Der Verbund bietet Kunden Strom zu 100 Prozent aus Wasserkraft. Durfte er seine Preise dennoch erhöhen?

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"Österreichischer Strom zu 100 Prozent aus Wasserkraft" – mit diesem Slogan wirbt der Energiekonzern Verbund bereits seit Jahren um Kundinnen und Kunden. Dass das Unternehmen Anfang Mai dennoch seine Preise an die europäische Energiebörse anpasste und damit satte Gewinne einfährt, sorgte beim Verein für Konsumenteninformation (VKI) für Unverständnis – so sehr, dass er gegen die Klausel, auf der die Anpassung beruhte, mit Unterstützung des Sozialministeriums vor Gericht zog.

Wie am Donnerstag bekannt wurde, dürfte sich das Vorgehen ausgezahlt haben – zumindest vorerst. Aus Sicht des Handelsgerichts Wien war die Klausel zur Anpassung des Stromarbeitspreises für die Verbraucher "überraschend und nachteilig". Damit fällt die Rechtsgrundlage für die Preiserhöhung im Mai 2022 weg. Laut VKI muss der Verbund die zu viel verrechneten Entgelte im Ausmaß der Erhöhung rückerstatten. Davon betroffen sind rund 150.000 bis 200.000 Stromverträge.

Eine genaue Zahl wollte der Verbund auf Anfrage des STANDARD am Donnerstag nicht nennen. Man werde jedenfalls gegen das Urteil des Handelsgerichts berufen, eine endgültige Entscheidung stehe daher noch aus. Zu erwarten ist, dass in letzter Instanz die Richterinnen und Richter am Obersten Gerichtshof (OGH) über den Fall urteilen. Bis dahin könnte es ein bis zwei Jahre dauern.

"Kein Verhältnis zu tatsächlichen Kosten"

Konkret geht es um die Preiserhöhung, die der Verbund im März 2022 ankündigte und die per 1. Mai 2022 schlagend wurde. Der Konzern stützte sich dabei auf eine Klausel in den Verträgen, die Preiserhöhungen auf Basis des Österreichischen Strompreisindex (ÖSPI) ermöglicht. Laut dem Handelsgericht ist für Verbraucher nicht klar gewesen, dass diese Wertsicherungsklausel nicht nur die allgemeine Inflation ausgleichen soll, sondern sich am oftmals deutlich höheren Großhandelspreis orientiert. Sie sei deshalb "überraschend und nachteilig" gewesen.

Inhaltlich beanstandete der VKI zudem, dass die Preiserhöhungen in keinem Verhältnis zu den tatsächlichen Kosten des Verbunds standen. Wer damit werbe, Strom aus österreichischer Wasserkraft zu produzieren, dürfe seine Preise nicht einfach an das Niveau der Energiebörse anpassen, das stark vom Gaspreis abhängig ist. Das Handelsgericht ist diesen Argumenten nun gefolgt: Bei Erhöhungen müsse das ursprüngliche Wertverhältnis zwischen der Leistung des Unternehmens und der Geldleistung der Verbraucher möglichst korrekt beibehalten werden. Das soll "Zufallsgewinne" zugunsten einer Vertragspartei verhindern.

Eigener Härtefallfonds

Der Verbund hatte vergangenen Juni betont, dass die Vertragsklausel "gesetzeskonform" sei und im Einklang mit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung stehe. Man biete Kundinnen und Kunden zudem Vergünstigungen wie zwei Monate Gratisstrom an und habe einen Härtefallfonds eingerichtet. Mittlerweile wurde dieser Fonds deutlich erweitert. "Betroffene können und sollen sich dort melden", betont der Verbund auf Anfrage des STANDARD. Bisher werde die Möglichkeit kaum genutzt. Anspruchsberechtigt sind Menschen, die in Zahlungsschwierigkeiten sind. Dafür müssen sie zum Beispiel eine GIS-Befreiung vorlegen oder nachweisen, dass sie Sozialhilfe empfangen.

Im Jänner 2023 hat der Stromkonzern so wie viele andere Unternehmen übrigens eine weitere Preiserhöhung angekündigt, die am 1. März 2023 schlagend wird. Der Arbeitspreis für Bestandskunden mit Standardlastprofil im Haushaltssegment steigt dann auf 23,9 Cent netto pro Kilowattstunde (kWh). Vom aktuellen Urteil ist diese Preiserhöhung aber nicht betroffen. Der Verbund hat die Vertragsklauseln mittlerweile angepasst. (Jakob Pflügl, 23.2.2023)