Wärmepumpen sind in Privathaushalten längst etabliert. Künftig könnten sie auch in der Industrie Verwendung finden.

Foto: Fotodienst/Christian Mikes

Auf dem Papier ist sie der Star, mit der Firmen praktisch emissionsfrei produzieren können. Selbst 200 Grad heißer Dampf soll möglich sein – ohne Erdgas, nur aus der Abwärme von Öfen oder Kühlanlagen. Die Rede ist von Hochtemperaturwärmepumpen, die als Leuchtturmprojekte in der Industrie eingesetzt werden. An sich ist das Prinzip der Wärmepumpe eine bewährte Technik. Mit ihr wurden nicht nur Kühlschrank und Klimaanlage möglich, Raum- und Prozesswärme lassen sich klimafreundlicher als mit fossilen Brennstoffen herstellen. Mit einer Kilowattstunde Strom lassen sich etwa vier Kilowattstunden aus in Erde, Wasser, Luft oder Abwärme verfügbarer Wärme gewinnen. Stammt der Strom aus erneuerbaren Quellen, ist die Produktion von Prozess- und Raumwärme CO2-frei.

Weil Erdgas über lange Zeit gegenüber Strom äußerst billig war, galt die Wärmepumpentechnologie in der Industrie zwar als gut, aber teuer, mit langen Amortisationszeiten. Spätestens seit den gestiegenen Gaspreisen wird die Wärmepumpe aber auch in der Industrie interessanter. Denn mit ihr könnte oft schlecht bis gar nicht genutzte Abwärme aus industriellen Prozessen des Trocknens, Kochens, Verdampfens, Kühlens oder Heizens wieder zu Prozesswärme auf bis zu 200 Grad hochtransformiert werden – im besten Fall ohne Klimagas in die Atmosphäre freizusetzen.

Millionen Tonnen Klimagas

"Wärmepumpen haben ein enormes Potenzial", sagt Wolfgang Hribernik vom Austrian Institute of Technology (AIT). "Denn im Bereich bis 200 Grad fallen 37 Prozent des gesamten Prozesswärmebedarfs der europäischen Industrie an." Theoretisch ließen sich so Millionen Tonnen an Klimagas aus erdgasbefeuerter Prozesswärmeproduktion einsparen. Ob die Wärmepumpentechnologie in der Praxis hält, was sie verspricht, soll nun geprüft werden.

In Wien begleitet das AIT daher das Wärmepumpenprojekt AHEAD (Advanced Heat Pump Demonstrator), das Erfahrungen sammeln und für diverse Industriesektoren dokumentieren soll. Das Forschungsprojekt wird aus den Mitteln des Klima- und Energiefonds des Klimaschutzministeriums gefördert und im Rahmen der Forschungsinitiative "Nefi – New Energy for Industry" als Teil des österreichischen Innovationsprogramms "Vorzeigeregion Energie" durchgeführt.

Emissionsneutrale Arzneimittel

AIT-Projektpartner ist der japanische Pharmariese Takeda. Dieser strebt bis 2035 eine "Null Emission"-Produktion seiner Arzneimittel an. An seinem Wiener Standort will er demonstrieren, wie das mit dem weltweit erstmaligen Einsatz von Hochtemperaturwärmepumpen für die Heißdampfproduktion gelingt. Der Konzern setzt seit 2020 auf eine CO2-neutrale Produktionsstrategie. Strom wird nur noch aus erneuerbaren Quellen eingekauft und Abwärme der Kühlung mittels Wärmepumpen wieder zu 65 Grad warmem Heizungswasser für den Standort aufbereitet.

Die Anlage im Wiener Standort von Takeda ist riesig.
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In einem nächsten Schritt soll dieses Heizungswasser wieder als Quelle für die Produktion von Heißdampf mit einer Temperatur von 184 Grad verwendet werden. "Bisher haben wir diese Prozesswärme vor allem mit Erdgas erzeugt", sagt Harald Erös, Projektleiter bei Takeda. "Nun werden wir eine Hochtemperaturwärmepumpe verwenden."

Zum Einsatz kommt dabei ein modifiziertes Modell eines innovativen Start-ups aus Deutschland, dessen Gründer zuerst in der Motorenherstellung arbeiteten und viel Know-how in eine verbesserte Kompressortechnik steckten. Durch die teils neue und patentierte Kolbentechnik kann ein höherer Druck in der Wärmepumpe erzielt werden.

Enormes Einsparpotenzial

Das 65 Grad warme Heizungswasser wird dieser nun als "Primärenergie" dienen, um in zwei Schritten zuerst heißen Dampf mit 130 Grad und dann mit 184 Grad zu produzieren. Das soll emissionsfrei, ohne Einsatz von Erdgas, unter Verwendung des natürlichen Kältemittels Propan und um 50 Prozent günstiger als mit herkömmlicher Heizkesseltechnik passieren.

Läuft alles nach Plan, soll die Anlage Ende 2024 in Betrieb gehen. Die finalen Projektdaten sollen Ende 2025 zur Verfügung stehen. Übers Jahr soll damit eine 90-prozentige CO2-Reduktion des Unternehmens erzielt werden. Die restlichen zehn Prozent auf "Zero Emission" könnten dann durch Steuerungsoptimierungen, aber unter Umständen auch durch weitere Wärmepumpen, die Energie aus der Umwelt nutzen, eingespart werden, sagt Veronika Wilk, AHEAD-Projektleiterin beim AIT. "Wir werden die Betriebsstrategie für das System jedenfalls laufend optimieren."

Die Ergebnisse will Takeda einsetzen, um seine Null-Emission-Strategie auch an anderen nationalen und internationalen Standorten umzusetzen. Die Daten werden aber auch allen anderen Industriebranchen zugänglich gemacht. "Wir sind offen für die Kooperation mit vielen Industriepartnern", sagt Takeda-Vorstand und Standortleiter Karl-Heinz Hofbauer. Anfragen gibt es bereits, besonders aus der Textilbranche sei das Interesse groß. (Norbert Regitnig-Tillian, 27.2.2023)