Der Bademeister, das sei betont, war superfreundlich. Die Sache war ihm offensichtlich mehr als unangenehm. Nur hat der gute Mann seine Dienstanweisungen – also musste er einschreiten.

Und ich war ganz eindeutig der Missetäter.

Tatzeit: vergangener Samstagnachmittag.

Tatort: ein Schwimmbad in Wien. Welches genau, werde ich hier nicht sagen. Warum, erkläre ich später.

Das Delikt: Ich habe zwei engen Freunden gezeigt, was der Unterschied zwischen "gerade mal nicht ertrinken" und "schwimmen" ist. Oder sein könnte. Und mir nichts Böses gedacht: Dass derlei verboten ist, weiß ich jetzt. Wieso, kann ich aber nicht nachvollziehen. Der freundliche Bademeister im Übrigen auch nicht. Vielleicht können Sie uns ja weiterhelfen.

Anmerkung: Sämtliche Fotos dieses Beitrags stehen, wenn nicht ausdrücklich anders ausgewiesen, in keinem örtlichen Zusammenhang zu dem darunter stehenden Text.

Foto: Tom Rottenberg

Worum es genau geht? Ich schwimme gern. Halbwegs regelmäßig. Mit "gut", "schnell" oder "technisch sauber" hat das wenig zu tun. Aber ich bin im Wasser halbwegs sicher unterwegs. Habe Respekt, aber keine Angst.

Das war nicht immer so: Als Kind lernte ich nicht schwimmen, sondern "nicht sofort ertrinken". Mit meinem Hauttyp und Sieben-Dioptrien-Brille war das Freibad aus zwei Gründen mein Feind: Sonnenbrand – und Angst vor dem Brillenverlust. Dass ich grundsätzlich "Köpfcheninderhöh'"-Schwimmer war, hatte einen anderen Grund: Ich hatte es nie anders gelernt.

Foto: Tom Rottenberg

Daran änderte sich auch im Gymnasium nichts: "Schwimmen" hieß im Turnunterricht, dass alle Mädchen grundsätzlich permanent ihre Periode hatten und freigestellt waren. Wir Buben lärmten dann im alten Dianabad (hier ein Bild des mittlerweile abgerissenen Nachfolge-Erlebnisbades) 20 Minuten am Beckenrand oder dümpelten rum: mehr Zeit war nicht, schließlich mussten wir pünktlich zur nächsten Stunde zurück in der Schule sein.

Irgendwann überreichte man uns dann das Fahrtenschwimmerabzeichen: Ich war nie mehr als eine Länge geschwommen. Offiziell waren wir nun aber "sichere Schwimmer". Zum Glück fiel nie jemand ins Wasser.

Foto: Tom Rottenberg

Schwimmen kam später. Viel später: In meinem einstigen Fitnesscenter (dem John Harris in Wien-Margareten, hier im Bild) gibt es ein 25-Meter-Becken. (Tatsächlich sind es 24. Aus rechtlichen Gründen. Aber außer Markus Rogan hat das nie wer bemerkt – ich hab dann mal nachgemessen.)

Irgendwann habe ich es dort versucht. Es folgte ein Nahtoderlebnis. Aber auch der Entschluss, zu lernen. Ein Trainer der Muckibude konnte oder wollte dem Elend nicht zusehen. Er gab mir ein paar Tipps und ein paar Youtube-Links.

Nach drei Wochen schaffte ich 100 Meter. Kraulend. Jedenfalls dachte ich, dass das Kraulen sei. Ich beschloss, Triathlon zu probieren.

Dann lernte ich schwimmen.

Foto: Tom Rottenberg

Der Punkt ist: Nicht wirklich schwimmen zu können, ist hierzulande alles andere als einzigartig. Eher im Gegenteil: Jugendrotkreuz und Wasserrettungen beklagen mit schöner Regelmäßigkeit, dass der Nichtschwimmeranteil in der Bevölkerung immer größer wird. Aber es kratzt niemanden.

