Das Bundesheer soll mehr bieten können als schmissige Marschmusik am Nationalfeiertag: Seit in Europa wieder Panzer rollen, darf die Armee auf Einkaufstour gehen.

Foto: Imago / Sepa.Media / Isabelle Ouvrard

Es ist Imagepflege, die ohne teure Kampagne auskommt. Seit einem Jahr sind Offiziere des Bundesheeres Dauergäste im Fernsehen, um die Lage in der Ukraine zu erklären. Sie erledigen die Aufgabe so, wie man es von Vertretern einer abgewirtschafteten Institution nicht unbedingt erwarten müsste: höchst professionell.

Die gelungenen Medienauftritte sind nur ein Beitrag zu einem beispiellosen Popularitätsaufschwung. Seit in Europa plötzlich wieder Panzer rollen und Granaten fliegen, wissen mehr Österreicherinnen und Österreicher denn je die Existenz einer Armee zu schätzen. Laut APA-OGM-Index ist das Vertrauen ins Heer nach dem Ausbruch des Krieges emporgeschossen. Nur die Polizei genießt noch mehr Zuspruch.

Das schlägt sich in barer Münze nieder. Dümpelte das Heeresbudget über Jahre auf nur mehr notdürftig existenzsicherndem Niveau dahin, verheißt die Zukunft ein massives Plus: Bis 2032 sollen 16,6 Milliarden Euro für Investitionen in das Bundesheer fließen.

Dass sämtliche Parlamentsparteien von links bis rechts dafür sind, wertet Armeesprecher Michael Bauer als echten Paradigmenwechsel. "In Sonntagsreden gab es immer Bekenntnisse zum Heer, doch davon konnten wir uns nichts kaufen", sagt er. Nun aber winke das höchste Budget in der Zweiten Republik.

Gefühl für Bedrohung verloren

Warum erst jetzt, wo Heeresvertreter doch schon seit vielen Jahren beklagen, aus dem letzten Loch zu pfeifen? In den für Europa mit Ausnahme der Balkankriege friedlichen Jahren nach dem Fall des Eisernen Vorhangs sei "das Gefühl für Bedrohungsszenarien" verlorengegangen, sagt Friedrich Ofenauer, Wehrsprecher der fast pausenlos regierenden ÖVP. Vor der Ukraine-Krise hätte es in der Wählerschaft wenig Verständnis für Investitionen in die Rüstung gegeben, und das habe sich in politischen Entscheidungen niedergeschlagen: "Parteien brauchen den Rückhalt der Bevölkerung."

"Wir haben uns in falscher Sicherheit gewogen", bekennt SPÖ-Pendant Robert Laimer. Hätte der Angriff Russlands nicht die Augen geöffnet, würde das Heeresbudget wohl weiter auf bescheidenem Niveau "dahintümpeln".

Abspeckpläne ad acta gelegt

Die markanteste Wende haben aber die pazifistisch geprägten Grünen hingelegt. Vor kurzem propagierte die heutige Regierungspartei noch eine auf den Katastrophenschutz konzentrierte Berufsarmee, die sogar mit einem kleineren Budget als bisher auskommen könne. Heute spricht der nunmehrige Wehrsprecher David Stögmüller von unverzichtbaren Investitionen: Jeder private Arbeitgeber könnte verklagt werden, wenn er seiner Belegschaft eine derart ungenügende Ausrüstung zumute, wie es das Bundesheer tue.

In welche Geräte beispielsweise Geld fließen soll, hat Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) in der Vorwoche angekündigt. Sie plant, die beiden Panzerflotten zu modernisieren, auf dass diese bis weit hinein ins nächste Jahrzehnt in Betrieb bleiben könnten. Eine Nachrüstung winkt auch den als Eurofighter bekannten Abfangjägern, außerdem zeichnet sich die Anschaffung von Trainingsflugzeugen mit leichter Bewaffnung ab.

Umstrittene Notwendigkeit

Sind diese Ausgaben aus grüner Sicht tatsächlich zwingend? Schließlich lässt sich trotz aller Kriegsschrecken auch argumentieren, dass sich die Bedrohungslage für Österreich nicht wirklich geändert habe. Ein Angriff auf die Republik oder eines der benachbarten, eine lückenlose Barriere bildenden Nato-Länder scheint äußerst unwahrscheinlich.

Es gehe um eine Revitalisierung, sagt Stögmüller: Für eine echte Aufrüstung, die irgendwelche Kriegsspielereien erlaube, würden die Mittel sowieso nicht reichen. Er hätte zwar erst lieber eine Debatte über die sicherheitspolitische Strategie geführt, doch daran habe Koalitionspartner ÖVP kein Interesse gehabt. Dass nun das Verteidigungsressort im Alleingang eine Einkaufsliste fabriziert, "ist leider österreichische Normalität".

Zu verdanken sei es den Grünen aber, dass das Heer über Beschaffungen künftig in regelmäßigen Berichten Rechenschaft ablegen müsse. Als Erfolg sieht Stögmüller in diesem Zusammenhang auch die Aufstockung der Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit.

Kein Verständnis für Panzer

Ist all das in der Partei unumstritten? Aufstand gibt es keinen, wohl aber Kritik. Für Hubschrauber oder die Pioniertruppen seien Investitionen höchst berechtigt, sagt Nikolaus Kunrath, neben Stögmüller das zweite grüne Mitglied der parlamentarischen Bundesheerkommission: "Doch Geld für Panzer, Raketen und Artillerie halte ich nicht in erster Linie für notwendig." Unterm Strich sieht der Wiener Gemeinderatsabgeordnete das Glas aber halbvoll statt halbleer: Am Ja zur Finanzspritze für das Heer will er nicht rütteln.

In den grünen Reihen habe der Ukrainekrieg einiges in Bewegung gebracht, berichtet Kunrath. Habe er früher als "Outlaw" gegolten, der als Einziger mit den misstrauisch beäugten Waffenträgern überhaupt geredet habe, stoße das Bundesheer nun auf Interesse. Und in Debatten der grünen Bildungswerkstatt trage sich Erstaunliches zu: "Die Frage nach der Neutralität Österreichs wird nicht mehr nur mit einem eindeutigen Ja beantwortet." (Gerald John, 28.2.2023)