Wo könnte man im ORF sinnvoll sparen – abseits von RSO und ORF Sport Plus? An den Firmenpensionen nur schwer, sagt das Arbeitsrecht.

Foto: Imago / Sepa Media Martin Juen

Wien – Warum spart der ORF just an Kultur und Sport und Streaming? Könnte er nicht an anderen Stellen weniger sichtbar für das Publikum sparen? Das Sparprogramm des ORF kappt die Budgetmittel für RSO, ORF Sport Plus als Rundfunkkanal, für Flimmit, Fidelio. Warum nicht zum Beispiel bei seinen beachtlichen Pensionsrückstellungen, die zuletzt die "Krone" ins Spiel brachte und DER STANDARD einordnete? DER STANDARD bat die auf Arbeitsrecht spezialisierte Rechtsanwältin Kristina Silberbauer um eine sachliche Einschätzung.

Thema: Alte ORF-Verträge

Der ORF versichert auf Anfrage: Natürlich habe man die Möglichkeit von Eingriffen in diese Regelungen geprüft. Aber: Sie basieren auf früher abgeschlossenen Einzelverträgen mit den jeweiligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die heute nicht mehr abgeschlossen würden. Der ORF hat schon vor mehr als zwei Jahrzehnten auf Pensionskassen umgestellt (und damals für den Umstieg massiv geworben).

Der ORF wies in seiner Bilanz 2021 Rückstellungen von 118,3 Millionen für Pensionen aus (zudem 157,4 Millionen für Abfertigungen und 21 Millionen für nicht konsumierte Urlaube). Die Pensionsrückstellungen lagen 2011 noch bei 165,3 Millionen. Sie gehen seither stetig zurück.

Erst ab 1996 hat der ORF Kollektivverträge, und inzwischen mehr als eine Handvoll unterschiedlicher KVs über die Jahre, wobei die bestehenden beim Abschluss von neuen Kollektivverträgen nicht angetastet wurden.

Bis 1996 wurden Beschäftigungsverhältnisse nach der sogenannten Freien Betriebsvereinbarung (FBV) abgeschlossen, die im Grunde dem Abschluss von Einzelverträgen mit den Beschäftigten entspricht – und ohne das Einverständnis der Beschäftigten nur schwer veränderbar ist. Nach der alten Freien Betriebsvereinbarung dürften noch wenige hundert der rund 3.000 direkt im ORF Beschäftigten angestellt sein.

Die "unechte" Betriebsvereinbarung

Die Wiener Rechtsanwältin Kristina Silberbauer schreibt beim STANDARD den Blog Klartext: Arbeitsrecht. Sie kann die rechtliche Bedeutung von "unechten" Betriebsvereinbarungen grundsätzlich erklären. Es handelt sich um Betriebsvereinbarungen, die zu dem darin geregelten Thema im Gesetz oder Kollektivvertrag gar nicht vorgesehen sind. Sie führen zu Ansprüchen, wie wenn sie im Dienstvertrag geregelt wären.

Die Herausforderung an einer solchen "unechten" Betriebsvereinbarung: Wenn die Betriebsvereinbarung selbst keinen Änderungsvorbehalt oder eine Befristung enthält, wird eine einseitige Änderung schwierig. Silberbauer: "Wenn ein Arbeitnehmer in einem Arbeitsvertrag einen Anspruch hat, kann ich ihm oder ihr den nicht einfach wegnehmen. Dafür brauche ich die Zustimmung des oder der Betroffenen."

Eine mögliche Eskalation wäre – bei den noch nicht Pensionierten – eine Änderungskündigung, sagt Silberbauer. Aber: Das geht nur bei jenen, die man auch kündigen kann. Neben Betriebsratsmitgliedern, Menschen in Elternteilzeit oder Menschen mit Behinderung ist das vor allem bei älteren Arbeitnehmern oder solchen mit vereinbarten Kündigungsbeschränkungen schwierig. Ältere Arbeitnehmer könnten eine solche Kündigung wegen Sozialwidrigkeit anfechten, sagt Silberbauer: "Das kann eine Prozesslawine auslösen."

Gerichte orientierten sich bei der Frage der Sozialwidrigkeit einer solchen Kündigung am bestehenden Einkommen der Betroffenen – und wie schnell Arbeitnehmer dieses Einkommensniveau anderswo erreichen könnten.

Bei den vergleichsweise hohen ORF-Gehältern – im Schnitt lagen sie 2020 laut Rechnungshof bei brutto 85.900 Euro – keine einfache Aufgabe. (fid, 22.2.2023)