In Erinnerung an Jörg Haider wurde die "Dr. Jörg Haider Medaille" aufgelegt. Der letzte Empfänger der vom ehemaligen BZÖ-Politiker Gerald Grosz initiierten Plakette war Heinz-Christian Strache.

Foto: Gert Eggenberger

Und plötzlich ist er wieder da. Der 2008 bei einem Autounfall tödlich verunglückte Jörg Haider irrlichtert in diesen Wochen durch den Kärntner Landtagswahlkampf. Die FPÖ ist sichtbar bemüht, eine Haider-Nostalgie, die Erinnerung an alte blaue Zeiten im Bundesland, zu beleben.

"Wir haben uns ja nie von Jörg Haider distanziert", betonte der Kärntner FPÖ-Chef Erwin Angerer kürzlich in einem Gespräch mit dem STANDARD. Daher werde Haider auch im Wahlkampf eine sozusagen "posthume" Rolle spielen.

"Ja, ohne Zweifel, die Haider-Verehrung ist wieder da. Die Zeit dafür scheint reif zu sein", beobachtet auch der in Kärnten lebende Psychoanalytiker und Sozialpsychologe Klaus Ottomeyer, der sich jahrelang mit dem Mythos Haider wissenschaftlich und publizistisch auseinandergesetzt hat.

Hirngespinste

Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für diese Haider-Renaissance in den Köpfen vieler FPÖ-Anhänger seien idealtypisch, sagt Ottomeyer. "Es ist so, dass wir in einer Gesellschaft wachsender großer Ängste leben. Es sind teilweise realistische Ängste: der Krieg, die Klimakrise, Korruption, die Erosion bisher zuverlässiger gesellschaftlicher Strukturen, was Angst macht. Und dann sind da Ängste, die teilweise auf Hirngespinsten beruhen und übertrieben sind. Wie jetzt, dass uns in Kärnten quasi Slowenen überrennen würden oder Migranten und Migrantinnen die Gesellschaft zerstören", meint Ottomeyer, Autor der Publikationen Jörg Haider: Mythos und Erbe oder Angst und Politik.

In dieser krisenhaften Gemengelage spiele Jörg Haider, oder besser der Mythos, eine ganz bestimmte Rolle, in der der ehemalige Landeshauptmann posthum in die Erinnerung geholt werde als ein großer Beruhiger und Bewältigter von Ängsten. "In Krisenzeiten spaltet sich die Gesellschaft sehr oft in jene, die dem Team Angst angehören, und jene der Kontraphobiker, die betont angstfrei auftreten und manchmal die Realität verkennen. Das ist die Zeit der furchtlosen Helden, wie Haider einen gespielt hat."

Gespielte Furchtlosigkeit

An dessen gespielte Furchtlosigkeit erinnere man sich heute eben gerne, und es werde der Wunsch nach "einer ähnlich messianisch rettenden Figur, die man anfassen kann", erweckt. Ottomeyer habe den Eindruck, dass speziell in FPÖ-Kreisen genau dieser Geist, diese Heldenfigur zurückgewünscht werde. "Die Menschen waren ja verliebt in ihn. Follower eines Führers geraten in eine Art Verliebtheit. Der Mensch wird idealisiert und angehimmelt, all die Bösartigkeiten und Schäden, die er angerichtet hat, werden verniedlicht und ausgeblendet. Sonst würde ja das Idealbild in sich zusammenfallen." In dieser Quasiverliebtheit fühlten sich die Menschen untereinander "schön verbunden wie ein Fanklub eines Popstars. Bei dem man die Schattenseiten nicht sieht oder nicht sehen will", sagt Ottomeyer im Gespräch mit dem STANDARD.

Diesen Wunsch in der FPÖ nach Wiederkehr einer Haider-ähnlichen Figur könne der Kärntner FPÖ-Chef Erwin Angerer aber nicht erfüllen. Und auch nicht Herbert Kickl. "Der ist ein bissl zu ruppig und zu plump, keine Eleganz und kein Charme wie der Jörg Haider", sagt der Sozialpsychologe. Gut, eine gewisse Furchtlosigkeit verkörpere auch Herbert Kickl. "Er sagte ja, man muss nur Entwurmungsmittel nehmen und an die frische Luft gehen, dann bekommt man kein Corona. Die Botschaft dahinter: Wenn ihr mir folgt, braucht ihr keine Angst zu haben, Corona ist nur eine Art von Grippe", sagt Ottomeyer.

Kickls Hand

Auch der aggressive Ton Kickls komme natürlich gut an. "Er traut sich, grobe Unwahrheiten zu sagen, nur weil es Spaß macht, solche Unwahrheiten und Grobheiten auszusprechen und gegen Unterlegene, Minderheiten und Schwache zu hetzen. Diese böse Seite hatte auch Haider", erinnert Ottomeyer.

Man habe Haider zwar auch als "Lady Diana" bezeichnet, "er hatte aber auch eine bösartige, verleumderische Seite, hat Menschen fälschlich beschuldigt und ganze Gruppen verunglimpft. Auch das machte seinen Anhängern Spaß, da mitzugehen. So wie sie über die bösen Witze lachten, weil es ihr Führer sozusagen erlaubte. In den Witzen der Rechten werden immer Minderheiten und Schwache lächerlich gemacht", sagt Ottomeyer.

Kickl habe aber gewisse Eigenschaften nicht: "Er ist auch nicht im physischen Sinne anziehend oder beeindruckend. Man möchte ihm nicht unbedingt lange seine Hand halten oder von ihm umarmt werden. Bei Haider waren die Kärntner doch stolz, ihm mindestens einmal die Hand geschüttelt zu haben."

Bleibt die Haider-Legende Teil der Landeskultur? "Es kommt darauf an, wie sehr der Kult gepflegt wird. Für viele FPÖ-Getreue war Haider ein Popstar, und die bewahren oft jahrzehntelang den Mythos. So gesehen ist es denkbar, dass Haider noch lange in Kärnten weiterleben wird", prophezeit Ottomeyer. (Walter Müller, 23.2.2023)