In der aktuellen Debatte über die zukünftige Finanzierung des ORF wurde ein wesentlicher Lösungsansatz bislang vernachlässigt: Einnahmen durch Schadenersatzklagen.

Als Ausgangspunkt für diese könnte der Befund des ORF-Redakteursrats über den ORF-Stiftungsrat dienen: "Das Bundesverfassungsgesetz über die ‚Sicherung der Unabhängigkeit des Rundfunks‘ sieht die ‚Unabhängigkeit der Personen und Organe‘ vor. Auch wenn einzelne Mitglieder des Stiftungsrates versuchen, gute Arbeit zu leisten, und sich für das Wohl des Unternehmens einsetzen, in Summe lässt die Organisation in parteipolitischen ‚Freundeskreisen‘ schwere Zweifel an der Unabhängigkeit aufkommen."

Die Sache mit den Landeshauptleuten

Natürlich ist "schwere Zweifel an der politischen Unabhängigkeit des Stiftungsrates" als Euphemismus vergleichbar mit "schwere Zweifel an der Scheibenform des Planeten Erde". Aber gleichermaßen richtig wie wichtig ist der Hinweis auf die vom Stiftungsrat ignorierte Verfassung. Es gibt bereits eine Verfassungsklage, in der das offensichtliche Zuwiderhandeln dieses nur notdürftig getarnten Polit-Gremiums gegen die in der Verfassung festgeschriebene Sicherung der Unabhängigkeit des Rundfunks dokumentiert wird.

Interessanterweise fehlt in der Klage aber ein Punkt, in dem der Stiftungsrat sogar gegen seine eigene gesetzliche Grundlage verstößt: die Sache mit den Landeshauptleuten. Die haben bei der Bestellung von ORF-Landesdirektoren ein Anhörungsrecht. Was sie nicht haben, ist ein Mitsprache- oder gar ein Entscheidungsrecht. Das war ihnen aber bislang egal.

Dass bei der Politikferne im ORF noch ganz viel Luft nach oben ist, bewies erst kürzlich das Landesstudio Niederösterreich. Dort trat der Landesdirektor zurück.
Foto: APA / Roland Schlager

Politische Realität

Wiens Ex-Bürgermeister Michael Häupl hat unlängst bei einem Podiumsgespräch offen eingestanden, dass er das Gesetz falsch interpretiert hat. Das sei passiert, weil es in der politischen Realität einfach so üblich war. Eine klassische Argumentation à la: "Herr Inspektor, ich hab gar nicht dran gedacht, dass dort ein Halteverbot sein könnte, weil es sind schon so viele dort gestanden."

Das mag nachvollziehbar sein, aber jetzt wäre es an der Zeit – um beim Bild des Halteverbots zu bleiben –, dass der Abschleppwagen kommt. Sprich: Alle ORF-Landesdirektoren-Posten, deren Besetzung der jeweilige Landeshauptmann entschieden oder mitentschieden hat, sind neu auszuschreiben.

Interne "Selbstzerfleischung"

Und das müsste auch für die ORF-Stiftungsräte gelten, die laut Gesetz verpflichtet sind, ihr Amt "an keine Weisungen und Aufträge gebunden und mit derselben Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit wie ein Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft" zu erfüllen. Was sie mehrheitlich nicht tun, weshalb sie der ORF in Berufung auf Paragraf 20, Absatz 2 des ORF-Gesetzes juristisch zur Verantwortung ziehen müsste.

Es ist also nicht korrekt, den Stiftungsrat in seiner jetzigen Form als sinnlos zu bezeichnen, denn er erfüllt sehr wohl einen Zweck: dem ORF zu schaden.

Nicht nur FPÖ und ÖVP, auch die SPÖ scheint damit kein Problem zu haben. Ihr Stiftungsrat Heinz Lederer bezeichnete die Infragestellung des Stiftungsrates durch ORF-Redakteure als "Selbstzerfleischung". Ein medizinischer Irrtum. Das Entfernen einer Warze kann zwar einen Schnitt ins eigene Fleisch bringen, ist aber definitiv keine Selbstzerfleischung.(Florian Scheuba, 22.2.2023)