Seit Jahren organisiert Fridays for Future Klimademos auf der ganzen Welt.

Foto: APA/KLAUS TITZER

Smilla hat genug. Sie geht auf die Straße, sie demonstriert, sie streikt. Das neue Klimaschutzgesetz ist dennoch seit über zwei Jahren ausständig. Gemeinsam mit elf weiteren Kindern und Jugendlichen zieht die 15-Jährige nun vor den Verfassungsgerichtshof. Dort bringt sie den Antrag ein, Bestimmungen des aktuellen Klimaschutzgesetzes als unzureichend aufzuheben. Die aktuelle Rechtslage führe nicht zum Rückgang der Treibhausgasemissionen und sei nicht in der Lage, Kinder vor den lebensbedrohlichen Folgen der Klimakrise zu schützen, argumentieren die Fünf- bis 16-Jährigen. Sie wollen die Politik unter Zugzwang bringen, das veraltete Klimaschutzgesetz endlich nachzuschärfen.

Vertreten werden sie dabei von der Anwältin Michaela Krömer, die früher bereits andere Klimaklagen eingereicht hat. "Wir haben ein Klimaschutzgesetz, das gegen Kinderrechte verstößt und deshalb verfassungswidrig ist", erklärt Krömer. Unterstützt wird die Klage von Fridays for Future und vom neu gegründeten Verein Claw – Initiative für Klimarecht.

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"Sachlichster" Weg

"Wir sehen keinerlei Fortschritt, deshalb ziehen wir jetzt vor Gericht", sagt Smilla. Die Klimabewegung sei zunehmend frustriert, weshalb sie sich mittlerweile in verschiedenen Protestformen äußert, ergänzt Levi (16). "Der Weg zu Gericht ist für uns der sachlichste und effizienteste." Dort argumentieren die jungen Klägerinnen und Kläger mit den Kinderrechten, die in Österreich seit 2011 in der Verfassung verankert sind. Jedes Kind hat demnach Anspruch auf "Wahrung seiner Interessen auch unter dem Gesichtspunkt der Generationengerechtigkeit".

Eben diese Gerechtigkeit sehen die Jugendlichen und Kinder verletzt – schließlich seien sie in ihrem späteren Leben mit besonders schwerwiegende Folgen der Klimakrise konfrontiert.

Anwältin Krömer sieht dabei eine aktive Pflicht des Staates. "Kinder haben ein Recht auf Schutz vor den Folgen der Klimakrise." Da das Klimaschutzgesetz keine Reduktionsziele oder anderen Verbindlichkeiten kenne, würden die Verfassungsrechte verletzt. Krömer sprach davon, dass der "gegenwärtige Scheinklimaschutz" die Klimakrise zur Kinderkrise mache.

Anwältin Michaela Krömer (links) vertritt die Jugendlichen und Kinder bei ihrer Klage gegen das bereits seit zwei Jahren ausständige neue Klimaschutzgesetz.
Foto: Jakob Pflügl / Der Standard

Tatsächlich ist Österreich weitab von dem Kurs, der nötig wäre, um die Pariser Klimaziele zu erreichen – diese müssen aber eingehalten werden, wenn die Erderhitzung auf einem halbwegs sicheren Niveau eingebremst werden soll. Bereits heute, bei einem Plus von 1,2 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit, haben Wetterextreme wie Dürren und Überschwemmungen enorm zugenommen. Je heißer es wird, desto instabiler wird die Welt. Das ist seit vielen Dekaden bekannt, der CO2-Ausstoß ist weiterhin hoch.

Erfolgreiche Klimaklagen in den Niederlanden und Deutschland

Dass Klimaklagen Erfolg haben können, zeigen Beispiele aus der Vergangenheit. Die niederländische Urgenda-Klage führte unter anderem dazu, dass auf Autobahnen untertags mittlerweile ein Tempolimit von 100 km/h gilt. In Deutschland verpflichtete das Bundesverfassungsgericht den Staat zu ambitionierteren Klimazielen. Einfach dürfte es für die österreichische Klage dennoch nicht werden.

"Die Tür zum Verfassungsgerichtshof geht in Österreich nicht besonders weit auf", gesteht Krömer ein. Wenn man die bisherige Rechtsprechung streng auslege, dürfte der Antrag scheitern. Die Anwältin ist aber dennoch zuversichtlich: In den letzten Jahren habe der Verfassungsgerichtshof seine Rechtsprechung schon etwas "gedehnt". Kinderrechte müssen effektiv durchgesetzt werden können, andernfalls seien sie nicht mehr wert als ein "Stück Papier".

Formaljuristisch handelt es sich bei der Klage der Kinder um einen sogenannten Individualantrag. Einzelpersonen können verfassungswidrige Gesetze anfechten, wenn sie "individuell" und "unmittelbar" davon betroffen sind. Genau da liegt im aktuellen Fall aber das Problem: Adressaten des Klimaschutzgesetzes sind nicht einzelne Kinder, sondern staatliche Institutionen. Aus einem ähnlichen Grund ist auch Krömers erste, große Klimaklage Ende 2020 vor dem Verfassungsgerichtshof gescheitert. (Jakob Pflügl, Alicia Prager, David Krutzler, 21.2.2023)