anderes geimpft werden.

Auch bei dieser Immunisierung geht die Angst vor Impfschäden um, doch die ist nicht angebracht, wie der Infektiologe Herwig Kollaritsch, Mitglied des Nationalen Impfgremiums, im Ö1-"Morgenjournal" betont: "Wir haben diese Impfung seit über 50 Jahren. Mit dieser enormen Erfahrung können wir sehr gut sagen, dass es keine echten Impfschäden gibt." Unangenehme Nebenwirkungen wie sogenannte Impfmasern können auftreten, sind aber harmlos.

Wurde man als Kind nicht geimpft und hatte auch keine Masern, kann man diese Impfung im Erwachsenenalter nachholen. Schwangere und Immunsupprimierte dürfen aber Lebendimpfungen nicht erhalten. Daher sind sie und vor allem immunsupprimierte Kinder auf den Herdenschutz angewiesen. (Pia Kruckenhauser, 21.2.2023)