Zu Beginn der Woche stattete der britische König Charles ukrainischen Truppen im Süden Englands einen Besuch ab.

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Neulich erlaubte sich James Heappey am Flughafen Heathrow einen Spaß. Auf die Frage nach seinem Beruf antwortete der Staatssekretär im britischen Verteidigungsministerium schlicht: "Waffenhändler." Nur kurz habe der Passbeamte gestutzt, erinnert sich der 42-Jährige lächelnd, dann aber das Regierungsdokument erkannt und geantwortet: "Sehr gut, machen Sie weiter so."

Die Anekdote verdeutlicht zweierlei: Auf der Insel gibt es, erstens, einen gesellschaftspolitischen Konsens über die sehr weitreichende Unterstützung der Regierung von Premier Rishi Sunak für die Ukraine. Großbritannien war im vergangenen Jahr der erste europäische Staat, welcher der bedrohten Ukraine Waffen schenkte und damit zur Abwehr des russischen Angriffs auf Kiew beitrug. Inzwischen reisen die Minister und Staatssekretäre Seiner Majestät, zweitens, durch die Welt und koordinieren weitere Hilfslieferungen.

Stillschweigende Kooperation

Lobend erwähnt Heappey etwa die Ex-Kolonien Australien und Neuseeland. Doch seien manche Staaten auch stillschweigend zur Kooperation bereit, "über die Herr Putin sehr wütend wäre", berichtet der Ex-Infanterieoffizier im mächtigen Ministeriumsgebäude an der Themse. "Darunter sind auch solche, die sich bei UN-Abstimmungen über die russische Aggression der Stimme enthalten."

Das vom Club der Auslandspresse FPA organisierte Gespräch des Staatssekretärs mit Korrespondenten aus aller Welt kreist wie die meisten Diskussionen dieser Tage nicht zuletzt um die Frage der Kriegsdauer. Heappey spricht lieber von den russischen Offensiven der vergangenen Tage ("höchstens stockend, eher schon fehlgeschlagen") und dem bevorstehenden Gegenangriff: "Die Ukraine hat weitgehend alles, was sie für eine erfolgreiche Offensive braucht." Über deren Ziele mag der Politiker nicht reden. Lieber schwärmt er vom "unglaublich engen Verhältnis" zu seinen Kollegen im Kiewer Verteidigungsministerium. Auch die Generalstäbe stünden in dauerndem Austausch.

"So lange wie nötig"

Und die Kriegsdauer? "Putin muss scheitern, und die Welt muss das Scheitern sehen. Unsere Unterstützung dauert so lange wie nötig." Heappey bestätigt, es gebe bei den diversen Alliierten unterschiedliche Vorstellungen über die Kriegsziele. Als Ergebnis des Krieges sei jedoch "nur das akzeptabel", was auch Präsident Wolodymyr Selenskyj akzeptieren könne.

Alles Gerede von diplomatischen Initiativen oder bald bevorstehenden Verhandlungen gilt unter Londoner Experten generell als verfrüht. Er sei "pessimistisch, dass der Krieg in diesem Jahr zu Ende geht", berichtet etwa der Ex-Sicherheitsberater Kim Darroch. Ähnlich sehen es auch die Experten des Londoner Strategieinstituts IISS, die vergangene Woche ihr Jahrbuch "Military Balance" vorstellten. Armee-Spezialist Ben Barry betont den Abnutzungscharakter des Krieges. Für eine erfolgreiche Gegenoffensive plane die Ukraine mit mindestens zehn Brigaden, wofür rund 1.000 gepanzerte Fahrzeuge bis hin zu Kampfpanzern benötigt würden. Bisherigen Ankündigungen zufolge wollen westliche Verbündete bis zum Sommer lediglich ein Viertel davon liefern. "Wir müssen ein zweites blutiges Jahr erwarten", glaubt der frühere Brigadegeneral.

Westen auf der Probe

Russlands Angriffskrieg stelle die Widerstandskraft des Westens auf die Probe, analysiert IISS-Direktor John Chipman. Umso wichtiger sei es für die Rüstungsindustrie in Europa, dass sie rasch politische Vorgaben zur dringend nötigen Produktionssteigerung von Waffen und Munition erhält. Partner ebenso wie Kontrahenten von USA und Europa würden, weiß Chipman, "sehr genau darauf schauen, wie dauerhaft die Unterstützung für die Ukraine ausfällt".

Auch deshalb sind Heappey und seine Kollegen und Kolleginnen in der Regierung weltweit viel unterwegs. Stolz verweist der Staatssekretär dann auf die Waffenhilfe, vor allem aber auf die Ausbildung von mehr als 11.000 ukrainischen Soldaten im vergangenen Jahr. 2023 soll diese Zahl annähernd verdoppelt werden. Derzeit sind auch Panzertruppen auf der Insel, die am britischen "Challenger" trainieren. Die bisher zugesagten 14 Panzer könnten "jederzeit" geschickt werden, berichtet Heappey. Mit dem Gerät sei es aber nicht getan; sowohl die Panzertruppe selbst wie auch die begleitende Infanterie müsse intensives Training durchlaufen, damit der Einsatz sinnvoll sei.

Kampfpiloten trainieren

Eine Spezialistenausbildung erhalten auch jene ukrainischen Kampfjet-Piloten, die derzeit im eigenen Land mangels geeigneter Flugzeuge keine Verwendung finden. Auf der Insel sollen sie den Umgang mit hochmodernen Kampfbombern vom Typ Eurofighter/Typhoon lernen. Selenskyjs Wunsch nach westlichen Kampfjets selbst hat London bisher ebenso zurückhaltend aufgenommen wie die meisten Nato-Verbündeten. Man habe nichts versprochen, auch mit anderen Regierungen keine diesbezüglichen Gespräche geführt, unterstreicht Heappey mehrfach.

Dass umgekehrt Russland in der nächsten Phase des Krieges verstärkt Flugzeuge und Helikopter einsetzen will, wie zuletzt häufig zu lesen war, liegt dem IISS-Luftfahrtexperten Douglas Barrie zufolge in der Logik der Kriegsführung. Denn auf die Angriffe mit Raketen und iranischen Drohnen haben sich die Ukrainer mithilfe westlicher Waffen zunehmend eingestellt. Gelang ihnen an einem Oktobertag der Abschuss von 52 Prozent der angreifenden Flugkörper, so lag die Rate Mitte Februar bei 86 Prozent. Zusätzlich erhält Kiew nun die hochmodernen Patriot-Abwehrraketen aus deutschen, niederländischen und US-Beständen. (Sebastian Borger aus London, 23.2.2023)