Vor dem ersten Jahrestag des russischen Großangriffs auf die Ukraine standen die Reden der Präsidenten der mächtigsten Staaten der Welt, Erklärungen aus der chinesischen Führung und Appelle von Wolodymyr Selenskyj im Mittelpunkt der globalen Aufmerksamkeit. Naturgemäß.

Auf der Suche nach Frieden: Uno und OSZE müssen sich mehr als bisher anstrengen.
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Sie sind die zentralen Player mit dem größten Einfluss auf das Kriegsgeschehen. Realpolitisch wird sich zwischen ihnen entscheiden, wie es im ersten europäischen Eroberungskrieg seit 1945 weitergeht; ob und wie er endet.

Die Europäische Union hat keinen Präsidenten, der in dieser Liga mitspielt. Charles Michel ist im Vergleich zu Joe Biden, Wladimir Putin oder Xi Jinping ein machtloser Grüßaugust für die 27 Regierungschefs der EU, die in Sachen Krieg weniger einig sind, als sie behaupten.

Wenig Hoffnung

Nach dem, was Putin von sich gegeben hat und was Biden in Warschau dagegenhielt, besteht wenig Hoffnung, es könnte bald auch nur zu einer Waffenruhe kommen. Der Kreml sieht sich inzwischen im Krieg mit dem ganzen Westen. Washington hält mit den Demokratien der Welt im Rücken dagegen. China spielt ein Doppelspiel von Tarnen und Täuschen. Das ist der Status quo.

Immerhin: Die USA haben Russland diskret und direkt informiert, als Biden im Zug nach Kiew reiste, ohne das auch den Nato-Partnern anzuvertrauen. Das deutet darauf hin, dass doch nicht alle Kanäle zwischen Washington und Moskau – in Politik, Militär und Geheimdiensten – abgebrochen sind.

Umso wichtiger ist es, wenn sich Politik und Diplomatie im Rest der Welt, in den vielen kleinen und mittleren Staaten, gerade an diesem 24. Februar ebenso erkennbar in Szene setzen. Diese Aufgabe hat sich die Welt nach der Katastrophe der NS-Diktatur 1945 mit der Gründung der Vereinten Nationen selbst gestellt: unablässig für den Frieden, die Einhaltung von Völkerrecht und Grundrechten zu kämpfen, initiativ zu werden, laut zu sein. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass die Uno in New York eine außerordentliche Generalversammlung abhielt, mit einer naturgemäß wild umstrittenen Erklärung zum Ukraine-Krieg.

Alte Diplomatenregel

Gleiches gilt für die parlamentarische Versammlung der OSZE in Wien. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit ersetzte 1995 die 1975 gegründete KSZE, hat 57 Staaten: Europa, die USA und die früheren Republiken der Sowjetunion. Kritiker wenden ein, dass diese internationalen Organisationen beim Ukraine-Krieg zahnlos seien, wie oft in Konflikten. Das mag kurzfristig so sein. Aber, alte Diplomatenregel: Frieden macht man mit Feinden, nicht mit Freunden. Es wäre ein schwerer Fehler, den Frieden aus dem Blick zu verlieren.

An Uno und OSZE ist allenfalls zu kritisieren, dass sie sich nicht genug angestrengt haben bei Vermittlung und Verhandlungen. UN-Generalsekretär António Guterres könnte mehr tun. Das gilt auch für die OSZE, unter deren Ägide das Abkommen von Minsk zur Befriedung der Ukraine seit 2014 gescheitert ist.

Es ist positiv, wenn UN- und OSZE-Delegierte sich weiter treffen, das Vorgehen Russlands an den Pranger stellen. Versuche der Ukraine und Polens, Russland aus der OSZE auszuschließen, Österreich als Gastgeberland wegen der Visavergabe anzuprangern, wirken eher kontraproduktiv. So viele internationale Organisationen mit klaren Spielregeln zur Konfliktlösung gibt es nicht. Man wird Uno und OSZE eines Tages brauchen – vielleicht sogar in Genf oder Wien. (Thomas Mayer, 24.2.2023)