Hektische letzte Tage im Wahlkampf: Peter Kaiser tourt durchs Land, amtiert kurz im Büro, telefoniert und gibt Interviews.

Foto: FERDINAND NEUMÜLLER

Peter Kaiser hat sich einen Wahlkampfmarathon auferlegt. Jeden Tag eine andere Station in Kärnten, 42 in Summe. Kaiser weiß, dass viel auf dem Spiel steht, nicht nur für ihn in Kärnten, wo er den Landeshauptmannsessel mit einem Ergebnis jenseits der 40-Prozent-Marke verteidigen muss, sondern auch für die Bundes-SPÖ, für Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner. Beim kurzen Zwischenstopp im Landeshauptmannbüro in Klagenfurt für das STANDARD-Interview ärgert sich Kaiser über die jungen Blauen, will über alte Feinde und die Führungsdebatte in der SPÖ eher nichts mehr sagen. Er freut sich über die großen ökonomischen Zukunftsperspektiven für Kärnten durch den Koralmtunnel und beantwortet auch interessiert eine Frage von ChatGPT.

STANDARD: Alle bisherigen Umfragen deuten darauf hin, dass Sie als Landeshauptmann bestätigt werden. Ein Politiker aber hat bereits angekündigt, er werde Sie sicher nicht wählen. Es ist der ehemalige SPÖ-Politiker und jetzige Chef des Teams Kärnten, Gerhard Köfer – ein potenzieller Koalitionspartner. Was hat er eigentlich gegen Sie? Alte Rechnungen?

Kaiser: Das kann nur er beantworten. Es hat mich auch verwundert, dass er das in dieser Deutlichkeit gesagt hat. Eine wirkliche Begründung dafür hat er mir eigentlich nie gegeben. Vielleicht versucht er, einen Gegenpol zu mir aufzubauen. Aber ehrlich gesagt, viel nachgedacht habe ich darüber noch nicht. Es gibt wichtigere Dinge im Leben.

STANDARD: Sein Grant rührt vielleicht noch aus jener Zeit, als er seinerzeit gegen Sie als SPÖ-Chef antreten wollte und dabei gescheitert ist.

Kaiser: Das sind vielleicht seine Gefühle.

STANDARD: Kärnten muss im Gegensatz zu den anderen Bundesländern laut Statistik Austria weiterhin mit einer abnehmenden Bevölkerungszahl und weiterer Abwanderung der Jungen rechnen. Das klingt dramatisch.

Kaiser: Seit 2013, seit ich Landeshauptmann bin, hat man uns immer ein Sinken der Bevölkerungszahl vorausgesagt. Bisher konnte es jedes Mal widerlegt werden. Natürlich haben wir es mit einem Braindrain zu tun. Was aber nie berücksichtigt wurde: Es gibt auch einen Rückfluss. 2020 und 2021 gab’s eine positive Entwicklung. Mehr Österreicher und Österreicherinnen zogen nach Kärnten, weniger wanderten ab. Zuzug gab es vor allem aus der Steiermark und Wien. Es sind noch nicht viele, es ist aber immerhin eine Trendumkehr. Und das Überraschende dabei: Es sind junge Menschen mit großteils akademischer Ausbildung.

STANDARD: Warum zieht man nach Kärnten?

Kaiser: Viele kommen aus familiären Gründen, gefolgt von beruflichen, weil bei uns jetzt viele gutbezahlte Jobs vorhanden sind im Unterschied zu früher. Der Strukturwandel brachte viele Führungspositionen mit sich, auch im mittleren Management. Wo wir Aufholbedarf haben, ist in Berufen der Dienstleistungen und natürlich bei den Fachkräften. Wir haben über die FH genauer die Motive abgefragt. Da haben wir Topwerte in den Bereichen Kinder – wir haben ja ein Kinderstipendium geschaffen – und Bildung und Betreuung. Das hat enorme Anziehungskraft vor allem für jene Jungen, die zu uns kommen. Auch die Wohnsituation ist günstig. Wir haben den geringsten Quadratmeterpreis österreichweit. Weniger gut bewertet wird bei uns noch der öffentliche Verkehr. Das muss dringend angepackt werden. Der Ausbau der Öffis hat Priorität.

STANDARD: Hier spielt ja auch das große Infrastrukturprojekt der Koralmbahn hinein. Viele könnten da wieder nach Graz wegpendeln.

Kaiser: Die Koralmbahn ist sicher eine Jahrhundertchance, wo der zweitgrößte Zentralraum nach Wien und Umgebung entsteht, mit 1,1 Millionen Einwohnern. Es wird dort ein Bevölkerungswachstum bis zu 2,7 Prozent geben. Das ist genau das, was wir benötigen. Deshalb kann das auch einen weiteren Abzug relativieren.

STANDARD: Stichwort Infrastruktur und Verkehr: Eine der wenigen Aufreger im Wahlkampf war der Flughafen, der nicht ins Fliegen kommt. Die ÖVP will den teilprivatisierten Airport zurückkaufen. Wird es 2025 noch einen Flughafen Klagenfurt geben?

