Im Gastblog schreibt Christian Allner darüber, wie der Einsatz von Kryptowährungen die Arbeitswelt der Finanzbranche verändern könnte.

Nach dem Crash der FTX-Cryptobörse war für einige klassische Sparer und Sparerinnen klar: Das war eben nur eine Phase und diese digitalen Vermögenswerte werden sich nicht durchsetzen. Die Europäische Zentralbank (EZB) hebt ja den Leitzins auch wieder an und damit braucht man diesen ganzen digitalen Krams gar nicht.

Doch während die Banken durchaus von den Entwicklungen profitieren, haben Sparer und Sparerinnen derzeit noch wenig davon. Gerade jetzt könnten aber Systeme mit Künstlicher Intelligenz (KI) den Markt stark verändern – Österreichs Bankensektor befindet sich seit Jahren im Umbruch, aber ausgelöst vom Hype um ChatGPT könnten sich neue Trends etablieren.

KI als Technologietrend

KI-Anwendungen gelten schon jetzt als der Technologietrend des Jahres 2023. Allen voran Tools wie DALL-E, Midjourney oder der bekannte Text-Bot ChatGPT haben für viel Wirbel gesorgt und werden uns wohl auch in Zukunft als Teil des technologischen Kanons begleiten.

Das Neukomponieren von kreativen Werken ist zwar besonders öffentlichkeitswirksam, deckt aber nur einen kleinen Teil der Einsatzmöglichkeiten ab. Für die Finanzbranche ist im Speziellen das Zusammenwirken mit Kryptowährungen von großem Interesse. Szenarien gibt es bereits unzählige: Vom Kryptobot, der selbstständig tradet, bis zum dezentral organisierten Datennetzwerk aus verschiedenen AI-Tools. Die ersten AI-Coin-Projekte starteten bereits im Jahr 2017. Ein gutes Beispiel ist die Währung Numerai, die als KI-gestützter Hedgefonds konzipiert ist. Künstliche Intelligenzen könnten zukünftig auch durch das sogenannte "Blockchain Pruning", das für eine bessere und damit Speicherplatz sparende Skalierung der Blockchains sorgt, zu mehr Einsparungen führen.

Ersetzt durch die Maschine? 

Doch was verändert sich durch den Einsatz von KI-Systemen im Bankenwesen? Wie sieht generell die Zukunft der Finanzbranche und damit auch der dortigen Arbeitswelt aus? Macht Künstliche Intelligenz demnächst alle Bankerinnen und Banker arbeitslos?

Das beschäftigt die Gesellschaft nicht nur heute, sondern war auch schon vor hundert Jahren und mehr ein großes Thema. Seien es die Zunft-Handwerker, die sich durch das Aufkommen der Manufakturen im 16. Jahrhundert bedroht sahen, oder niederländische Arbeiter, die im 19. Jahrhundert ihre harten Holzschuhe (fanzösisch sabot) in die Läufe von Maschinen warfen, um sie zu stoppen. (Daher stammt der Ausdruck "sabotage".) Sehr publikumswirksam wurde diese Frage durch Charlie Chaplins Film "Modern Times" von 1936 dargestellt, wo Chaplins berühmte Figur des "Tramp" während der unmenschlichen Arbeit in der Fabrik auf komische Weise in Zahnräder gerät und anderes Erstaunliches erlebt. Genau so wird heute über die Vorteile, aber vor allem auch die Gefahren von KI diskutiert.

Charlie Chaplin

Mobile-Payment und Krypto auf dem Vormarsch

In Österreich vertrauen die Menschen weiterhin auf Bargeld und klassische Sparprodukte liegen nach wie vor hoch im Kurs. Gleichzeitig wird aber auch das Mobile-Payment in Österreich wie auch in Deutschland immer beliebter. Hierzu gehören im weiteren Sinne alle digital abgewickelten Bezahloptionen, zu denen sowohl gefragte Zahlungsdienstleister wie PayPal oder Apple Pay als auch dezentralisierte Zahlungsmittel, also Kryptowährungen und ähnliche Assets, zählen. Als Ursachen gelten einerseits der florierende Onlinehandel und andererseits der Komfort, den Online-Zahlungen mit sich bringen.

Verändert Bitcoin und die damit zusammenhängende Technologie auch die Arbeitswelt?
Foto: imago images/McPHOTO/blickwinkel

Langfristig setzen sich nach den Gesetzen des Marktes nur technische Lösungen durch, die den Anforderungen der Kundschaft entsprechen. Trotz aller Zweifel aus den Reihen der Kryptokritiker und Kryptokritikerinnen birgt besonders die Blockchain-Technologie, auf denen Krypto-Coins basieren, viel ungenutztes Effizienzpotenzial. Nicht nur schließt die dezentralisierte Datenarchitektur viele Einfallstore für Hacker und Hackerinnen, sie beschleunigt auch die Abwicklung von Transaktionen.

Gesellschaftliche und berufliche Veränderungen

Neben der Inflation sorgen aktuell vor allem hohe Energiepreise für Unmut und immer weniger Österreicher und Österreicherinnen vertrauen darauf, dass sich die Situation demnächst bessert. Krypto und KI sind also nette Gedankenspiele - aber verändern sie die Welt?

