Im Gastblog berichten Bernhard Woytek und Daniela Williams über die Forschung an Münzen und die dadurch erlangten Erkenntnisse über vergangene Perioden.

Der Großteil aller heute bekannten antiken Edelmetallmünzen stammt aus Hortfunden, die auch einen beträchtlichen materiellen Wert repräsentieren: Ein spektakuläres Beispiel ist ein Schatz von mehr als 2.600 römischen Goldstücken des ersten und zweiten Jahrhunderts nach Christus, der 1993 bei Bauarbeiten in Trier entdeckt wurde und jetzt im Rheinischen Landesmuseum verwahrt wird. 2019 scheiterten Diebe bei ihrem Versuch, die Münzen, die Millionen Euro wert sind, zu stehlen.

Hortfund von römischen Goldmünzen, Trier-Feldstraße.
Foto: Rheinisches Landesmuseum Trier, Th. Zümer., CC BY-SA 3.0

Mehr als nur Gold und Silber

Für Geschichtsbegeisterte liegt der wahre Wert alter Münzen aber nicht in ihrem Metall oder Marktpreis: Wer eine antike Prägung zwischen Daumen und Zeigefinger hält, hält ein Stück Geschichte in der Hand. Am unmittelbarsten lässt sich das anhand der "EID MAR" Münzen nachempfinden, die von Julius Caesars Adoptivsohn Brutus geprägt wurden. Als einer der Anführer der Verschwörer erinnerte er mit dem Rückseitenbild, einer Freiheitsmütze zwischen zwei Dolchen, an den politischen Mord an Caesar an den Iden des März 44 vor Christus, also am 15. dieses Monats nach römischer Zählung: Die Münzinschrift gibt dieses Datum in Abkürzung an.

Denar des Brutus, Münzkabinett Berlin.
Foto: Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin, Reinhard Saczewski, Public Domain Mark 1.0

Wie das Beispiel der "EID MAR"-Stücke zeigt, können Münzen zwar als Einzelzeugnisse betrachtet werden, aber erst durch eine Analyse im Kontext entwickeln sie ihre volle Aussagekraft, etwa als Quelle für Geldumlauf und Geldwesen in der Antike.

Wissen in verschiedenen Medien

Der hohe Quellenwert antiker Münzen wurde bereits im Spätmittelalter erkannt. Die Numismatik kann also auf eine besonders lange Forschungsgeschichte zurückblicken, deren Studium es der heutigen Wissenschaft erlaubt, einen Überblick über die allmähliche Entwicklung des Fachs zu gewinnen. Neben gedruckten Quellen spielen dabei ungedruckte Dokumente aus Archiven – besonders auch Briefe – eine entscheidende, bisher nicht entsprechend gewürdigte Rolle.

Aus diesem Grund widmet sich die internationale Initiative Fontes Inediti Numismaticae Antiquae (Fina) der Sammlung, Bearbeitung und Publikation handschriftlich erhaltener Dokumente zu antiken Münzen, die vor circa 1800 entstanden sind. Das Projekt wird von der Académie royale de Belgique und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften koordiniert und steht unter der Patronanz der Union Académique Internationale (UAI). Es verfügt über eine Wiki-Datenbank, die frei im Netz zugänglich ist und ständig erweitert wird.

Die antike Münzkunde in Wien

Die Anfänge der Numismatik in Wien liegen im Späthumanismus: Wolfgang Lazius, bekannt vor allem als Verfasser der ersten gedruckten Stadtgeschichte Wiens (erschienen 1546), beschäftigte sich intensiv mit antiken griechischen und römischen Münzen. Doch erst im 18. Jahrhundert, in der Zeit der Aufklärung, entwickelte sich Österreich dann dauerhaft zu einem wissenschaftlichen Zentrum der Münzkunde. Maßgeblich waren dafür jesuitische Wissenschafter wie etwa Erasmus Frölich, die seit den 1730er-Jahren zahlreiche Bücher zur antiken Numismatik publizierten und antike Münzen auch zum Gegenstand wissenschaftlichen Unterrichts in ihren Kollegien machten.

Joseph Eckhel: "Vater der antiken Numismatik"

Der berühmteste Numismatiker, den Österreich hervorgebracht hat, wuchs in dieser jesuitischen Tradition der wissenschaftlichen Münzkunde auf: Joseph Eckhel, geboren 1737, widmete sich seit den 1760er-Jahren intensiv der Numismatik. 1774 wurde er von Maria Theresia zum Direktor des antiken Münzkabinetts der kaiserlichen Sammlungen sowie zum Professor für "Altertümer und historische Hilfsmittel" an der Universität Wien berufen.

Von 1792 bis zu seinem Todesjahr 1798 veröffentlichte Eckhel in Wien in lateinischer Sprache ein achtbändiges Werk, das die Wissenschaft von griechischen und römischen Münzen auf eine neue Grundlage stellte, die "Doctrina numorum veterum" ("Lehre von den alten Münzen"). Er präsentierte darin ein neues Ordnungssystem für diese Prägungen und fasste das damalige Gesamtwissen zu antiken Münzen kritisch zusammen. Seit dem 19. Jahrhundert wurde Eckhel wegen seiner bahnbrechenden Forschungen als "Vater der Numismatik" bezeichnet und in Wien als numismatischer "Hausheiliger" verehrt, ohne dass eine vertiefte Auseinandersetzung mit seinem Werk stattfand.

Medaille auf Joseph Eckhel, 1837.
Foto: Westfälische Auktionsgesellschaft

Eckhel im Zentrum aktueller Forschungen

Ars critica numaria, Cover.
Foto: Verlag der ÖAW

Seit etwa zehn Jahren wird das an der Abteilung Altertumswissenschaften des Österreichischen Archäologischen Instituts der Österreichischen Akademie der Wissenschaften nachgeholt. Das Studium der wissenschaftlichen Korrespondenz Eckhels, die aus verschiedenen in- und ausländischen Archiven und Bibliotheken rekonstruiert wurde – unter anderem dem Kunsthistorischen Museum Wien – ermöglichte eine Analyse des internationalen Netzwerks, in dem Eckhel Informationen mit Kollegen in Italien, Frankreich, Deutschland oder auch in der heutigen Türkei austauschte.

Im Herbst 2022 erschien der Sammelband "Ars critica numaria". Er enthält zwanzig Aufsätze zu verschiedenen Aspekten von Leben, Werk und Wirkung des Wissenschafters. Schwerpunkte liegen etwa auf einer Kontextualisierung Eckhels im Rahmen der jesuitischen Numismatik oder einer Vergleichsanalyse seiner Arbeit mit dem Werk anderer wichtiger österreichischer Forscher (zum Beispiel Lazius und Frölich). Weitere Themen sind die Rekonstruktion einer prägenden Forschungsreise Eckhels nach Italien, die ihn 1772/73 nach Bologna, Rom und Florenz führte, sowie die Entstehungsgeschichte seiner "Doctrina", die ursprünglich den Titel tragen sollte, unter dem der Sammelband erschien – man könnte ihn mit "Kritische Auseinandersetzung mit Münzen" wiedergeben. (Bernhard Woytek, Daniela Williams, 23.2.2023)