Am lukrativen Markt für Nahrungsergänzungsmittel will nun auch der Dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer mitnaschen. Sein Präparat vertreibt er unter anderem über seine neu gelaunchte Gesundheits-App.

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Norbert Hofer (FPÖ) scheint sich eine weitere Einkommensgrundlage aufbauen zu wollen. Er steigt in den Gesundheitsmarkt ein und bringt ein Nahrungsergänzungsmittel auf den Markt. Ein wesentlicher Bestandteil ist die Rosenwurz, die vor kurzem von der Herbal Medicinal Products Platform Austria (HMPPA) zur Arzneipflanze des Jahres 2023 gekürt wurde. Dieses Zusammenfallen ist aber Zufall, der Dritte Nationalratspräsident ist bereits seit 19. Juli des vergangenen Jahres laut Firmenbuch Mitgesellschafter und Geschäftsführer der Vitesse Consulting & Management GmbH mit Sitz in Pinkafeld, seiner Heimatgemeinde. Einen Konflikt mit seinem politischen Erstjob dürfte es durch das Fremdgehen in die Gesundheitsbranche nicht geben. Derzeit gilt nur für den Ersten Nationalratspräsidenten ein Berufsverbot. Das Präparat soll bereits produziert werden und demnächst auf den Markt kommen.

Um dem gesunden Leben noch eins draufzusetzen, hat Hofer nun auch eine Gesundheits-App gelauncht, "Nutrition – Die App für Gesundheitsbewusste", wie er auf Twitter verkündete. Man kann sie bereits für Apple und Android herunterladen, in der Basisversion mit Werbung ist sie gratis, die Pro-Version kostet 3,99 Euro pro Monat. In erster Linie kann man mit dieser App individuelle Einnahmepläne für Nahrungsergänzungsmittel erstellen, Erinnerungen zur Einnahme setzen und den Verlauf der eigenen Einnahme sehen – in der Pro-Version. Das letzte Feature bietet die mit Werbung bespielte Basis-Version nicht. Außerdem ist die App eine Art Shop für Nahrungsergänzungsmittel. Doch was bringen diese beiden Produkte? Kann eines von beiden tatsächlich gesundheitsfördernde Wirkung haben?

In Russland beliebte Rosenwurz

In der Gesundheits-App von Norbert Hofer kann man bereits sehen, wie sein Nahrungsergänzungsmittel "Fortuna" zusammengesetzt ist. Neben der Rosenwurz als wichtigem Bestandteil enthält das Präparat laut der Beschreibung in Hofers Gesundheit-App L-Tryptophan, Vitamin B6, Zink und Ginseng – ein Wohlfühlmittel mit stärkender Wirkung, "dessen Geheimnis aus der exakten Kombination sorgsam ausgesuchter Inhaltsstoffe besteht", wie in der Beschreibung steht. Es werde unter strengsten Qualitätsauflagen in Österreich produziert und sei "auf dem Markt einzigartig".

Tatsächlich ist die Rosenwurz, wissenschaftlich Rhodiola rosea genannt, eine Gebirgspflanze der nördlichen Hemisphäre, schon lange bekannt und als Naturheilmittel in Verwendung. Auszüge der Wurzel gelten als traditionelles pflanzliches Arzneimittel bei Stresssymptomen wie Erschöpfung und Schwächegefühl. Ihre Inhaltsstoffe sind vor allem phenolische Glykoside wie Salidrosid und Rosavin, schreibt die HMPPA, die sie in Österreich zur Arzneipflanze des Jahres 2023 gekürt hat. Dieses Komitee, dessen Vorstand und wissenschaftlicher Beirat sich hauptsächlich aus Pharmazeutinnen und Pharmazeuten mit unterschiedlichen Forschungsschwerpunkten zusammensetzt, bestimmt jedes Jahr eine Arzneimittelpflanze.

Der Verein bezeichnet sich selbst als Forschungsplattform Phytopharmaka und Naturstoffe Österreich, seine Tätigkeit bezweckt, die Entwicklung von pflanzlichen Arzneistoffen voranzutreiben und gemeinsam mit Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft die gewonnenen Erkenntnisse zugunsten von Patientinnen und Patienten nach modernsten wissenschaftlichen Standards umzusetzen, wie er auf seiner Homepage informiert.

