Jetzt will es niemand gewesen sein: Nachdem die schwarz-grüne Koalition dem ORF als Gegenleistung für ein neues Finanzierungsmodell eine Einsparung von 300 Millionen Euro abverlangt hat, ist sie über die Folgen plötzlich selbst erstaunt. So will beim Vorhaben, das ORF-Radio-Symphonieorchester Wien durch Nichtfinanzierung zu liquidieren, niemand mehr Mitverantwortung eingestehen. Staatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) findet, es könne nicht sein, "dass dieser wunderbare Klangkörper Sparzwängen zum Opfer fällt". Der kulturelle Auftrag dürfe bei den anstehenden Diskussionen über die Finanzierungsgrundlage des ORF nicht außer Acht gelassen werden. "Dafür werde ich mich auch persönlich in den nächsten Wochen auf Regierungsebene einsetzen. Es muss eine Lösung für den Fortbestand geben."

Das ORF-Radio-Symphonieorchester bangt um seine Zukunft.
Foto: ORF / Thomas Ramstorfer

Auch die grüne Kultur- und Mediensprecherin Eva Blimlinger hält das RSO für "absolut unersetzbar". Das Radio-Symphonieorchester müsse "erhalten bleiben – wir Grüne sehen es als gemeinsame Aufgabe der Kulturnation Österreich, eine Lösung zu finden, die den Erhalt des Orchesters sicherstellt". Erfreulich, aber verwunderlich das Entsetzen von Maria Großbauer, der ÖVP-Kultursprecherin. Auch sie plädiert für den Weiterbestand des RSO.

"Wo bleibt der Kulturauftrag des ORF, wenn man gerade hier sparen will?", fragt sie. Dass das RSO bereits zum wiederholten Mal infrage gestellt werde, finde sie betrüblich. Jedenfalls sei das aus ihrer Sicht keine ÖVP-Idee, sie kenne "niemanden in der Partei, der diese Einsparung mittragen will". Seltsam.

In die Enge getrieben?

Wenn ohnedies niemand die Auflösung des Orchesters will, wie konnte es nun zum Liquidationsplan kommen? Möchte der ORF-Intendant das Orchester loswerden, obwohl er es bei seinem Hearing 2021 noch sehr gelobt hat? Hat ihn die Forderung der ÖVP-Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) in die Enge getrieben? Hofft er, die Aufregung in der Kulturszene werde zu einer Lösung außerhalb des ORF führen? Hat die Medienministerin mit ihrer Kollegin Großbauer überhaupt gesprochen, um die Folge ihres Sparauftrags zu durchdenken? Rätsel über Rätsel.

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Kultur und deren Funktionieren, wie so oft in der Vergangenheit, keinerlei Rolle in den Überlegungen spielten und erst bei der nun ansetzenden Aufregung Versuche starten, ein Problem zu lösen, das man politisch mitverursacht hat.

Auch die Intendantin des RSO, Angelika Möser, will sich nicht damit abfinden, dass es keine Überlebensmöglichkeit für das Orchester gibt. Es liegt ihr "grundsätzlich an einem Verbleib des RSO im ORF. Ich bin davon überzeugt, dass das Orchester einen wichtigen Teil zur Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Kultur- und Bildungsauftrags leistet. Das hat es in seiner fast 55-jährigen Geschichte eindrücklich bewiesen. Die finanzielle Lösung, wie auch immer diese ausfällt, sollte langfristig den Erhalt des RSO sichern. Es gibt dafür sicher unterschiedliche Ansatzmöglichkeiten. Hier sind der politische Wille und die Kreativität aller Beteiligten gefragt."

Noch etwas Zeit

Bis zum 23. März, der Sitzung des Stiftungsrates, kann gegrübelt werden. Vielleicht bleibt das RSO wie durch ein Wunder beim ORF, weil sich sein Intendant in einem Akt der totalen Erinnerung an seine freundlichen Worte von 2021 erinnert. Womöglich wird die Erhöhung der Haushaltsabgabe um ein paar Cent das Problem der Finanzierung lösen. Auch eine Mischfinanzierung, welche die knapp neun Millionen Euro, welche das RSO jährlich kostet, zwischen ORF, Bund und der Stadt Wien teilt, wäre denkbar.

Man wird sehen. Wiens Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) meint, "der ORF sollte stolz sein auf sein Radio-Symphonieorchester: Es ist eine tragende Säule des österreichischen und Wiener Musiklebens und muss als solche weiter bestehen. Das RSO ist aus der Musikstadt Wien nicht wegzudenken." Ob sie bei einer Rettungsaktion mitfinanzieren könnte?

Die Stadt eher nein...

Kaup-Hasler: "Hier sehe ich ganz dezidiert den Bund in der Verantwortung. Denn es kann nicht sein, dass eine fehlgeleitete Medienpolitik des Bundes von der Stadt ausgeglichen werden muss. Gefragt, sich für den Erhalt des RSO einzusetzen, sind hingegen nun Kulturminister Werner Kogler (Grüne) und die für Medien zuständige Ministerin Susanne Raab (ÖVP). Die Stadt Wien trägt bereits mit den Wiener Symphonikern ein großes Orchester, sie fördert weitere Ensembles wie das Klangforum und hat die Konzerthäuser gestärkt. Das RSO unterstützen wir bereits insofern, dass wir mit Wien Modern oder dem Musiktheater an der Wien, zwei wichtige Kooperationspartner subventionieren."

Der Intendant des Klangforums Wien Peter Paul Kainrath sieht jedenfalls eine Gesamtverantwortung: "Es muss dieser Republik schlicht und einfach darum gehen, als global ambitioniertes Musik- und Kulturland für und nicht gegen die eigenen Exzellenzinstitutionen zu agieren." (Ljubiša Tošić, 21.2.2023)