Insbesondere bei jungen Menschen ist die Vier-Tage-Woche sehr beliebt. Die Mehrheit der Unter-30-Jährigen auch in Österreich zieht sie einer Fünf-Tage-Woche vor.

APA/dpa/Peter Kneffel

In Österreich wurde zuletzt heftig über reduzierte Arbeitszeit diskutiert: Lässt sich das Sozialsystem in Zukunft aufrechterhalten, wenn es bei der Teilzeitarbeit keine Kürzungen der Sozialleistungen gibt? Losgetreten hat die Debatte Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP); die Kritik von vielen Seiten folgte postwendend.

Bevor in Österreich noch heftig darüber diskutiert wurde, ob mehr Menschen in Vollzeit beschäftigt sein sollten oder nicht, startete man in Großbritannien einen groß angelegten Versuch, der einige klare Antworten brachte.

Weniger Stress und Krankenstände ...

61 britische Unternehmen hatten sich dazu verpflichtet, ab Juni 2022 die Arbeitszeit aller insgesamt knapp 3.000 Mitarbeiter für sechs Monate um 20 Prozent zu reduzieren, ohne die Löhne zu reduzieren. Die überwiegende Mehrheit der Unternehmen hielt an ihren Vollzeit-Produktivitätszielen fest. Die Ergebnisse dieses weltweit größten Versuchs mit einer Vier-Tage-Woche liegen nun vor – und sind eindeutig.

Stress und Krankheit bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gingen deutlich zurück:

  • 71 Prozent der Beschäftigten gaben an, weniger unter "Burnout" zu leiden.
  • 39 Prozent sagten, sie seien weniger gestresst als zu Beginn des Versuchs.
  • Die Zahl der Krankenstandstage ging um 65 Prozent zurück.
  • Die Zahl der Mitarbeiter, die das Unternehmen verließen, sank im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 57 Prozent.

... und kaum Produktivitätseinbußen

Die Einnahmen der Unternehmen veränderten sich während des Versuchszeitraums hingegen kaum – sie stiegen im Durchschnitt sogar geringfügig um 1,4 Prozent.

"Vor der Studie bezweifelten viele, dass die Produktivitätssteigerung die Arbeitszeitverkürzung ausgleichen würde – aber genau das haben wir festgestellt", resümiert der Soziologe Brendan Burchell, der die Forschungsarbeiten an der University of Cambridge leitete.

Viele Mitarbeiter waren sehr daran interessiert, selbst Effizienzgewinne zu erzielen. Lange Besprechungen mit zu vielen Personen wurden abgekürzt oder ganz geschwänzt. Die Arbeitnehmer waren viel weniger geneigt, die Zeit totzuschlagen, und suchten aktiv nach Technologien, die ihre Produktivität verbessern.

Firmen und Forschungsteams

Das Spektrum der beteiligten Unternehmen war groß: Es reichte von Onlinehändlern und Finanzdienstleistern bis hin zu Animationsstudios und einem örtlichen Fisch-and-Chips-Laden. Weitere vertretene Branchen waren Beratung, Wohnungsbau, IT, Hautpflege, Personalvermittlung, Gastgewerbe, Marketing und Gesundheitswesen.

Die Forschungsarbeiten wurden von Fachleuten der Universität Cambridge, des Boston College in den USA und der Denkfabrik Autonomy durchgeführt. Die Sozialwissenschafterinnen und Sozialwissenschafter befragten die Mitarbeiter während des gesamten Versuchs, um die Auswirkungen des zusätzlichen freien Tages zu messen. Viele dieser Befragten gaben an, dass es ihnen leichter fiel, ihre Arbeit mit familiären und sozialen Verpflichtungen zu vereinbaren:

  • 60 Prozent der Beschäftigten stellten fest, dass sie besser in der Lage sind, ihre bezahlte Arbeit mit ihren Betreuungspflichten zu vereinbaren.
  • 62 Prozent berichteten, dass es ihnen leichter fällt, ihre Arbeit mit ihrem sozialen Leben zu vereinbaren.

Der zusätzliche freie Tag wurde von den meisten der Befragten für Aufgaben wie Einkaufen und Hausarbeit genützt. Viele erklärten, dass ihnen dadurch erst Freizeitaktivitäten am Samstag und Sonntag ermöglicht wurden. "Die Arbeitnehmer berichteten häufig von einer deutlichen Stressreduzierung", so die Cambridge-Doktorandin Niamh Bridson Hubbard. "Viele beschrieben, dass sie zu Hause leichter abschalten oder durchatmen können. Eine Person erzählte uns, dass ihre 'Sonntagsangst' verschwunden sei." Für einige Eltern von Kleinkindern bedeutete ein freier Tag in der Wochenmitte eine Ersparnis bei den Kinderbetreuungskosten.

Reaktion auf die Pandemie

Einige leitende Vertreter der teilnehmenden Firmen erklärten, dass sie die Vier-Tage-Woche als vernünftige Reaktion auf die Pandemie betrachteten – und davon ausgingen, dass sie ihnen einen Vorteil verschaffen würde, wenn es darum ging, auf dem Arbeitsmarkt Talente rekrutieren zu können. Andere hatten miterlebt, wie ihre Mitarbeiter während der Pandemie unter Gesundheitsproblemen und Trauerfällen litten, und fühlten eine größere "moralische Verantwortung" gegenüber ihren Mitarbeitern.

Viele sagten jedoch auch, dass kürzere Arbeitszeiten schon lange vor Covid-19 als Reaktion auf anspruchsvolle oder psychisch belastende Arbeit diskutiert wurden. Der Geschäftsführer eines Videospielstudios verwies auf bekannte Beispiele von "Überlastung und Burnout" in seiner Branche als Grund für die Teilnahme an dem Versuch. Überraschenderweise nahm jedoch kein einziges der befragten Unternehmen an den Versuchen teil, weil die Technologie den Bedarf an menschlicher Arbeitskraft verringert hatte.

Unterschiedliche Organisationen ...

Die Vier-Tage-Woche wurde dabei von Firma zu Firma unterschiedlich organisiert. Einige Unternehmen legten die Arbeit für ein verlängertes Wochenende komplett nieder, andere verteilten die reduzierte Belegschaft über eine Woche auf. Ein Restaurant rechnete seine 32-Stunden-Woche auf ein ganzes Jahr um, sodass es im Sommer lange, im Winter aber deutlich kürzere Öffnungszeiten hatte. Einige wenige Unternehmen knüpften die reduzierte Arbeitszeit an Bedingungen –

darunter weniger Urlaubstage, die Vereinbarung, dass das Personal kurzfristig abgerufen werden kann, oder eine "bedingte" Vier-Tage-Woche, die nur dann fortgesetzt wird, wenn die Leistungsziele erreicht wurden.

... ähnliches Resultat

Am Ende des sechsmonatigen Versuchs sagten viele der Managerinnen und Manager, dass sie sich eine Rückkehr zur Fünf-Tage-Woche nicht vorstellen könnten. "Fast jeder, den wir befragten, gab an, dass er von anderen Unternehmen in seiner Branche mit Fragen die Vier-Tage-Woche betreffend überhäuft wird", sagt der Soziologe Burchell. "Wenn wir Arbeitgeber fragen, sind viele von ihnen überzeugt, dass die Vier-Tage-Woche kommen wird. Denn sie bedeute für sehr viele Menschen ein besseres Arbeits- und Familienleben." (Klaus Taschwer, 21.2.2023)