Die Rosenwurz ist eine Gebirgspflanze, die in der skandinavischen und russischen Volksmedizin seit Jahrhunderten im Einsatz ist.
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Aber zurück zu Norbert Hofers Produkt. Die Rosenwurz ist in der skandinavischen und russischen Volksmedizin schon seit Jahrhunderten verbreitet. Seit den 1960er-Jahren wurde sie pharmakologisch untersucht, und seit 1969 war Rhodiola rosea fester Bestandteil in der offiziellen Medizin der Sowjetunion. "Man spekuliert, dass die Rosenwurz eine milde stimmungsaufhellende Wirkung hat. Aber wie genau welche Bestandteile der Rosenwurz bestimmte Effekte auslösen können, müsste erst noch untersucht werden", sagt Harald Sitte vom Zentrum für Physiologie und Pharmakologie der Med-Uni Wien.

Von der EMA geprüft

Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA hat zumindest jene Studien, die es bereits gibt, analysiert, und gelangt zu dem Schluss, dass das Präparat zur vorübergehenden Linderung von Stresssymptomen wie Müdigkeit und Schwächegefühlen eingesetzt werden kann. Wissenschaftliche Studien zur Wirkung der Rosenwurz gebe es zwar, doch würden diese Mängel in der Durchführung aufweisen. Der Einsatz der Wurzel gründe sich daher auf seine langjährige medizinische Verwendung – also auf Erfahrung statt auf wissenschaftliche Erkenntnis oder überzeugende Beweise für eine therapeutische Wirksamkeit.

Und genau das ist der Knackpunkt, betont Sitte: "Die Erfahrung ist die niedrigste Stufe an Evidenz. Das ist sozusagen der erste Einstieg, um eine Substanz einer wissenschaftlichen Untersuchung und Überprüfung zuzuführen." Dabei wird dann festgestellt, welcher Bestandteil der Pflanze genau welche Wirkung auslöst und in welcher Konzentration. Zeigen dann mehrere doppeltblind randomisierte Studien in verschiedenen Settings, dass diese Wirkung repliziert werden kann, ist ein breiter Einsatz als Arzneimittel möglich. Bis es so weit ist, ist eine Wirkung denkbar, aber keineswegs erwiesen.

App mit Einnahmeplänen

Bleibt noch die App zu überprüfen. Bereits beim Einstieg muss man sich mit seiner Mailadresse registrieren, sonst kommt man nicht weiter. Allerdings gibt es die Möglichkeit, die App eine Adresse generieren zu lassen, wenn man seine eigene nicht bekanntgeben will. Die Basis-Version bietet die Möglichkeit, zwei Einnahmepläne zu erstellen und diesen Produkte hinzuzufügen. Dafür steht eine breite Liste an Produkten von verschiedenen Herstellern zur Verfügung, aus denen man auswählen kann. Manche der Nahrungsergänzungsmitteln sind mit einer Beschreibung versehen, die sich wie ein Werbetext liest. Ein Beispiel: "Coenzyme Q10: Neben der kräftigen antioxidativen Wirkung, die es in jüngster Zeit zum Anti-Falten-Wunder schlechthin gemacht hat, beeinflusst Coenzym Q10 das Herz-Kreislauf-System und trägt allgemein zur Zellgesundheit bei."

Mehr erfährt man zu dem Wirkstoff nicht, auch keine Empfehlung zur Tagesration oder wie man es einnehmen sollte – das darf man für den Einnahmeplan selbst eintragen. Und bei den meisten Produkten steht überhaupt nur die Zusammensetzung dabei. Zugegeben, die App ist erst im Aufbau – das ist vielleicht auch der Grund, warum eine Produktdatenbank im Shop zwar verfügbar ist, es aber noch keine Einkaufslinks gibt. Auf einem "Marktplatz" findet man dafür Links zu zahlreichen Verkaufsplattformen.

Insgesamt stellt sich derzeit die Frage, was man mit der App anfangen soll. Die Einnahmepläne muss man selbst erstellen, das Prozedere dafür ist mühsam und nicht sofort zu durchschauen – und nennenswerte Informationen, warum man etwas einnehmen sollte oder was es genau bewirken soll, findet man auch nicht. Bis jetzt scheint man mit der App in erster Linie Geld ausgeben zu können, ohne zu wissen, was man konkret dafür bekommt. Da bringt es definitiv mehr, wenn man auf Nahrungsergänzungsmittel setzt, sich diesbezüglich doch in der Apotheke beraten zu lassen – gratis. (kru, 22.2.2023)