Vor dem Warschauer Königsschloss laufen die Vorbereitungen für die Rede von Joe Biden.

Foto: AP/Czarek Sokolowski

Zum zweiten Mal schon kommt US-Präsident Joe Biden in Polens Hauptstadt Warschau. Die Erwartungen sind hoch. Wie schon im März 2022 wird Biden auch am Dienstag vor dem Königsschloss sprechen – diesmal jedoch nicht im Innenhof des 1944 von den Nazis gesprengten und von den Polen nach dem Zweiten Weltkrieg wiederaufgebauten Schlosses, sondern in oder auch über den Kubicki-Arkaden auf der dem Fluss zugeneigten Schlossseite.

Von hier aus blickt man gen Osten, über den großen Garten und die Weichsel bis nach Praga, dem östlichen Stadtteil Warschaus. Die meisten Polen gehen davon aus, dass Biden – mit Blick nach Osten – den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine verdammen und den Politikern und insbesondere Zivilgesellschaften derjenigen Staaten danken wird, die die Ukrainer in ihrem Kampf um Freiheit, Demokratie und Frieden unterstützen.

Treffen mit den Bukarest Neun

Am Mittwoch nimmt Biden dann am außerordentlichen Gipfel der Nato-Ostflanken-Staaten in Warschau teil, die sich 2015 als "Bukarest Neun" (B9) zusammengeschlossen haben. Mitglieder sind neben Polen und Rumänien auch Bulgarien, Tschechien, die Slowakei, Ungarn und die drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen. Anlass für den Zusammenschluss waren der russische Überfall 2014 auf die Krim und die Ostukraine sowie die völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch Russland.

Erklärtes Hauptziel der B9-Staaten ist die sicherheitspolitische Zusammenarbeit, insbesondere gegenüber Russland, das seit einigen Jahren die Souveränität ehemaliger Sowjet- oder Ostblockstaaten infrage stellt.

Weitere Besuche möglich

Die B9-Gruppe will auf ihre spezielle Gefahrenlage innerhalb der Nato aufmerksam machen. Bereits 2021 hatte Biden an einem Gipfel der B9-Gruppe teilgenommen. Auch dieses Mal will er sich mit allen Premiers und Präsidenten der neun Nato-Ostflanken-Staaten intensiv austauschen. Denkbar ist auch ein Besuch Bidens auf der US-Militärbasis bei Rzeszow in Südostpolen und der weltweit größten Waffen-Drehscheibe für die Ukraine ganz in der Nähe. Doch auch dies bleibt zurzeit noch Spekulation.

Die Themen, die Biden in Warschau ansprechen will, stehen kurz vor dem Jahrestag des militärischen Überfalls Russlands auf die Ukraine am 24. Februar ganz im Zeichen einer weiteren möglichst effektiven Unterstützung der Ukraine.

Biden wird Polen für seine große Hilfe danken, insbesondere gegenüber den Millionen Geflüchteten, die zum großen Teil über die ukrainisch-polnische Grenze kamen und auf eine Welle der Hilfsbereitschaft trafen. So lädt die US-Botschaft in Polen explizit "jeden" ein, also die polnische Zivilgesellschaft, sich am Dienstagnachmittag beim Warschauer Königsschloss einzufinden und der Rede Bidens zuzuhören.

Kampfjets als strittiger Punkt

Polens Politiker, so wird allgemein erwartet, werden die Anwesenheit Bidens dazu nutzen, ständige US-amerikanische Militärbasen zum Schutz der Nato-Ostflanke zu fordern. Auch in der Frage, ob der Ukraine Kampfjets geliefert werden sollen, wird Polen wie schon bei den Leopard-2-Panzern versuchen, eine Einigung auf dem B9-Gipfel und dann möglichst auch mit Joe Biden zu erreichen. Bislang lehnt Washington es ab, die Ukraine mit Kampffliegern zu versorgen. (Gabriele Lesser aus Warschau, 21.2.2023)