Die ehemalige Behindertensportlerin Claudia Lösch ist schockiert ob der Pläne, ORF Sport Plus einzustellen.

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Die ehemalige Behindertensportlerin Claudia Lösch versteht den Sparzwang im ORF nicht. "Ein Staat wie Österreich kann und darf sich ein g’scheites öffentliches Fernsehen leisten", sagt sie und meint damit auch Sportübertragungen. Lösch misstraut Ankündigungen, sieht Streamingplattformen nicht als Ersatz für das bedrohte ORF Sport Plus und befürchtet, dass Sportarten nun auch um TV-Sendeplätze rangeln müssen.

STANDARD: Was bedeutet die angekündigte Einstellung von ORF Sport Plus?

Lösch: Das ist für viele Sportarten katastrophal. Das war für alle außer Fußball, Formel 1, Ski und Tennis praktisch die einzige TV-Plattform. Natürlich ist die Einstellung auch für den Behindertensport ein schwerer Schlag. Gott sei Dank bin ich nicht mehr als aktive Sportlerin betroffen, aber es trifft mich auch als Konsumentin.

STANDARD: Schauen Sie wirklich oft ORF Sport Plus?

Lösch: Ich habe mir zuletzt zum Beispiel viele Rodelrennen auf ORF Sport Plus angesehen. Und ich bin sehr skeptisch, dass sich das und anderes in der Breite künftig auf ORF 1 abspielen kann. Dabei gibt es unzählige österreichische Rodelerfolge, das ist nach dem Skisport die zweiterfolgreichste Sportart. Ich habe immer wieder ORF Sport Plus geschaut, und da bin ich sicher nicht die Einzige. Dass dort nur Formel-1-Rennen aus dem Jahre Schnee gelaufen sind, stimmt ja nicht. Speziell am Wochenende lief da schon sehr viel live.

STANDARD: Ist es nicht vorstellbar, dass Rodeln künftig am Wochenende an Vormittagen oder Nachmittagen auf ORF 1 gezeigt wird?

Lösch: Diesen Ankündigungen traue ich prinzipiell nicht. Da hätte die Vorgangsweise eine andere sein müssen, es hätte echte Pläne oder sogar Garantien geben müssen. So wirkt es wie ein ersatzloses Streichen. Als würde zunächst einmal alles eingestampft werden. Vielleicht ist es so, dass Rodeln ab und zu auf ORF 1 läuft. Aber an Wochenenden wird es da sehr eng, speziell im Winter, da wird sowieso schon sehr viel Sport gezeigt, Skifahren, Skispringen und so weiter. Und im Hauptabendprogramm wird fast gar nichts gehen. Die meisten Sportevents finden aber am Abend statt.

STANDARD: Wieso ist die TV-Plattform für viele Sportarten so wichtig?

Lösch: Im Prinzip aus zwei Gründen. Zunächst natürlich, weil das TV für die Sponsoren wichtig ist. Aber auch weil du als Sportart in der öffentlichen Wahrnehmung präsent bist. Dadurch können junge Menschen motiviert werden, entweder mit einer Sportart anzufangen oder dabeizubleiben, weil sie sehen, was sich da alles erreichen lässt. Beim Behindertensport kommt noch der gesamtgesellschaftliche Aspekt dazu. Es ist generell wichtig, dass Menschen mit Behinderung zu sehen sind.

STANDARD: Und Streamingplattformen können diesen Zweck nicht erfüllen?

Lösch: Natürlich kann man vieles auch streamen, aber das ist bei weitem nicht dasselbe. Und es fallen alle weg, die drüberstolpern und hängenbleiben. Ich glaub, das sind nicht wenige, ich bin jedenfalls oft auf ORF Sport Plus einfach hängengeblieben. Streamingangebote gibt es ja schon, aber die sind gar nicht gut platziert, die musst du ewig suchen. Das Traurige ist, dass ORF Sport Plus gar nicht wahnsinnig viel gekostet hat, wir reden von acht bis zehn Millionen Euro im Jahr. Das ist nicht die Welt.

STANDARD: Kürzlich wurde die Besondere Sportförderung aus Bundesmitteln von 80 auf 120 Millionen Euro jährlich erhöht. Könnte man nicht einen Teil dieses Geldes hernehmen und ORF Sport Plus so weiterfinanzieren?

Lösch: Das ist schwierig, das sind ja erst wieder Steuermittel, und das Geld kommt ganz woanders her. Dazu kommt, dass diese Erhöhung der Förderung nicht passiert ist, weil es lustig war. Sie war überfällig. Viele Verbände und Vereine haben seit Jahren Probleme, ihre Struktur aufrechtzuerhalten und zum Beispiel gute Nachwuchsarbeit zu leisten.

STANDARD: Was kommt jetzt auf die Vereine und Verbände zu? Wird jetzt ein großes Gerangel um TV-Zeiten einsetzen, so wie es schon ein großes Gerangel um Fördermittel gibt?

Lösch: Da ist zu befürchten. Der Sport ist in einer schwierigen Situation, er ist im Eck, muss sich seine Position neu erkämpfen. Das ist traurig. Ich verstehe den ganzen Sparzwang in dem Bereich generell nicht, ich verstehe auch das ORF-Bashing nicht. Der ORF macht ja prinzipiell gute Arbeit, und ein Staat wie Österreich kann und darf sich ein g’scheites öffentliches Fernsehen leisten. (Fritz Neumann, 21.2.2023)