Wäre Seilbahn-Lobbyist Franz Hörl statt Skihotelier Bademeister, würden wir statt über den verpflichtenden Schulskikurs über verpflichtende Schwimmcamps diskutieren. Ich wäre dafür: Skifahren ist ein Nice-to-Have. Schwimmen eine Überlebenstechnik. (Im Bild: Kinder bei einem Bewerb in der Alten Donau.)

Wenn mich also jemand fragt, wie man schwimmt, erkläre oder zeige ich zwei, drei Grundsätze – und rate zum Besuch einer Schwimmschule oder eines Schwimmkurses. Grundsätzlich.

Foto: Tom Rottenberg

Bei Freunden oder Verwandten oder wenn (wie hier im Bild) Teilnehmer:innen einer Laufgruppe fragen, ist das was anderes: Da nehm ich mir ein bisserl Zeit. Und plansche gemeinsam mit ihnen. Gerne – und natürlich unentgeltlich. Aber auch ihnen rate ich, danach statt beim Schmiedl beim Schmied weiterzulernen.

Wobei das allem Anschein nach nicht immer leicht ist: Schwimmkurse sind, erzählt man mir, oft schon ausgebucht, bevor sie überhaupt öffentlich kommuniziert werden. Kinderschwimmen sowieso. Und Privatstunden sind auch ein Problem.

Und hier beginnt dann die Groteske vom letzten Samstag.

Foto: Tom Rottenberg

Das Bad war – bis auf eine allein schwimmende Frau und einen Kleinkinderkurs im Babybecken – menschenleer.

Hier sind Bahnen "abgeleint", es gibt aber auch einen "freien" Bereich. Wir schwammen in einer Bahn – aber da war niemand, den wir hätten stören können. Trotzdem: Ich hatte die Bahn nicht gemietet.

Also entschuldigte ich mich, als der Bademeister kam und sagte, dass "das bitte nicht geht", sofort: "Oh, sorry, wir sind schon aus der Bahn draußen und machen drüben weiter."

Der Bademeister: "Nein, das meine ich nicht: Schwimmunterricht dürfen nur Vereine geben. Die zahlen dafür. Und auch die Vereinstrainer dürfen keine Privatstunden geben."

Foto: Tom Rottenberg

Ich: "Ich bin kein Trainer, wir sind kein Verein: Das sind zwei Freunde, die nicht wirklich schwimmen können und das ändern wollen."

Er: "Seh ich. Trotzdem."

Ich: "Ich krieg dafür keinen Cent."

Er: "Glaub' ich dir – aber man sieht, dass du weißt, was du tust."

Ich: "Und das ist schlecht?"

Er: "Nein, aber nicht erlaubt."

Ich: "Die junge Frau ist sogar eine Angehörige …"

Er: "Mag schon sein. Aber das kann jeder behaupten. Darum ist es grundsätzlich nicht erlaubt."

Ich: "Es ist also besser, wenn Leute nicht schwimmen können?"

Er: "Ganz unter uns: Ich finde das komplett idiotisch. Aber es ist halt so. Solange sonst keiner da ist, macht es nix. Aber ich muss es dir sagen. Ich schau jetzt einfach weg – sonst müsste ich euch rausschmeißen."

Foto: Tom Rottenberg

Als ich die Episode auf Social Media stellte, gingen die Wogen hoch. Zunächst wurde der Bademeister geprügelt. Zu Unrecht: Der Mann hatte ja keine Wahl.

Ein Kollege riet, das mit der MA 44, die Bäderverwaltung der Stadt Wien, abzuklären (siehe Screenshot).

Ich sei, attestierten Posterinnen und Poster, aber nicht allein. Sogar davon, beim Üben mit den eigenen Kindern gerügt worden zu sein, wurde erzählt.

Leute vom Schwimmfach bestätigten: Alles, was nur im Entferntesten nach Schwimmunterricht aussieht, sei Vereinen und Schwimmschulen vorbehalten. Auf eigens zu mietenden Flächen und Slots. Die zu bekommen, klagt der Wiener Schwimmkursanbieter Gerald Dygryn seit langem, sei das Gegenteil von einfach. Und Privatstunden zu geben, postet er unter meinen Beitrag, sei sogar Profis verboten.

