Computergestütztes Lernen ist in vielen Schulen bereits gelebte Realität.

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ChatGPT ist derzeit noch kein Musterschüler, so viel scheint nach der Bewertung computergenerierter Antworten auf Matura-Aufgaben klar. DER STANDARD hat mit Lehrkräften gesprochen, wie sie ChatGPT im Unterricht einsetzen, wo dessen Grenzen sind und wie man mit Falschinformationen umgeht – etwa wenn ChatGPT behauptet, dass Donald Trump wiedergewählt wurde.

Falsche Informationen, selbstbewusst formuliert

Für den Einsatz im Unterricht sind vor allem falsche Informationen, die ChatGPT in seine Antworten verpackt, ein ernstzunehmender Faktor. Alexandra Wölfer unterrichtet Englisch und Geschichte am Anton-Krieger-Gymnasium Wien und erinnert sich an einen expliziten Fall aus dem eigenen Unterricht. Gemeinsam mit einem Schüler habe sie den Chatbot aufgefordert, einen kurzen Text über Donald Trump zu verfassen. In der erstellten Antwort war die Information zu lesen, "dass Donald Trump der erste amerikanische Präsident war, der wiedergewählt wurde, was nicht stimmt", erinnert sich Wölfer.

Im konkreten Fall konnten ihre Schülerinnen und Schüler den Fehler entdecken, "da sie das entsprechende Wissen hatten". Derartige Vorfälle zeigen, wie wichtig es ist, dass die Lernenden schon bald einen kritischen Umgang mit künstlicher Intelligenz lernen und die Antworten auf ihre Richtigkeit überprüfen.

Quellenrecherche: Glaubwürdig oder nur erfunden?

Wölfer sieht es als die Aufgabe der Lehrerinnen und Lehrer, ChatGPT in der Klasse objektiv zu beleuchten und klarzumachen, dass "das Ergebnis nur so gut sein kann wie die Quellen dahinter". Diese kritisch zu bewerten sei eine wichtige Kompetenz, die junge Menschen in ihrer Schullaufbahn erwerben sollen. Der Einsatz von ChatGPT eigne sich, um Schülerinnen und Schüler "Informationen überprüfen zu lassen" und "Recherchekompetenz zu schulen".

Natürlich ist es im Umgang mit einem Sprachmodell wie ChatGPT verlockend, das Programm einfach nach den verwendeten Quellen zu fragen. Laut Wölfer funktioniere das aber "manchmal gut, manchmal nicht". Besonders problematisch ist außerdem die Beobachtung, dass ChatGPT bedarfsweise Referenzen einfach erfindet. Dieses Phänomen entdeckte unter anderem Teresa Kubacka, eine Datenforscherin aus Zürich, als sie von ChatGPT einen Essay zu ihrem Forschungsthema schreiben ließ. Zwar lieferte der Chatbot eine Reihe von Quellenangaben, bei der Überprüfung stellte Kubacka allerdings fest, dass die Referenzen offenbar erfunden waren. In der Schule ist es also unerlässlich, die jungen Lernenden auf derartige Vorfälle vorzubereiten und ihnen das notwendige Handwerkszeug für die Bewertung von Quellen mitzugeben.

Teresa Kubacka ließ ChatGPT einen wissenschaftlichen Essay schreiben. Dabei wurden Quellen erfunden, aus denen das Programm unbeirrt zitierte und sogar Passagen "zusammenfasste".

Digitale Grundbildung: KI als Übungsmöglichkeit für Urheberrecht

Mit dem heurigen Schuljahr ist an Mittelschulen und AHS-Unterstufen der Pflichtgegenstand Digitale Grundbildung eingeführt worden. Eine der Lehrerinnen für das neue Schulfach ist Alicia Bankhofer vom Anton-Krieger-Gymnasium in Wien-Liesing. Sie sieht den Einsatz von ChatGPT für als sinnvolle Übungsmöglichkeit im Umgang mit Urheberrecht. "Wenn die Schülerinnen und Schüler digitale Tools kennen und nutzen, dann muss auch der Umgang damit gelernt werden", meint Bankhofer. Wichtig sei, den Lernenden klarzumachen, dass es darum gehe, eigene Gedanken zu präsentieren. Bei Präsentationen oder Referaten verlangt Bankhofer daher zumindest drei Quellen, die inklusive Datum angeben werden müssen.

Verzerrung und Verkürzung: Problem oder Lebensrealität?

