Die Sprachwissenschafterin Zwetelina Ortega schreibt im Gastblog über das Thema der Mehrsprachigkeit bei der Erziehung .

Am 21. Februar haben wir den internationalen Tag der Muttersprache gefeiert. Was ich zu diesem Anlass auch immer feiern möchte, sind die vielen Muttersprachen, die neben- und miteinander bestehen! Mehrsprachigkeit gehört gehört und gefeiert! Aber nicht immer ist es einfach, Kinder für all ihre Sprachen zu motivieren.

Für die Sprache begeistern

Eine der am häufigsten gestellten Frage von Eltern mehrsprachiger Kinder lautet: "Mein Kind spricht nur Deutsch mit mir, wie kann ich es auch zur Verwendung meiner Erstsprache motivieren?"

Verknappt könnte man auf diese Frage wie folgt antworten: "Was Eltern auf jeden Fall vermeiden sollten, ist es, Druck auszuüben, damit das Kind eine Sprache spricht, oder den Gebrauch der anderen Sprache zu verbieten. Vielmehr sollten sie sich darum bemühen, mit attraktiven Angeboten und motivierenden Erlebnissen das Kind für die Sprache zu begeistern."

Wie damit umgehen, wenn das eigene Kind die Erstsprache der Eltern ablehnt?
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Sprachbewusstsein fördern

Auch können Eltern und Pädagoginnen sowie Pädagogen das Sprachbewusstsein des Kindes fördern, indem sie sich mit diesem über die Sprachen der Familie austauschen und die verschiedenen Sprachsituationen thematisieren. Es geht dabei darum, Sprache selbst zum Thema zu machen, ihre vielfältigen Funktionen zu erklären und was es heißt, mehrsprachig zu sein: nämlich je nach Gesprächspartner oder Gesprächspartnerin, Situation und/oder Thema mal die eine, mal die andere Sprache verwenden und solcherart mit mehr Menschen kommunizieren zu können – und damit gegenüber all denen einen Vorteil zu haben, die nur eine Sprache sprechen. Wenn man dabei zugleich den Ausführungen des Kindes gut zuhört, kann man eine Menge über seine Sprachenwelt erfahren, was helfen kann, es in seinem Sprachaufbau noch besser zu begleiten.

Warum Kinder eine ihrer Sprachen ablehnen

Es bleibt die größte Herausforderung im sprachlichen Begleiten mehrsprachig heranwachsender Kinder, wenn diese ihre nichtdeutsche Erstsprache nicht anwenden möchten. Dafür gibt es mehrere Gründe.

Situation: Das Kind hat zu wenig Wortschatz und zu wenige weitreichende sprachliche Ressourcen, und es fällt ihm entsprechend schwer, sich auszudrücken.

Was können Eltern tun? Erhöhen Sie den Sprachinput: durch Austausch mit anderen Menschen, durch Lesen, Erzählen und die Anwendung weiterer Medien.

Situation: Das Kind sieht keinen Nutzen im Gebrauch der nichtdeutschen Herkunftssprache der Eltern beziehungsweise eines Elternteils.

Was können Eltern tun? Schaffen Sie Situationen, in denen Ihr Kind in ein "Sprachbad" eintaucht. Das können zum Beispiel Freizeitaktivitäten in der jeweiligen Sprache sein, kulturelle Veranstaltungen oder der Besuch von Verwandten etc.

Situation: Das Kind empfindet die Sprache als minderwertig. Es kann sein, dass es mit abwertenden Kommentaren konfrontiert ist oder allgemein das niedrigere Prestige der Sprache in der Gesellschaft spürt.

Was können Eltern tun? Seien Sie konsequent und sprechen Sie weiterhin die Sprache mit Ihrem Kind. Zeigen Sie ihm, dass es in Ihrem und seinem Leben eine wichtige Sprache ist. Wenn das Kind älter wird, sprechen Sie darüber offen mit ihm. Zeigen Sie ihm schöne und spannende Dinge aus den Bereichen Kultur, Geschichte, Sport, die mit der jeweiligen Sprache zusammenhängen. Aufenthalte in dem Land oder der Region Ihrer nichtdeutschen Herkunftssprache sind nicht nur wegen des erhöhten Sprachinputs empfehlenswert, sondern auch, weil sie Ihrem Kind vermitteln, dass es sich um eine auch außerhalb Ihrer Familie intensiv gelebte Sprache handelt. Kinder erfahren ihren Nutzen und ihre Funktion, und das gibt der Sprache einen höheren Wert. Drei wichtige Faktoren, die wie ein Motor auf den Spracherwerb wirken.

Phasen, in denen mehrsprachige Kinder eine ihrer Sprachen nicht anwenden, sind ein in der empirischen Mehrsprachigkeitsforschung häufig beschriebenes Phänomen. Diese Phasen können überwunden werden, und das Kind findet in der Folge zu der vorübergehend verweigerten Sprache zurück. Voraussetzung ist, dass der Sprachkontakt nicht abreißt.

Der wichtigste Tipp

Stehen Sie selbst zu Ihrer Sprache! Denn alle Sprachen dieser Welt sind kostbare Schätze, genauso wie es die Menschen sind, die sie sprechen. Die Abwertung einer Sprache ist immer auch die Abwertung ihrer Sprecherinnen und Sprecher, das sollte uns bewusst sein. (Zwetelina Ortega, 22.2.2023)