Foto: Tom Rottenberg

Ich habe mich dennoch nicht an die MA 44 gewandt. Denn obwohl auch in diversen Sport-Schwimm-Gruppen Wiens Magistratsbäder heftig abgewatscht wurden, trifft das in diesem konkreten Fall die Falschen: Wir waren in keinem städtischen Bad – sondern in einem privaten.

Wieso? Weil es in einem städtischen Wiener Schwimmbad Glückssache ist, ob man dort auch nur eine Länge geradeaus schwimmen kann – oder von Querschwimmern und "Treibholz" angepöbelt wird: Die Wienerinnen und Wiener verwechseln Schwimmen mit Baden – und das Bäder-Personal (sic!) hat weder Lust noch das "Backing", sich mit Stammgästen anzulegen: Das Senioritätsprinzip sticht in Wien alles – besonders im Wasser.

So toll Wiens kommunale Wasserinfrastruktur auch ist: Wer nicht in einem Verein ist und tatsächlich schwimmen will, hat es – höflich formuliert – schwer. Und sucht nach Alternativen.

Foto: Tom Rottenberg

Aus ebendiesem Grund schwimme ich anderswo. Unser Vereinstraining findet in Niederösterreich statt – im Florian-Berndl-Bad (hier im Bild).

Privat schwimme ich dann in Fitnesscentern, Privatbädern, Hotelpools oder den Becken moderner Wohnhausanlagen: Es gibt da einiges. Manchmal sogar 25-Meter-Becken. Das kostet halt mehr. Und Zeiten, in denen nichts los ist, werden – wie die Locations – wie Geheimtipps weitergereicht.

Letzten Samstag waren wir in so einem Bad. Dort hat mich ein anderer Schwimmer vor Monaten in den Hausbrauch eingeweiht: "Um Gottes Willen. Nie posten, wo das ist: Dann ist die Hütte voll …"

Stadion- oder Stadthallenbad? Fürs Stadionbad muss man sich qualifizieren – da bin ich nicht schnell genug. Und die Stadthalle ist oft die Südosttangente des Schwimmsports.

Foto: Tom Rottenberg

Da jetzt die Wiener MA 44 anzupöbeln, weil das Problem ja bei der Grundversorgung beginnt und es ein Leichtes wäre, im Wasser für Ordnung und Platz für alle zu sorgen, wäre zwar nicht ganz falsch, aber billig – und griffe zu kurz.

Weil derlei anderswo allem Anschein nach auch Usus ist. Ergaben jedenfalls die Social-Media-Reaktionen aus anderswo. München etwa: Auch dort dürfte es eine Art "Gebietsschutz" auf das Recht, Bahnen überhaupt mieten zu dürfen, geben.

Und in Gelnhausen (Hessen) ist außer "Köpfcheninderhöh'" im Wasser alles verboten – weil man dabei nass werden könnte.

Foto: Tom Rottenberg

Letzteres hatte ich in Wien schon mehrfach. Zwei Schmankerln? Einmal, im Kongressbad, drohte eine Pensionistin dem Bademeister wegen ein paar Wasserspritzern im Gesicht mit seiner Entlassung, wenn er die Schwimmer auf einer Bahn neben ihrer Spur ("I schwimm' seit 35 Joa genau dodan!") nicht aus dem Bad werfe: "I kenn in Buagamasta! Persönlich!"

Ein anderes Mal forderte mich eine ältere Dame auf, "gefälligst Brust" zu schwimmen: "Ich war gerade beim Friseur und brauch keine nassen Haare. Wenn sie kraulen wollen, gehen Sie zu einem Verein." Sie schwamm (und blieb) in der abgeleinten, eigens als "für Sportschwimmer" ausgewiesenen Bahn eines Fitnesscenters: "Für mich ist das Sport. In Wien ist das so." (Tom Rottenberg, 21.2.2023)


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Foto: Tom Rottenberg