Laut einer Imas-Umfrage blicken besonders junge Menschen eher pessimistisch in die Zukunft. Rund 55 Prozent der befragten Personen gaben an, ihre Chancen im Vergleich zur eigenen Elterngeneration als schlechter einzuschätzen. Ein seriöser Kreditvergleich ist daher oft die erste Anlaufstelle, um sich doch noch den Traum vom Eigenheim oder der Traumreise verwirklichen zu können. Die zugleich ausbleibenden Zinsen auf das Ersparte machen außerdem die Aufnahme von Krediten zu Investitionszwecken deutlich attraktiver.

In den letzten Jahren lag der Fokus vieler risikofreudiger Investorinnen und Investoren eben auf Kryptowährungen wie Bitcoin und ähnlichen digitalen Vermögenswerten wie zuletzt NFTs. Im Hinblick auf die Zukunftsfähigkeit von Kryptowährungen fällt aber schnell auf: Bitcoins und ähnliche Werte verbrauchen sehr viel Energie. Damit lässt sich eher feststellen: Die Kryptowährungen sind effektiv, aber nicht effizient, da sie mit den vorhandenen Ressourcen – in diesem Fall Strom – nicht sparsam umgehen.

Wie verändern nun Krypto und KI die Arbeitswelt?

Kaum ein Trend hat in den letzten Jahren für so viel Aufsehen gesorgt wie die Blockchain-Technologie. Für einige ist es nur eine glorifizierte Excel-Tabelle, andere sehen darin die Zukunft der Finanzwelt, der Arbeitswelt und vom Vertragsabschluss. Allerdings ist die Blockchain-Technologie gerade erst ihren Kinderschuhen entwachsen und der Hype um Künstliche Intelligenz, wie zuletzt ChatGPT, zieht auch an der Kryptoszene nicht spurlos vorüber. Banken könnten davon profitieren und neue Arbeitsplätze im Bereich der KI-Entwicklung und -Implementierung entstehen. Bereits jetzt gibt es Stellenausschreibungen etwa für Data Architects beziehungsweise Datenarchitekten und Datenarchitektinnen, die Informationen aus dem Bankwesen zusammenfassen und Daten aufbereiten, etwa für Investitionen oder Darlehensvergaben. Auch sogenannte Prompt Architects werden mit dem Aufkommen von KI-Systemen wie ChatGPT relevanter, denn die modernen KI-Systeme geben nur gute Antworten, wenn die Fragen und Eingaben auch hochwertig sind. Eine mögliche Sternstunde für Geisteswissenschafter und Geisteswissenschafterinnen mit Nebenfach Finanzwesen.

Gleichzeitig werden andere Jobs wegfallen. Gerade in dezentralen Bankunternehmen mit vielen Standorten wird bei der Beratung in der Filiale künftig wohl eher ein Bot als ein Mensch tätig sein. Auch bei typischen Outsourcing-Tätigkeiten wie Callcentern oder Service-Zentren werden künftig wohl mehr maschinelle als menschliche Mitarbeiter eingesetzt werden. In der Belletristik geht man sogar noch einen Schritt weiter: Im utopischen Roman "Pantopia" der deutschen Schriftstellerin Theresa Hannig wird ein Trading-Bot programmiert, der versehentlich ein Bewusstsein entwickelt. In der Realität setzen seit mehreren Jahren bereits Banken vermehrt auch auf Robo Advisor, die ebenfalls Investitionsprognosen basierend auf statistischen Hochrechnungen abgeben.

Eine starke KI ist für uns zwar noch kein Thema, aber der Anfang des Romans beschäftigt sich mit einem Wettbewerb, bei dem Bots programmiert werden, die an der Börse besser Handel treiben sollen als menschliche Trader. Das ist ein wahrscheinliches Zukunfts-Szenario, denn sobald der Mensch bei einer Arbeit ersetzbar ist, wird der Mensch auch irgendwann ersetzt.

Viele Trends wirken zusammen

Danke, dass Sie bis hierhin gelesen haben. Ich habe in diesem Beitrag viele Gedankenfäden eröffnet, die aber alle zusammenhängen. Konkret:

Früher hat das Finanzsystem für sich funktioniert. Die italienische Medici-Bankiersfamilie oder die nordeuropäische Hanse haben Handel und damit auch Zahlungsverkehr in zurückliegenden Jahrhunderten transformiert. Haben australische Banken beim Währungswechsel vom Britischen Pfund auf den Australischen Dollar in den 1960ern noch zwei volle Werktage alle Filialen landesweit geschlossen, war der Wechsel auf den Euro 2002 ein vergleichsweise einfache Angelegenheit. Heutzutage tauschen wir Währungen über Zahldienstleister wie Paypal, eps oder Giropay im Minutentakt und Crypto-Anbieter erlauben es uns sogar. komplett unabhängig von staatlichen Währungen (sogenanntes Persilgeld) agieren zu können. All das basiert auf Software.

Meine Prognose: Gerade in allen IT-bezogenen Arbeitsfeldern werden sich neue Möglichkeiten auftun. Data-Analysten gibt es heute bereits, künftig werden auch Studiengänge geschaffen zu Themen wie Finanzinformatik oder KI-Handel. Die klassische Betriebswirtschaftslehre wandelt sich (wie heute bereits erkennbar) in eine Computerwirtschaftslehre. Dann werden KI-Systeme und Bitcoins ein ganz reguläres Thema für die Zwischenprüfung in der Ausbildung sein. (Christian Allner, 14.4.2023)

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