ChatGPT – und textbasierte Computermodelle im Allgemeinen – stehen vor allem wegen voreingenommenen, rassistischen oder sexistischen Antworten in der Kritik. Im Unterrichtsfach Geschichte kommt hier noch das Risiko möglicher historischer Verzerrung hinzu. Als Geschichtslehrerin ist sich Wölfer dieser Gefahr bewusst. Da die Antworten des Chatbots oft eine Zusammenfassung komplexer Sachverhalte darstellen, ist es laut Wölfer umso wichtiger, Schülerinnen und Schüler "darauf aufmerksam zu machen und den kritischen Umgang mit diesem Output zu lehren".

Dennoch merkt sie an, dass junge Menschen nicht in einem geschützten Raum leben und auch außerhalb der Schule, insbesondere in den sozialen Medien, mit historischen Inhalten konfrontiert seien, beispielsweise "mit aktuellen Kriegsvideos oder Verschwörungstheorien". Es sei die Aufgabe der Lehrpersonen, diese Themen im Unterricht anzusprechen und "auch den Aspekt der Perspektive" aufzugreifen.

Datenschutzbedenken beim Umgang mit Sprachmodellen

Deutschlehrer Markus Hader beschäftigt beim Umgang mit ChatGPT vor allem auch das Thema Datenschutz. Ähnlich wie das Management von Amazon, das eine Weitergabe sensibler Daten an OpenAI befürchtet, äußert auch er Bedenken bezüglich der "Metaebene solcher Programme". Denn die zugrundeliegenden wirtschaftlichen Interessen eines – wie im Fall von ChatGPT – kostenlos verfügbaren Chatbots sind nicht immer klar. "Warum ist das Programm kostenlos? Wie sieht es mit Urheberrechten aus?", fragt sich Hader vor diesem Hintergrund. Auch inwiefern es bereits existierende – "auch staatliche" – Regulierungen gibt, beschäftigt ihn beim Umgang mit entsprechenden Computermodellen.

Wie KI den Lehrkräften das Leben erleichtern kann

Dass künstliche Intelligenz nicht nur das Leben der Schülerinnen und Schüler, sondern auch jenes der Lehrpersonen erleichtern kann, geht in aktuellen Debatten oft unter. Alicia Bankhofer zählt hier sicherlich zu den Vorreiterinnen, sie nutzt eine Vielzahl an Tools für die Unterrichtsvorbereitung und "sonstige Schreibarbeiten". Abgesehen von ChatGPT habe sie schon "jenni.ai, Education CoPilot aber auch andere Tools wie DeepL, DeepL Write" und LanguageTool ausprobiert und damit sehr positive Erfahrungen gemacht. "Oft ist es eine Hilfe für meine eigenen Gedanken, eine Inspiration oder die Vervollständigung einer Idee", resümiert sie ihren Arbeitsprozess. Die Ergebnisse sind die Basis für ihren weiteren Arbeitsverlauf, werden auf ihre Richtigkeit geprüft und letztendlich ihrem Stil entsprechend abgeändert.

Auch Wölfer nutzt ChatGPT für bestimmte Aufgaben. So eigne es sich beispielsweise für die Erstellung von Vokabelübungen, Szenarien für Rollenspiele oder um Pro-und-Kontra-Debatten zu entwerfen – "wobei es auch sehr repetitiv ist". Für inhaltliche Aufgabenstellungen nutzt sie das Tool aber weniger.

KI-gestützte Lernhilfen für Schülerinnen und Schüler

Abseits von ChatGPT nutzen auch zahlreiche Lern-Apps künstliche Intelligenz. Die Anton App, Duolingo und Quizlet sind nur einige Beispiele von Tools, mit denen Schülerinnen und Schüler lernen können und sofort Feedback auf ihre Eingaben erhalten. "In Zukunft wird es alltäglich sein, dass Schülerinnen Grammatik-Check-Tools, Wortlisten-Generatoren oder Feedback-Tools nutzen, um ihre Sprachkenntnisse zu verbessern", meint Alicia Bankhofer.

Auch für die Zukunft hat sie schon Pläne: Demnächst möchte sie Speech-To-Text und Text-To-Speech im Unterricht ausprobieren. Sie sieht darin eine Möglichkeit, Sprachkompetenz zu fördern, weil die Schülerinnen und Schüler hier sehr genau arbeiten und "präzise Texteingaben machen" müssen. (Lisa Haberkorn, 23.2.2023)