Viele Bücher von Roald Dahl sind Klassiker der Kinderliteratur. Ihnen wird sogar mit Torten gehuldigt.

Foto: REUTERS/Neil Hall/File Photo

Sind jungen Lesern Worte wie "fett" und "hässlich" heute noch zumutbar? Nein, entschied jüngst der britische Puffin-Verlag, in dem die Bücher Roald Dahls erscheinen, und ersetzte sie durch weniger abwertende Begriffe. Für die Roald Dahl Story Company, die den Nachlass des Autors verwaltet, der mit Charlie und die Schokoladenfabrik, Matilda oder Der fantastische Mr. Fox Klassiker der Jugendliteratur hinterlassen hat, kein Problem. Über 30 Jahre nach dem Tod Dahls (1916–1990) und so lange nach dem Ersterscheinen von Büchern sei es nicht ungewöhnlich, deren Sprache als auch Details der Geschichten an aktuelle Gegebenheiten anzupassen, ließ sie ausrichten.

Neben dem Körpergewicht von Figuren wurde auch bei Themen wie Gewalt, Gender, Hautfarbe und psychischer Gesundheit auf eine zeitgemäßere und politisch korrekte Darstellung geachtet. Ein Blick in die Neuausgaben zeigt, dass dabei mitunter recht großzügig umformuliert wurde. Ästhetisch kann man bedauern, dass manche schlanke, knackige Formulierung beschwert wurde. Mancher Witz wurde zur Belehrung. Aus "Du kannst nicht herumlaufen und Frauen an den Haaren ziehen" in Hexen hexen (1983) wurde etwa "Übrigens gibt es viele Gründe, warum Frauen Perücken tragen, und natürlich ist nichts daran falsch."

Samthandschuhe

Man spürt die Samthandschuhe auch an Stellen, wo aus einer Kassiererin oder Sekretärin eine Topwissenschafterin oder Unternehmerin wird. Statt mit Joseph Conrad übers Meer zu segeln oder mit Rudyard Kipling, dem Erfinder des Dschungelbuchs, Indien zu erkunden, reist die junge Heldin in Matilda nun mit Jane Austen, feministisch und antikolonialistisch, auf Landsitze aus dem 19. Jahrhundert.

Mit Empörung hat darauf nach einem Bericht des britischen Telegraph am vergangenen Wochenende Salman Rushdie reagiert. Wegen seiner Satanischen Verse Ende der 1980er mit einer Fatwa belegt und voriges Jahr bei einem islamistisch motivierten Messerangriff schwer verletzt, ist der indischstämmige Autor gewiss keiner, dem man eine antiliberale oder reaktionäre Gesinnung nachsagen wollte. Aber auch ihm gingen diese Umformulierungen zu weit. In einem Tweet sprach er von "Zensur" und einer "kriecherischen Befindlichkeitspolizei", wiewohl er Dahl zugleich für seine nachweislich antisemitischen und rassistischen Tendenzen kritisiert. Für die hatte sich vor einigen Jahren schon Dahls Familie entschuldigt. Für die Wortmeldung steht nun wiederum Rushdie selbst in der Kritik.

Boykottaufrufe

Wie sich das anfühlt, weiß auch Joanne K. Rowling. Die Diskussion um die seit einem Tweet 2020 mit dem Vorwurf von Transphobie konfrontierte Schöpferin von Harry Potter kocht derzeit wieder hoch. Explizit transfeindliche Passagen findet man in ihren Büchern zwar nicht. Sie bringt in ihren jüngeren Krimis aber auffällig oft Figuren und Motive unter, die das Thema betreffen. In Schottland setzt sie sich gegen transfreundliche Gesetzesänderungen ein. Nach Boykottaufrufen zum Erscheinen des Videospiels Hogwarts Legacy vor knapp zwei Wochen sorgt aktuell der am Dienstag gestartete Podcast The Witch Trials of J. K. Rowling für Aufregung, in dem die Autorin ausführlich Auskunft zu Leben und Schreiben gibt.

Eindreiviertel Stunden kann man schon anhören, mit Blick auf die Transphobievorwürfe warnt die Autorin bisher lediglich vor "Schwarz-Weiß-Denken". Es sei zwar einfach, und man finde schnell Gleichgesinnte. "Wir sollten uns aber am meisten misstrauen, wenn wir uns zu gewiss sind." Sie habe es nie dar auf angelegt, jemanden vor den Kopf zu stoßen. Wer ihr vorwerfe, ihr Vermächtnis zu ruinieren, könne sie nicht stärker missverstehen. (Michael Wurmitzer, 21.2.2023)