Helle Farben, Korbmöbel, ein Surfbrett und jede Menge Macramé-Blumenampeln – die Einrichtung des Restaurants Oio Poke im siebenten Wiener Bezirk soll tropisches Urlaubsflair suggerieren. Spätestens angesichts des Neonschriftzugs "You had me at Aloha" werden die letzten Zweifel an dem Hawaii-Motto ausgeräumt. Passend dazu gibt es unter den leuchtend pinken Lettern allerlei vegane Zutaten, die zu den beliebten hawaiianischen Poke-Bowls zusammengestellt werden. Hinter dem Tresen steht Hendrik Genotte. Der Chef persönlich schaufelt Süßkartoffeln, Kimchi-Gurken und veganes "Huhn" in die Schüssel. Die Gäste im Lokal werfen ihm verstohlene Blicke zu und tuscheln aufgeregt: "Schau, das ist Hank Ge!"

Der Chef selbst steht hinter dem Tresen seines Restaurants Oio Poke.
Foto: Heribert Corn

Hank Ge – diesen Spitznamen verwendet der 34-jährige Unternehmer auch für sein Instagram-Profil, dem rund 400.000 Personen folgen. Sein Content dreht sich hauptsächlich um vegane Ernährung, verkauft wird aber auch Hank Ge selbst. Der gebürtige Deutsche entspricht der Ästhetik, die auf Social Media zieht: gewinnendes Lächeln, perfekt trainierter Körper, gebräunte und tätowierte Haut. Sein Markenzeichen ist seine eindrucksvolle Lockenpracht.

Instagram als Businessmodel

Klar, man kann Hank Ge als Influencer bezeichnen. Wer aber ein bisschen Zeit mit ihm verbringt, merkt schnell, dass man es in erster Linie mit einem gewieften Geschäftsmann zu tun hat. So habe er auch sein Insta-Profil vor rund zehn Jahren nicht aus bloßer Eitelkeit gegründet, sondern weil er eine "Business-Opportunity" darin sah: "Ich bemerkte, dass es hauptsächlich Frauen waren, die mit Bewerbung von Produkten auf Instragram ihr Geld verdienten. Männer gab’s in dem Feld damals aber kaum. Das empfand ich als Chance." Mittlerweile bewirbt Hank Ge auf seinem Profil hauptsächlich seine eigenen Projekte: die Lokale, aber auch Kosmetik- und Modeartikel. Außerdem betreibt er eine kleine Werbeagentur und ist als Immobilienentwickler tätig. Wie viel Gewinn all das abwirft, verrät er nicht. Aber finanziell braucht man sich eher keine Sorgen um Hendrik Genotte zu machen.

Locken, Tattoos, gebräunte Haut: Hank Ges Aussehen entspricht der Ästhetik, die auf Social Media zieht.

Aufgewachsen ist er in einem Dorf nahe Köln mit drei älteren Schwestern, die genau wie die Eltern im pädagogischen Bereich tätig sind. Der kleine Bruder Hendrik aka Hank schlug einen anderen Weg ein: Er wurde Investmentbanker. Glücklich machte ihn sein Beruf aber nicht. Er gönnte sich eine Pause, bereiste mit einem "Work and Travel"-Visum Australien und ging dort kleinen Jobs nach.

Nach einem Zwischenstopp in Südostasien kehrte Hank in seine Heimat zurück, aber nicht in seinen ursprünglichen Beruf. "Wenn du nach so einer Reise ein Gefühl der Erleuchtung erlebst, kannst du nicht zurück in die gewohnten Strukturen", sagt Hank Ge. Die Entscheidung im Jahr 2010, nach Wien zu gehen, war eine pragmatische. Es habe sich nach Heimat angefühlt, ohne wirklich Heimat zu sein. Er studierte BWL an der Wirtschaftsuniversität und machte sich mit dem Start-up Lieferei selbstständig. So richtig warm wurde er anfangs aber nicht mit der Stadt. Doch mittlerweile fühle er sich richtig wohl hier.

Neustart in Wien

Er wohnt im siebenten Bezirk in einer Dachgeschoßwohnung. Die Einrichtung ähnelt der Dekoration seines Restaurants, das nur einen Steinwurf entfernt ist. Hank Ge steht in der offenen Wohnküche, verrührt Matchapulver mit etwas Wasser und gießt das Ganze mit geschäumter Milch auf. "Ich trinke keinen Kaffee mehr. Der machte mich immer latent nervös", sagt er. Er steht jeden Tag vor sechs Uhr auf und meditiert erst einmal, anstatt gleich aufs Handy zu schauen. Das wäre nämlich pures Gift für das Nervensystem. Auch vor dem Schlafengehen um 22 Uhr habe er sich ein Bildschirmverbot auferlegt. Dabei steht vor seinem Bett ein riesiger Fernseher. Den schalte er aber maximal einmal im Monat ein, sagt Hank Ge.

