Bis zu 600 Kunden kommen täglich ins Kundenzentrum der Wien Energie in der Spittelau, wo sie mit stundenlangen Wartezeiten rechnen müssen.

Foto: Robert Newald

"R 50! R 50!", ruft ein Sicherheitsbediensteter in den vollen Warteraum des Wien-Energie-Kundenzentrums. Keine Reaktion. "Der hat wohl aufgegeben und ist wieder gegangen", hört man andere Wartende flüstern. In das Servicezentrum kommen täglich rund 600 Menschen, 10.000 Kunden rufen pro Tag beim Kundenservice an, 4500 E-Mails trudeln ein. So viele Anfragen wie noch nie, heißt es vonseiten der Wien Energie. Der Grund: Die Menschen können ihre Strom- und Gasrechnungen nicht mehr bezahlen.

Dazu zählt auch eine dreifache Mutter, die bereits seit eineinhalb Stunden wartet: "Ich hab keine Ahnung, was ich jetzt machen soll. Wie soll ich 1300 Euro monatlich bezahlen? Das ist fast mein ganzes Monatseinkommen." Die Filialleiterin einer Bäckerei habe deshalb schon über Alternativen zum Heizen nachgedacht und überlegt, das Gas abzumelden, um so Geld sparen zu können. "In der Faschingszeit wollen die Kinder Kostüme, ständig brauchen sie neues Gewand, weil sie aus den alten Sachen rauswachsen. Lebensmittel muss ich kaufen. All das muss auch bezahlt werden." Da die junge Frau trotz mehrmaliger Anrufe niemanden im Kundenservice erreicht hat, verbringe sie nun ihren freien Arbeitstag im Kundenzentrum. Von Wut ist keine Spur, sie hoffe einfach, dass man ihr helfen kann.

Unerklärbare Erhöhungen

Im Abstand weniger Minuten ertönt ein Klingeln: Der nächste Kunde ist an der Reihe. Im großen Wartezimmer hängen mehrere Bildschirme, auf denen die aufgerufenen Ticketnummern angezeigt werden. Zusätzlich rufen zwei Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes die Nummern in die Menge. Alle Sitzgelegenheiten sind besetzt, viele warten im Stehen. Darunter eine etwa 50-jährige Frau, die an der Wand lehnt, das Handy in der Hand. "Ich vertreibe mir die Zeit mit Kreuzworträtseln", sagt sie. Ihre Strom- und Gasrechnung habe sich mehr als verdoppelt, sie könne sich aber nicht erklären, warum. "Ich bin nur am Wochenende zu Hause. Seit Monaten heize ich nur mehr das Wohnzimmer und drehe die Heizung ab, sobald ich die Wohnung verlasse." Regelmäßig wirft sie einen Blick auf die Bildschirme, in der Hoffnung, "R 152" zu lesen. Die Angestellte eines Seniorenheims wäre vergangene Woche bereits hier gewesen, doch das Kundenzentrum sei so voll gewesen, dass sie wieder gegangen ist. Nun wartet die Frau seit mehr als einer Stunde. "Ich hoffe sehr, dass jemand eine Lösung für mich findet. Sonst bleibt mir nur die Alternative, in eine andere Wohnung zu ziehen. Das wäre sehr schade. Ich wohne dort seit Jahren sehr gerne."

Energiebonus 2022

Der Energiebonus 2022 soll die Wienerinnen und Wiener dabei unterstützen, die gestiegenen Energiekosten und die damit verbundene Teuerung zu bewältigen. Bis dato seien etwa 592.000 Anträge eingegangen und rund 117,68 Millionen Euro ausbezahlt worden, heißt es aus dem Büro von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ). Ein Ansuchen ist noch bis Ende März möglich.

Eine 67-jährige Pensionistin ist genau aus diesem Grund hier: "Wo ist mein Energiebonus geblieben?", frage sie sich. Die Ratenzahlungen ihrer Heizung würden ihr sehr zu schaffen machen. Die Pensionistin wäre bereits mehrmals im Wien-Energie-Kundenzentrum gewesen, um eine Senkung ihrer Raten zu erwirken, doch ohne Erfolg. "In der Zeit, die ich hier schon gewartet habe, hätte ich locker ein Kind bekommen können", scherzt die 67-Jährige. Da ihre Raten nicht gesenkt werden, sei konsequentes Sparen die einzige Möglichkeit, die hohen Preise zu bewältigen: "Es ist eine Katastrophe." Das findet auch der 55-jährige Chauffeur Aslan, der gerade von seinem Beratungstermin zurückkommt. Rund 3.000 Euro hätte er nachzahlen müssen, konnte aber eine Stundung erwirken. Bis März kann er um einen Nachlass ansuchen. "Ich glaube nicht, dass das etwas hilft." Dafür musste er rund zwei Stunden warten.

Kein Durchkommen

Um den Ansturm bewältigen zu können, habe die Wien Energie unter anderem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Kundenservice um ein Drittel aufgestockt, laufend wird nach weiteren Dienstnehmern gesucht, denn die Anfragen hätten sich seit 2021 verdreifacht. Zudem sollen auch die Beratungsplätze im Kundenzentrum ausgebaut werden.

Trotz der Aufstockung der Telefonleitungen erreichen viele Kundinnen und Kunden niemanden. "Ich bin einfach nicht durchgekommen, obwohl ich es mehrfach probiert habe", sagt die Filialleiterin einer Bäckerei. Ein Mutter-Tochter-Gespann erzählt, sie hätten mehr als eine halbe Stunde in der Warteschleife gehangen. "Der Mitarbeiter hat uns aber falsche Informationen gegeben. Deshalb sind wir jetzt hier."

Kundinnen und Kunden sollten lieber früher als später zum Servicezentrum kommen: Es kann beim Einlass zu temporären Stopps kommen, heißt es von der Wien Energie. Man befinde sich an der Kapazitätsgrenze. Es könne passieren, dass man kurz vor Ende der Öffnungszeiten nicht mehr ins Kundenzentrum gelassen wird.

"Ich bin kein Bettler"

Bei dem enormen Ansturm bräuchten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter viel Geduld, sagt Pensionist Tark. Eine Sache stört ihn aber: "Sie versuchen nicht einmal, eine Lösung für uns zu finden." Er sei kein Bettler, doch eine Strom- und Gasrechnung über 300 Euro könne er sich bei seiner 750-Euro-Pension nicht leisten. "Egal wie lange es dauert, ob ein, zwei oder drei Stunden, ich werde warten. Hauptsache, sie haben eine Lösung." Die Politiker würden seiner Meinung nach nicht genug an arme Menschen denken. "Ich finde es unverständlich, dass Österreich anderen Ländern finanziell hilft und nicht zuerst auf seine eigenen Leute schaut", sagt der Pensionist. Seitens der Stadt Wien heißt es dazu: "Die Teuerungen sind nicht vorbei. Es werden weitere Maßnahmen nötig sein, um die Menschen zu entlasten." (Sophie Mooseder, 21.2.2023)