Die von den Befürwortern der S1 samt unterirdischer Lobauquerung in Aussicht gestellte Entlastung der Wiener Südosttangente bleibt vorerst ein Traum. Aus Umweltgründen hat das Verkehrsministerium das Projekt gestoppt.

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Wien – Auch beim Lobautunnel gibt es einen Rechtsstaat. Mit dieser einfachen Formel machten Befürworter des Regionenrings rund um Wien gegen den von Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grün) verhängten Stopp für die Wiener Nordostumfahrung S1 inklusive Tunnel unter Donau und Lobau mobil. Dazugehörige Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft gegen die Einmischung der Eigentümervertreterin in die operative Tätigkeit der Autobahnen- und Schnellstraßen AG Asfinag einerseits und eilfertige Befehlsannahme durch Organe der Asfinag wurden nun gleichsam Opfer dieser geforderten Rechtsstaatlichkeit.

Die vom niederösterreichischen FPÖ-Chef Udo Landbauer im April 2022 eingebrachte Sachverhaltsdarstellung wurde von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft am 27. Dezember zurückgelegt, teilte die Oberstaatsanwaltschaft mit. Und zwar ohne ein Ermittlungsverfahren einzuleiten. Ein Antrag auf Fortführung des Verfahrens ist dem Anzeiger verwehrt, es lag wohl kein Anfangsverdacht vor. Endgültig ist der Stopp aus Umweltschutzgründen damit freilich nicht.

Auf Wunsch des Eigentümers

Die Asfinag-Vorstände Herwig Hufnagl und Josef Fiala sind damit fein raus. Ihnen war, vereinfacht ausgedrückt, vorgeworfen worden, sie hätten der Vorgabe des Ministeriums zu Unrecht Folge geleistet und damit ihre Weisungsfreiheit gemäß Aktienrecht missachtet. Aus Sicht der Lobautunnel-Befürworter in den Bundesländern Wien und Niederösterreich sowie der Wirtschaftskammer steht es den Eigentümervertretern im Verkehrsministerium nicht zu, der Asfinag Wünsche und Anweisungen zu erteilen.

Mit dieser Einschätzung blitzten sie bei der Staatsanwaltschaft ab. In der rechtlichen Beurteilung führt selbige aus, dass der von der Asfinag akzeptierte Baustopp ohnehin nur vorläufig sei (weil die dazugehörige Änderung im Bundesstraßengesetz fehlt). Die anhängigen Verfahren zur rechtlichen Erlangung aller Genehmigungen für S1 und Lobautunnel würden ja fortgeführt.

Bestimmungshandlung nicht auszumachen

Deshalb sei die vorgenommene Ruhendstellung der vier Projekte S1 Wiener Außenring Schnellstraße (Schwechat–Großenzersdorf inklusive Lobautunnel), S37 Klagenfurter Schnellstraße (Friesach-Nord – St. Veit Nord), A3 Südostautobahn (Eisenstadt–Staatsgrenze) und A22 Donauufer-Autobahn (Verlängerung Kaisermühlen–Kaiserebersdorf) durch Vorstand und Aufsichtsrat kein "unvertretbarer Fehlgebrauch der eingeräumten Befugnis im Sinne des Untreuetatbestands". Schließlich habe die Asfinag die vom Klimaschutzministerium vorgenommene Evaluierung des Asfinag-Bauprogramms "als Zielvorgaben für das künftige Bauprogramm verstanden". Eine strafrechtliche relevante Bestimmungshandlung der Ministerin sei nicht auszumachen.

Der emeritierte Verfassungsrechtsprofessor Heinz Mayer teilt diese Auffassung nicht, er hält die Weisung der Ministerin für nicht haltbar. Gesellschaftsrechtsexperten halten Vorgaben für und die Einflussnahme des Ministeriums auf die Asfinag hingegen für zulässig, weil es letztlich um politische Entscheidungen und öffentliche Finanzierung gehe. Das sei auch durch das Aktienrecht gedeckt.

Einfluss des Staates

Spannend sind die Ausführungen der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Einflussmöglichkeiten der Republik Österreich. Denn die Asfinag ist mehr als eine gewöhnliche Aktiengesellschaft. Der staatliche Autobahnbauer hat Privilegien, die andere AGs nicht haben. Gemäß Asfinag-Ermächtigungsgesetz 1997 ist der Bund nicht nur berechtigt, eine begleitende Kontrolle der Asfinag und ihrer Maßnahmen und Planungen durchzuführen, sondern darf auch verkehrs-, sicherheits- und bautechnische Zielvorgaben machen. 2014 wurde diese Kompetenz um "umweltschutzbezogene Maßnahmen" erweitert. Und: Die verpflichtend jedes Jahr im Oktober vorzulegenden Plan-Gewinn- und Verlustrechnungen der Asfinag sind vom Verkehrsministerium im Einvernehmen mit dem Finanzministerium zu genehmigen.

Viele Sonderrechte

Letzteres ist insofern von Bedeutung, als die Asfinag Sonderrechte genießt. Sie darf Autobahnen betreiben und für deren Nutzung Maut einheben. Dieser Fruchtgenuss unterliegt aber keiner planmäßigen Abschreibung. Noch nicht dem Verkehr übergebene Straßenabschnitte werden in der Bilanz als "Anzahlung auf das Fruchtgenussrecht" verbucht. Folglich wurden im Jahresabschluss 2021 für ruhend gestellte Projekte 81 Millionen Euro als außertourliche Abschreibungen verbucht. (Luise Ungerboeck, 21.2.2023)