Zehntausende Menschen protestieren im ganzen Land gegen die geplante Justizreform.

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Acht Stunden dauerte die Sitzung in der Knesset, dem israelischen Parlament, in welchem die Abgeordneten in erster Lesung über die geplante Justizreform der Regierung abstimmten. Vor dem Parlament hatten sich zehntausende Menschen versammelt, um dagegen zu protestieren. Sie befürchten den Abbau der Demokratie in ihrem Land.

Die geplante Justizreform der am weitesten rechts stehenden Regierung in der Geschichte Israels hat das Land in eine innenpolitische Krise gestürzt. Die Reform würde es dem Parlament ermöglichen, mit einer einfachen Mehrheit Entscheidungen des Obersten Gerichts auszuhebeln. Dies würde auch die Ernennung von Richterinnen und Richtern betreffen. Kritiker werfen der geplanten Änderung vor, der Regierung zu viel Macht und Einfluss zu verleihen. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu beharrt jedoch ungeachtet der Proteste auf dem Gesetzespaket: "Das Volk hat sein Wahlrecht ausgeübt, und die Volksvertreter werden ihr Wahlrecht hier in der israelischen Knesset ausüben. Das nennt man Demokratie." Kritiker sehen in dem Reformprogramm auch die Absicht Netanjahus, seinen laufenden Korruptionsverfahren zu entkommen.

Straßenblockaden durch Demonstrierende

Protestierende haben am Montag zentrale Straßen in Jerusalem blockiert, um Abgeordnete daran zu hindern, in die Knesset zu kommen. "Demonstranten, die von Demokratie reden, bringen selbst das Ende der Demokratie herbei, wenn sie den gewählten Abgeordneten das grundlegende Recht in einer Demokratie verweigern – zu wählen", lautete die Reaktion von Netanjahu.

Auch der ehemalige Premierminister Jair Lapid befürchtet, dass durch die neuen Befugnisse bei der Auswahl von Richtern und Richterinnen die gegenseitige Kontrolle sowie die Gewaltenteilung in Gefahr seien: "Wir werden uns nicht in den Häusern verstecken, während die Regierung versucht, Israel in eine dunkle Diktatur zu verwandeln. Sie werden uns nicht zum Schweigen bringen!"

Angst vor Diktatur

Stichwort Diktatur: Auf den Plakaten der Demonstrantinnen und Demonstranten sind unter anderem Diktatoren wie Kim Jong-un abgebildet. "Es ist ein Versuch, Israel in eine Diktatur zu verwandeln", heißt es von einem Demonstranten in Jerusalem. Die Oppositionspartei Jesch Atid erinnerte außerdem an den Nationalsozialismus, denn auch die Nazis seien in Deutschland durch demokratische Mittel an die Macht gekommen. Staatspräsident Jitzchak Herzog fordert in einer Fernsehansprache die Regierung zum Dialog mit der Opposition auf und warnte vor einem gesellschaftlichen Zusammenbruch Israels.

Internationale Kritik

Das umstrittene Gesetz hat sogar seltene Warnungen aus den USA, Israels wichtigstem internationalen Verbündeten, hervorgerufen. US-Botschafter Tim Nides spricht sich für den Schutz der demokratischen Institutionen aus und fordert von der Regierungskoalition, in Verhandlungen mit der Opposition zu treten.

Seit sieben Wochen protestieren die Menschen bereits gegen die umstrittene Justizreform und veranschaulichen damit die tiefen Gräben in der israelischen Gesellschaft.

Der Prozess zur Verabschiedung der Reform wird allerdings noch dauern. Nach der erfolgreichen Abstimmung der ersten Lesung laufen nun Vorbereitungen für die zweite und finale Lesung in der Knesset. Die Regierung möchte das Gesetzespaket bis Ende März verabschieden. (Tabea Hahn, 21.2.2023)