Die beiden kommen jeweils von der anderen Seite des Mondes. Während der kosovarische Premier Albin Kurti eineinhalb Jahre lang in einem serbischen Gefängnis ausharren musste, weil er zuvor als Studentenführer die Proteste gegen das damalige serbische Regime unter Slobodan Milošević angeführt hatte, war der jetzige Präsident Serbiens, Aleksandar Vučić, gerade Propagandaminister. Heute, Montag, sollen sich die zwei Politiker in Brüssel auf die Grundsätze eines neuen Abkommens zwischen Serbien und dem Kosovo einigen.

Innerhalb weniger Monate sollen dann Details ausgearbeitet werden, gaben EU- und US-Diplomaten bekannt. Das Abkommen soll dazu führen, dass sich die Sicherheitslage – insbesondere im Norden des Kosovo – entspannt und Streitereien künftig weniger leicht eskalieren. Eine Anerkennung des Kosovo durch Serbien wird das Abkommen aber nicht beinhalten, denn dazu ist Belgrad nicht bereit. Der Kosovo hat auch mit einem solchen Abkommen keine Chance, UN-Mitglied zu werden, denn Russland und China würden sicherlich ihr Veto einlegen.

Vielmehr geht es um eine "Zwischen lösung", ein "Einfrieren der Situation", den "Versuch, Serbien vom russischen Einfluss abzuschirmen", und eine "Stabilisierung der Region angesichts des Krieges Russlands gegen die Ukraine", erklären Diplomaten.

Im Norden der Stadt Mitrovica, wo viele Serben leben, wird die Zugehörigkeit zum Staat Kosovo bisher oft negiert.
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Serbien und der Kosovo sollen verein baren, dass sie ihre Konflikte friedlich und ohne Gewalt beilegen, sie sollen "die Unverletzlichkeit der zwischen ihnen bestehenden Grenze" bekräftigen und die "territoriale Integrität" sowie die Gerichtsbarkeit des anderen respektieren. In der Vereinbarung geht es auch darum, dass "keine der beiden Parteien die andere auf internationaler Ebene vertreten" kann, gleichzeitig sollen wechselseitig ständige Vertretungen eingerichtet werden.

Am Montag, wenn Vučić und Kurti in Brüssel zusammenkommen, sind auch die wichtigsten außenpolitischen Berater der deutschen und der französischen Regierung, Jens Plötner und Emmanuel Bonne, dabei – schließlich geht die Initiative von Frankreich und Deutschland aus. Das Abkommen steht auch mit der Schaffung eines serbischen Gemeindeverbands im Kosovo in Zusammenhang, der 2013 vereinbart wurde. Die deutsche Friedrich-Ebert-Stiftung hat dazu einen Vorschlag ausgearbeitet, der mit kosovarischem Recht vereinbar ist. Im Kosovo hat man nämlich die Sorge, dass sich Belgrad über den Verband in innerkosovarische Angelegenheiten einmischen könnte.

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Aber auch Vučić steht stark unter Druck, weil rechtsradikale Gruppen im Land gegen den Vertrag mit dem Kosovo mobilmachen. Diese Gruppen stehen teilweise mit Russland in Verbindung. Auch Alexander Botsan-Chartschenko, Russlands Botschafter in Serbien, wandte sich öffentlich gegen das Abkommen. Er verglich die Brüsseler Vereinbarung mit dem Minsker Abkommen zwischen Russland und der Ukraine. "Heute können wir davon ausgehen, dass die Brüsseler Vereinbarungen höchstwahrscheinlich entstanden sind, um die militärische Ausbildung von Prishtina zu verschleiern", sagte er zu Iswestija. Das Abkommen sei daher Verschleierungstaktik.

Nebenschauplatz Balkan

Der Leiter des Zentrums für Südosteuropa-Studien an der Universität Graz, Florian Bieber, meint, dass es mittlerweile "eine große Herausforderung ist, den Einfluss Russlands auf dem Balkan zu reduzieren". Die Gewaltbereitschaft Russlands und der Antagonismus zum Westen hätten die Bedrohung deutlich aufgezeigt. Es gehe darum, dass Russland nicht in die Lage kommen solle, "auf dem Balkan einen Nebenschauplatz zum Krieg in der Ukraine zu eröffnen", so Bieber.

Die westliche Initiative zu Kosovo und Serbien sei auch darin begründet, "dass der russische Einfluss in Serbien teils mit Russlands Unterstützung für Serbien in der Kosovo -Frage zusammenhängt", erklärt der Historiker und Politikwissenschafter. Man hoffe, dass sich Serbien von Russland distanzieren könnte. "Damit wären die russischen Einfluss möglichkeiten auf dem Balkan dramatisch reduziert."

Dieser Zugang berge allerdings Risiken. "Die Bereitschaft, auf serbische statt auf kosovarische Forderungen einzugehen, ist größer. Dies erhöht die Gefahr eines unausgewogenen Abkommens", warnt Bieber. "Letztlich aber ist in der Region das größte sicherheitspolitische Problem nicht Russland, sondern ein zunehmend autoritäres, nationalistisches und revisionistisches Serbien", resümiert er.

14 MiG-29-Kampfjets

Der kosovarische Premier Kurti weist darauf hin, dass die serbische Regierung im Vorjahr sogar die Koordinierung einer gemeinsamen Außenpolitik mit dem Kreml vereinbart hat. Serbien habe seit 2001 rund um den Kosovo 48 Operationsbasen errichtet. Die Bikergang Nachtwölfe und Verbündete der Wagner-Söldner seien dort zu sehen. In Trebinje in Bosnien-Herzegowina soll ein Flughafen mit Geld aus Serbien gebaut werden, der offenbar keinem zivilen Zweck dient. Serbien habe 14 MiG-29-Jets, davon seien acht von Belarus und sechs von Russland gespendet worden. (Adelheid Wölfl, 26.2.2023)