Kaiser: Ich gehe davon aus, dass es einen Flughafen geben wird. Ein Schleifen, ein Rück- oder Abbau oder gar ein Auflassen würde enorme Werteverluste mit sich bringen. Der Klagenfurter Airport hat eine der günstigsten Voraussetzungen: Stadtnähe, Autobahn- und Bahnanschluss, ein Logistikcenter, Widmungen, Hubschrauberlandeplätze. In dieser Konstellation bekommt man das nie wieder. Ich bemühe mich seit Jahrzehnten um den Flughafen, aber es sind so viele Gräben zwischen den Beteiligten entstanden, auch persönliche. Einen Flughafen in einer aufstrebenden Region mit diesen infrastrukturellen Perspektiven zum Streitthema zu machen ist einfach kontraproduktiv und töricht.

STANDARD: Sind die 120-Millionen-Euro-Pläne eines südlichen großen Stützpunkts des Verteidigungsministeriums am Airport nun endgültig vom Tisch?

Kaiser: Scheint so. Das ist eine große Chance, die vergeben wurde durch die Handlungsunfähigkeit der Beteiligten. Ich habe ja leider keine Richtlinienkompetenz in der Causa.

STANDARD: Vonseiten der Opposition, aber auch innerhalb der SPÖ hört man immer wieder, Sie würden ohnehin nur die Hälfte der Periode machen und dann übergeben – oder nach Wien gehen. Ist da etwas dran?

Kaiser: Ich weiß nicht, was ich in Wien machen soll. (lacht) Ich habe nicht vor, irgendwelche großen anderen Dinge zu machen. Ich kandidiere für diese Periode, und wenn ich das sage, dann mach ich es auch.

STANDARD: Die jungen Blauen haben die slowenische Minderheit wieder in die Schlagzeilen gebracht. Wie virulent ist das Thema heute noch? Es schien, es sei beigelegt, es sei nun Ruhe im Land.

Kaiser: Ich würde das auch so sehen. Es zeigt einen unlauteren Versuch, hier etwas, das vor 30 oder 20 Jahren vielleicht noch gewisse Emotionalisierungen gebracht hätte, wieder hochzuziehen. Die Sache gehört der Vergangenheit an und lässt die Jungen ganz, ganz alt aussehen.

STANDARD: Der Großteil in Kärnten ist laut Umfragen für Rot-Türkis als beliebteste Variante. Ist mit einer Fortsetzung dieser Koalition zu rechnen?

Kaiser: Es hat natürlich viele Vorteile, dass man einander kennt. Und dass in Summe auch Widersprüchlichkeiten in einer adäquaten Art und Weise bearbeitet werden konnten. Das ist sicher eine Referenz, da brauchen wir nicht groß herumreden. Aber was ich trotzdem immer tue: Ich werde Gespräche der Reihe nach mit allen Parteien führen, auch mit jenen, die nicht in den Landtag kommen.

STANDARD: Ich hatte auch beim KI-Onlinetool ChatGPT nachgecheckt, was die künstliche Intelligenz von Peter Kaiser wissen will. Eine Frage davon lautete: "Was hat Sie eigentlich inspiriert, eine Karriere in der Politik anzustreben?"

Kaiser: Nichts, es hat mich nichts inspiriert. Ich habe nie eine Karriere angestrebt. Ganz im Gegenteil. Ich war immer ein politischer Mensch, habe mich aber in der gesetzgebenden Körperschaft wohlgefühlt. Als ich in die Regierung quasi musste, das war damals, als Gaby Schaunig aufgrund des permanenten Bashings Haiders gegen sie und ihre Familie resignierte. Da musste ich innerhalb von ein paar Stunden entscheiden, für sie in die Landesregierung zu gehen. Und meinen damaligen Beruf, ich war Geschäftsführer des Jugendherbergsverbands mit 80 Beschäftigten, aufgeben. Dann: Haider war auf dem Weg zur Absoluten, schließlich der Todesfall, und für uns gab’s daraufhin ein noch schlechteres Ergebnis als zu Haiders Zeiten. Ich konnte nicht mehr zurück.

STANDARD: Dann folgten ja auch die schweren innerparteilichen Konflikte.

Kaiser: Ich hätte jeden Parteivorsitzenden unterstützt, aber dann ist Reinhard Rohr abgeschossen worden, und dann hat’s diese Mehrfachkonflikte gegeben, die ich gar nicht näher ausführen möchte. Dann habe ich mich, auch auf Zutun meiner Mutter, einer Reinigungsfrau, entschieden, es zu machen und für den Parteivorsitz zu kandidieren. Damalige Gegner haben es mir schlichtweg nicht zugetraut, was ich nachvollziehen kann: der Intellektuelle, der Theoretiker und Linke, der immer philosophiert. Der ist nicht volksnah, der kann mit den Leuten nicht. Aber es gelang, und das mit einem tollen Team, die Partei aus der Krise zu führen.

STANDARD: Was zur aktuellen Krise führt: Ist in absehbarer Zeit eine Lösung des Konfliktes zwischen Doskozil und Rendi-Wagner machbar? Jetzt hat sich sogar der steirische Alt-Landeshauptmann Franz Voves zu Wort gemeldet und den Wiener Bürgermeister Michael Ludwig als neuen SPÖ-Chef vorgeschlagen.

Kaiser: Ich äußere mich gar nicht mehr dazu. Ich konzentriere mich auf Kärnten. Ein respektables Kärntner Wahlergebnis hilft der SPÖ am meisten. Ich verweise lediglich darauf, was uns in Kärnten gelungen ist. Wir haben hier über 24 Jahre hindurch gestritten und waren uns uneinig, aber dann als Team erfolgreich. Wir haben in Kärnten versucht zu beweisen, dass man einen innerparteilichen Konflikt lösen kann. (Walter Müller, 23.2.2023)