Zu Hause heißt es: Schuhe aus und entspannen.
Foto: Heribert Corn

Fad wird ihm jedenfalls nicht. Er ist in zahlreiche Unternehmungen involviert. Als Gastronom will er sich nicht bezeichnen, dafür fehle es ihm an Fachwissen, sagt er. Trotzdem laufen seine Lokale bestens: Der samstägliche "Bali-Brunch" im Oio Poke ist in der Regel über Wochen im Voraus ausgebucht. Auch seine Speakeasy-Bar Fitzcarraldo, die man über einen Getränkeautomaten betritt, platzt aus allen Nähten, und seine vegane Pizzeria Wolke ist ebenfalls meist gutbesucht.

Fokus auf alles

Darüber hinaus verkauft Genotte unter dem Label "Wild Sky" Hemden, Hosen, Kimonos und Tücher – ganz dem Boho-Style entsprechend, den er auch selbst pflegt. Für all jene, die sich nicht nur wie Hank Ge kleiden wollen, sondern auch seiner Lockenmähne nacheifern möchten, hat der Geschäftsmann natürlich ebenfalls etwas in petto: Vor kurzem lancierte er die Haarpflegelinie Bali Curls, erhältlich bei Bipa.

Der samstägliche "Bali Brunch" im Oio Poke ist meist über Wochen hinweg ausgebucht.
Foto: Heribert Corn

"Mein unternehmerischer Rat an andere lautet: Macht es nicht wie ich", kommentiert Hendrik Genotte sein breites Portfolio. Die Bandbreite mache es schwierig, das volle Potenzial auszuschöpfen, weil er sich nicht auf ein Projekt fokussieren könne. Selbstverständlich ist Hank Ge keine One-Man-Show. Bei allen Unternehmungen mit von der Partie ist Businesspartner Yüksel Türkmen. Je nach Geschäftsfeld holen sie sich entsprechende Fachleute an Bord.

Bei der Bar Fitzcarraldo ist das zum Beispiel Sammy Walfisch, der auch die Cocktailbar Moby Dick betreibt. Teil seines Erfolgs sei, dass er für jedes Projekt eine gewisse Leidenschaft hege, sagt Genotte. So könne man auch andere begeistern und mitreißen. Aber ganz so romantisch verklärt sieht die Realität dann doch nicht aus. Wenn die Zahlen nicht stimmen, ist die Passion zweitrangig. Auf die Frage, ob er sich etwa vom Oio Poke trennen würde, wenn der "Bali-Brunch" keinen Profit mehr brächte, kommt ein klares Ja. Derzeit handelt es sich dabei aber ohnedies um ein rein fiktives Gedankenspiel.

Um seine üppigen Locken zu bändigen, kann der Unternehmer auf seine eigene Haarpflegelinie zurückgreifen.
Foto: Heribert Corn

Wohnen wie Hank Ge

Konkreter wird’s gleich ums Eck von besagtem Lokal. Dort ist gerade der neueste Streich von Genotte und Yüksel im Entstehen. Sie renovieren einige Wohnungen über die ganze Stadt verteilt, richten sie der Hank-Ge-Ästhetik entsprechend ein und vermieten sie um 120 bis 250 Euro pro Nacht. "Bali Living" wird das Ganze heißen. Synergien mit Bali Brunch und Bali Curls sind aufgelegt. Bereits in sechs Wochen sollen die ersten Apartments fertig sein. Der Arbeiter auf der Baustelle blickt skeptisch drein, als er das hört. Noch liegt in der Wohnung, die wir besichtigen, Schutt herum. Es muss noch viel getan werden, bis sie instagramable aussieht.

Die Renovierung läuft auf Hochtouren, denn in sechs Wochen soll das Apartment fertig sein.
Foto: Heribert Corn
Wo jetzt noch Schutt herumliegt, sollen bald Gäste empfangen werden. "Bali Living" nennt sich das neue Konzept, mit dem sich Hank Ge in die Hotellerie wagt.
Foto: Heribert Corn

Apropos Instagram: Wie geht Hank Ge mit Kritik auf Social Media um? Denn trotz der mehreren Hunderttausend Fans gibt es auch Menschen, die ihm weniger gewogen sind. "Es sind vor allem Männer. Häufige Kritik betrifft mein Äußeres, vegane Ernährung und mein Influencertum", sagt Hendrik Genotte. "Früher hat mich das kaltgelassen, heute macht es mich traurig. Es betrifft ja nicht nur mich, sondern auch viele ganz junge Menschen, die auf Social Media präsent sind und sich von wildfremden Leute kritisieren lassen müssen. "Ich verstehe nicht, dass man sich extra die Zeit nimmt, um negatives Feedback zu geben." Er selbst beschäftige sich lieber mit positiven Dingen. Und natürlich seinen vielen Projekten. (Michael Steingruber, 22.2.2023)