Die Menschen in den nordspanischen Regionen Asturien und Kantabrien werden wohl bis 2026 teilweise wieder auf Auto und Bus umsteigen, wenn sie es eiliger haben. Um die Passagiere zu beruhigen, die so lange weiterhin in rund 40 Jahre alten Waggons zuckeln werden, soll bis dahin Zugfahren in den beiden Regionen gratis sein.

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Im spanischen Nordwesten sollten eigentlich 2024 funkelnagelneue Nahverkehrszüge in den Dienst gestellt werden. Der baskische Hersteller CAF hätte die 21 Züge für Kantabrien und zehn für Asturien pünktlich geliefert, wäre nicht ein Problem aufgetreten. Die bestellten Wagons und Triebwägen für insgesamt 258 Millionen Euro sind zu groß. Sie passen nicht in die zahlreichen Tunnel der gebirgigen Atlantikregionen Spaniens.

CAF stoppte die Produktion bereits 2021 und sucht nach einer Lösung. Wie die genau aussehen soll, steht noch nicht fest. Nur eines ist klar: Billig wird es nicht. Öffentlich wurde das Dilemma allerdings erst vor drei Wochen durch einen Artikel der Regionalzeitung "El Comercio".

Nachdem umgehend zwei hohe technische Angestellte des Projekts entlassen worden waren, folgten jetzt zwei politische Verantwortliche. Der Präsident der spanischen Bahn Renfe, Isaías Táboas, und die zuständige Staatssekretärin im Transportministerium, Isabel Pardo, einst Chefin des Netzbetreibers ADIF, haben ihren Posten zur Verfügung gestellt. Transportministerin Raquel Sánchez nahm die Rücktritte an, wohl nicht zuletzt, um sich selbst aus der Schusslinie zu nehmen.

Falsche Bestelldaten

Renfe und der Netzbetreiber ADIF beschuldigen sich derweilen gegenseitig, für die falschen Bestelldaten verantwortlich gewesen zu sein. Der Renfe-Vorstand besteht darauf, den Bestellungen ein Dokument von ADIF über die Anforderungen für Züge im Norden zugrunde gelegt zu haben. ADIF wiederum behauptet, Renfe hätte einen Fehler begangen. Mittlerweile berichtet die regionale Presse, dass die offiziellen Standardmaße der Tunnel nicht immer mit der Realität übereinstimmen. Der Grund: Bei Reparaturarbeiten im Lauf der Jahrzehnte wurden die Tunnel verändert. Die offiziellen Standardmaße seien deshalb mancherorts einfach nicht mehr gegeben.

Was wäre ein solcher Skandal ohne eine Arbeitsgruppe auf höchster politischer Ebene? Genau eine solche soll jetzt unter Beteiligung der Zentralregierung und der beiden Regionen Kantabrien und Asturien ins Leben gerufen werden. Sie soll die Produktion der hoffentlich passgenauen Züge begleiten, die dann 2026 auf die Gleise sollen. Um die Passagiere zu beruhigen, die solange weiterhin in rund 40 Jahre alten Wagons zu Arbeit zuckeln werden, soll bis dahin Zugfahren in den beiden Regionen gratis sein.

Erinnerung an einen anderen Skandal

Das Desaster mit den Nahverkehrszügen erinnert an einen anderen technischen Skandal vor nunmehr genau zehn Jahren. Damals baute Spanien sein erstes eigenes U-Boot. Dieses war nicht nur zu groß für die Hafenanlagen der Kriegsmarine, es war auch zu schwer. Das U-Boot S-80 Isaac Peral tauchte hervorragend ab, nur hoch kam es nicht wieder. (Reiner Wandler aus Madrid, 21.2.2023)