Instagram, Tiktok und Snapchat und die damit verbundene Selbstinszenierung erzeugen Schönheitsideale, die nicht zu erfüllen sind.
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Soziale Medien haben die Art, wie wir kommunizieren und uns informieren für immer verändert. Neben vielen positiven Aspekten wie gesteigerter sozialer Interaktion und Kreativität befeuerten Plattformen wie Facebook Hassrede und Fake News. Auf den stärker visuellen Plattformen wie Instagram, Tiktok oder Snapchat wiederum führt die gefilterte Selbstinszenierung vielfach zu einer geschönten und idealisierten Repräsentation der Welt, die in der Realität kaum zu erreichen ist.

Das trifft insbesondere auf die vermittelten Schönheitsideale zu, die vor allem Heranwachsende stark unter Druck setzen. Während Schönheit-OPs bei Teenagern stetig im Steigen begriffen sind, konnten auch wissenschaftliche Studien den negativen Effekt der idealisierten Bilder- und Videoflut auf die Körperwahrnehmung und die Psyche von jungen Menschen nachweisen. Zuletzt etwa bestätigte eine Untersuchung der USI Università della Svizzera italiana, dass die Nutzung von Instagram ein negatives eigenes Körperbild bei jungen Frauen fördert, vor allem wenn diese über ein höheres Körpergewicht verfügen.

Instagram, Tiktok und Snapchat einschränken

Eine am Donnerstag veröffentlichte Studie im Fachjournal Psychology of Popular Media zeigt jetzt, dass schon eine Reduzierung der Social-Media-Nutzung von nur wenigen Wochen einen spürbaren positiven Effekt auf die mentale Gesundheit von Jugendlichen und jungen Erwachsenen haben kann. Wie die Forschenden rund um Studienautorin Helen Thai von der McGill University in Kanada herausfanden, waren die positiven Effekte auf das eigene Körperbild sowohl was Aussehen als auch Gewicht betrifft, bereits nach drei Wochen selbstauferlegter Einschränkung deutlich messbar.

Für das Experiment wurden 220 junge Menschen zwischen 17 und 25 Jahren ausgewählt und über einen Zeitraum von vier Wochen beobachtet. Nach der ersten Woche, die als Referenzzeitraum diente, waren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer angehalten, ihre Nutzung von Instagram, Facebook, Tiktok, Snapchat und Twitter auf maximal eine Stunde pro Tag einzuschränken. Messaging-Dienste und Videoplattformen wie Youtube waren weiterhin uneingeschränkt erlaubt. Die Verwendung der einzelnen Apps musste täglich per Screenshot der Handy-Systemauswertung dokumentiert werden.

Weniger Insta, Tiktok und Snapchat verbesserte auch die positive Selbstwahrnehmung von männlichen Jugendlichen.
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Tatsächlich konnten die Teilnehmenden – drei Viertel davon waren weiblich – ihre tägliche Nutzung von im Schnitt knapp 170 Minuten auf 80 Minuten mehr als halbieren. Während sich bei einer Kontrollgruppe, die weiterhin unlimitierten Zugang zu Social Media hatten, im Studienzeitraum keine Veränderungen ihrer mentalen Verfassung zeigten, waren die Effekte bei der Gruppe mit reduzierter Social-Media-Nutzung in geringem bis mittlerem Ausmaß eindeutig nachweisbar. Die positiven Effekte der eigenen Selbstwahrnehmung traten unabhängig vom Geschlecht auf.

Pubertät besonders heikle Periode

"Die Pubertät ist eine Periode, in der Heranwachsende besonders verletzlich sind, was Probleme mit dem eigenen Körperbild, Essstörungen und psychischen Erkrankungen betrifft", erklärt Studien-Mitautor Gary Goldfield vom Children's Hospital of Eastern Ontario Research Institute. Jugendliche, die bis zu acht Stunden am Tag im Internet und damit auch auf Social-Media-Plattformen verbringen, würden täglich mit hunderten bis tausenden Fotos konfrontiert.

Die Internalisierung unerreichbarer Schönheitsideale, die von Promis, Models, Influencerinnen und Fitnessgurus vermittelt werden, würde zu einer größeren Unzufriedenheit mit dem eigenen Körpergewicht und Aussehen führen, sagt Goldfield.

Ungeachtet der im Vergleich zur Kontrollgruppe überraschenden Ergebnisse warnen die Forschenden vor voreiligen Schlüssen. Denn diverse Untersuchungen hätten auch gezeigt, dass nicht alle Jugendlichen von den negativen Einflüssen der Social-Media-Nutzung betroffen seien. Ähnlich wie bei der erwähnten Instagram-Studie dürften vor allem junge Menschen besonders angreifbar sein, die ohnehin schon mit einer labilen Psyche, Depressionen und anderen mentalen Vorerkrankungen zu kämpfen haben und über eingeschränkte soziale Kontakte verfügen.

Nicht jeder junge Mensch gleich betroffen

Für die aktuelle Studie entschieden die Forschenden daher, nur Personen zu berücksichtigen, die mental entsprechend vorbelastet waren und gleichzeitig Social Media intensiv nutzten. Die Ergebnisse seien für diese besonders vulnerable Gruppe folglich besonders relevant. In weiteren Untersuchungen müsse nun geklärt werden, ob der Effekt auch bei längerer Abstinenz von Social Media anhalte oder sich sogar noch verstärke. Gleichzeitig schlagen die Forschenden vor, besser herauszufinden, welche Aspekte der Social-Media-Nutzung für die Selbstwahrnehmung besonders problematisch sind.

Frühere Studien hätten gezeigt, dass visuelle Plattformen wie Instagram, Tiktok oder Snapchat den eigenen Fokus auf als problematisch empfundene Körperregionen deutlich verstärkten, während das bei Plattformen wie Facebook oder Twitter, die Bild- und Textbeiträge in den Postings vereinen, weniger stark ausgeprägt war.

"Die Social-Media-Nutzung gezielt zu reduzieren könnte eine geeignete Maßnahme sein, um recht kurzfristig einen positiven Effekt bei der eigenen Körperwahrnehmung zu erzielen. Das sollte daher für den Einsatz bei Therapiemaßnahmen näher evaluiert werden", folgert Goldfield. (Martin Stepanek, 24.2.2022)