"Dieser Krieg macht uns alle ärmer", sagt Wifo-Chef Felbermayr.

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Wien/Kiew/Moskau – Der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), Gabriel Felbermayr, hat am Donnerstag mit schlechten Nachrichten aufgewartet, die so in Österreich noch nicht realisiert worden sind. Verglichen zum Jahr 2019 gebe es einen realen Wohlstandsverlust, der nicht nur heuer, sondern auch noch im kommenden Jahr anhalten werde. Gründe sind Nachwehen der Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg, sagte Felbermayr am Donnerstag bei einem digitalen Pressegespräch.

Vereinfacht erklärt ist der Wohlstandsverlust darin begründet, dass trotz eines Anstiegs des Bruttoinlandsprodukts deutlich mehr heimische Produktion zur Bezahlung der Importe aufgewendet werden muss. Zum Beispiel haben sich die Energieimporte aus Russland, die für Österreich immer noch von fundamentaler Bedeutung sind und zuletzt wieder anstiegen, immens verteuert. Das war schon vor Kriegsbeginn der Fall. Seither gibt es immense Spitzen mit Berg- und-Tal-Fahrten der Preise, die grundsätzlich für Unsicherheit in der Wirtschaft sorgen.

Verteilung der Lasten

Aus den Worten Felbermayrs ging sinngemäß hervor, dass im entstehenden Verteilungskonflikt jemand Federn lassen müssen wird. So sagte der Wifo-Direktor: "Eine faire Verteilung der Lasten ist wichtig." Und: Staatliche Maßnahmen, aber auch weitere Lohnsteigerungen oder die diskutierte Mietpreisbremse seien "so zu gestalten, dass starke Schultern mehr von der Last tragen als schwache".

Der Einbruch der real verfügbaren Einkommen passierte schon 2020, so Felbermayr. Das real verfügbare, für Konsum verwendbare Einkommen pro Kopf werde in Österreich auch noch 2024 nur bei etwa 98,8 Prozent des Vorkrisenniveaus von 2019 liegen. Heuer seien es etwa 98 Prozent. Nun gehe es um die Verteilung der realwirtschaftlichen Kosten von Corona und Ukraine-Krieg.

2022 nominell BIP-Rekordwachstum

"Die Realeinkommen sind kleiner geworden, wenn man richtig misst", sagte Felbermayr und erläuterte das auf wirtschaftswissenschaftliche Weise. "Nicht alles kann an die Inflation angepasst werden", sagte der Ökonom. "Sonst bleibt die Inflation lange sehr hoch." Daher brauche es Zurückhaltung bei der Inflationsbekämpfung, auch bei einer Mietpreisbremse oder weiteren Lohnsteigerungen, ließ er durchblicken.

2022 gab es nominell – also unbereinigt – ein BIP-Rekordwachstum von 9,9 Prozent. Nach der Standard-Preisbereinigung gab es immer noch ein Plus von 4,7 Prozent. Diese berücksichtigt aber die massive Verteuerung der Importe nicht. Darum bereinigt gab es ein Wachstum von 2,5 Prozent. Durch Zuwanderung etwa durch Ukraine-Vertriebene und einen Bevölkerungsanstieg um etwa ein Prozent betrage das kaufkraftbereinigte Wachstum des BIP pro Kopf im Vorjahr gegenüber 2021 nur mehr 1,5 Prozent. Und so lag es 2022 – nach den Einbrüchen von 2020 – nur bei rund 98 Prozent des 2019er-Wertes, zeigte Felbermayr.

Irgendwo müsse der Wohlstandsverlust realisiert werden, so Felbermayr. "Der Kuchen ist kleiner geworden, es gibt nicht mehr zu verteilen." Freilich müsse darauf geachtet werden, dass die Last möglichst gerecht verteilt werde.

Bei niedrigerer realer Wirtschaftsleistung, führe die Anpassung aller Preise und Einkommen (Löhne, Mieten ...) an Inflation nach dem Verbraucherpreisindex (VPI) zu dauerhaft hoher Inflation, so Felbermayr. "Es geht nicht ohne Einbußen bei den Realeinkommen – aber hier braucht es einen sozialen Ausgleich." Auf dem Arbeitsmarkt brauche es eine Lösung des Paradoxons, dass trotz starken Bevölkerungswachstums Arbeitskräfteknappheit herrscht. Bei den Energiepreisen brauche es einen glaubwürdigen, europaweiten Plan, wie rasch genug erneuerbare Energiequellen erschlossen werden können.

In der Außenwirtschaftspolitik sollten die Werte nur Nebenbedingung sein, so Felbermayr, nicht umgekehrt. Es brauche auch ordentliche ordnungspolitische Rahmenbedingungen statt Subventionswettrennen.

"Allgemein wäre es vernünftig gewesen, wenn man nicht den Verbraucherpreisindex zur Inflationsanpassung heranzieht, sondern den BIP-Deflator", erläuterte der Wifo-Direktor. Das ist ein Wert, der die Kostensteigerungen von im Inland hergestellten Gütern und Dienstleistungen misst und sich zuletzt auf 5,2 Prozent belief und nicht wie die Inflation im Vorjahr auf mehr als 8 Prozent. "Wie man das aber umsetzt, da bin ich ratlos ehrlich gesagt", räumte Felbermayr ein.

"Krieg macht uns alle ärmer"

Grundsätzlich hielt Felbermayr weiters fest: "Dieser Krieg macht uns alle ärmer. Und auch die Covid-Folgen sind noch nicht ausgestanden." Die wirtschaftliche Entkoppelung mit Russland – dessen BIP-Zahlen nicht glaubwürdig seien, auch wenn Kriegswirtschaft das BIP immer steigere – sei "in vollem Gange". Der Güterhandel mit der Ukraine sei überraschend resilient.

Die Industrieproduktion in Österreich ist laut den Wifo-Daten trotz der Energiepreisexplosion stabil. Es gibt eine Seitwärtsbewegung. (APA, 23.2.2023)