Viele verbinden mit der Künstlerin Yoko Ono bis heute nur eines: das Ende der Beatles – und dass sie die Band zerstört habe. Sie wurde zum Hassobjekt.

Illustration: Ūla Šveikauskaitė

Was war das für ein Leben – damals im Paradies! Ohne beengende Kleidung flanieren Adam und Eva durch wunderbare Landschaften, haben nicht einmal eine vage Vorstellung vom "Bösen". Sie verbringen ihre Tage damit, die Tierwelt zu erkunden und von den Früchten aller Bäume zu essen, mit der kleinen Ausnahme dieses einen Baumes.

Die Zeit, bevor Eva alles ruiniert hat, klingt im Alten Testament ziemlich gut. Bevor sie sich von der Schlange dazu verführen ließ, von der verbotenen Frucht am Baum der Erkenntnis zu naschen, und damit das Böse in die Welt kam.

Es ist die erste in einer langen Reihe von Erzählungen über Frauen, die schuld sind. Schuld an dem Unheil, das sie über die Welt bringen. So wie Marie-Antoinette über das französische Volk, Meghan Markle über die britische Monarchie oder Janet Jackson über das familienfreundliche Hauptabendprogramm. Der Argwohn gegenüber Frauen ist uralt – und uns bis heute erhalten geblieben. Viele können sich noch gut erinnern: An die Kommentare, Witzchen, an die schmierigen Anzüglichkeiten über Frauen, die wir schon als Kinder mitbekommen haben. Richtig einordnen konnten wir sie da freilich noch nicht.

Spürbare Abwertung

Doch egal, wie verklausuliert die Abwertung von prominenten Frauen, etwa bei Familienfeiern oder in Klatschspalten, eingestreut wurde: Sie war da und spürbar – diese Art und Weise, wie die Welt über Frauen spricht, oder besser: lästert. Führen wir uns etwa diese Szene vor Augen, die gefühlt in Dauerschleife zu sehen war, als 1998 der "Lewinsky-Skandal" publik wurde. Monica Lewinsky, die Bill Clinton bei einer Wahlveranstaltung Jahre zuvor bewundernd ansieht. Dieser ikonische Auftritt liefert eine dominante Interpretation der Geschehnisse, die alles andere überstrahlt. Eine, in der Lewinsky der Skandal an sich ist. Eine, in der sie sich ihm an den Hals wirft, ihn anhimmelt und dann den Schmutz ins Weiße Haus bringt.

Oder nehmen wir ein anderes diffuses Bild aus der Popkultur, das gleich mehreren Generationen aufgedrängt wurde: John Lennon und Yoko Ono in den weißen Laken eines Amsterdamer Hotelbetts. Etwas, das sich bei vielen nicht als die Kunstaktion, die es war, ins Hirn eingebrannt hat, sondern als Symbol für das Ende der Beatles; für das Loseisen von den Bandkollegen – von wegen "Bruder vor Luder". Das Image der Zerstörerin einer der wichtigsten Bands der Welt, ach was, des Universums, war für Generationen eng mit dem Namen Yoko Ono verbunden.

Die Vorbilder

Wer heute, im Jahr 2023, Yoko Ono googelt, findet zwar die Information, dass sie eine einflussreiche Künstlerin ist, aber auch – mindestens ebenso prominent – das Phänomen, für das sie Patin stehen muss: den Yoko-Ono-Effekt. Nicht schwer zu erraten, worum es dabei geht: das Stereotyp der sich hineindrängenden Frau, die das harmonische Gefüge zerstört. Eine Frau, die die Party crasht.

Und was, wenn die Frau selbst quasi die menschgewordene Party ist? Auch wieder nicht okay. Stellen wir uns vor, was gewesen wäre, wenn es sich bei Paris Hilton um einen männlichen jungen Hotelerben gehandelt hätte: Würde seine Feierei als "Herumludern" betitelt werden? Würde ihm ständig zwischen die Beine fotografiert werden? Wohl kaum. Die junge Popkulturkonsumentin lernte damals in den 2000ern: Eine junge Frau, die feiert, verdient jede noch so erdenkliche Respektlosigkeit. Wir sollten auch lernen, keines dieser Mädchen zu sein, damit uns so eine Behandlung erspart bleibt. Wobei: Die, die nicht feiert, ist prüde. Die, die nicht weint, eiskalt. Und die, die doch weint, hysterisch. Wie sie es auch macht, es ist verdammt falsch.

Überwältigendes Feedback

Diese Ungerechtigkeit inspirierte Michael Hobbes und Sarah Marshall 2018 zum US-Podcast You’re Wrong About, und Kollegin Anya Antonius 2021 zum Vorschlag für eine STANDARD-Reihe über Frauen, die rehabilitiert werden müssen: Geradegerückt. Nicht nur zahlreiche Kolleginnen meldeten sich sofort mit Ideen für mögliche Porträts, auch das Feedback von Leserinnen und Lesern war überwältigend – was für ein feministisches Thema alles andere als selbstverständlich ist.

In diesem Buch finden sich nun 28 Texte über Frauen, die darin ins richtige Licht gerückt werden. Diese Frauen wurden für Dinge verantwortlich gemacht, für die sie nichts konnten, für Kleinigkeiten, die man Männern nie anlasten würde; sie wurden in der Öffentlichkeit gedemütigt, diffamiert, entmündigt.

Der Nährboden

In den meisten Fällen handelt es sich dabei um privilegierte Frauen, die sich selbst und ihrem Umfeld mit ihrer Berühmtheit, etwa durch Film, Musik oder Sport, ein gutes Leben ermöglichen können. Dennoch ist es wichtig, ihre Geschichten und das Unrecht, das ihnen widerfahren ist, zu erzählen – eben weil unsere noch immer vorherrschenden patriarchalen Strukturen und der Sexismus nicht isoliert verbreitet werden; sie machen vor niemandem halt. Mag sein, dass die steinreiche Monarchin Camilla Parker Bowles beim Fünf-Uhr-Tee in einem riesigen Landhaus herzlich darüber lacht, wie sich der Boulevard jahrelang an ihrem Aussehen abgearbeitet hat. Das sehen und lesen aber nun mal auch weniger privilegierte Menschen.

Und so lernen wir immer wieder aufs Neue: So sollte eine Frau nicht aussehen, so sollte sie sich nicht verhalten, so sollte sie nicht sein, wenn sie nicht beleidigt werden will. Auf diese Weise werden üble Bewertungskriterien für Frauen festgetackert und können somit letztlich jede treffen – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß. Schwerer haben es Mehrfachdiskriminierte und auch jene, deren Geschlechtsidentität nicht den vorherrschenden Vorstellungen des starren binären Systems entspricht.

Erfolg in einer misogynen Welt

In jedem Fall reicht es als Frau nicht, es zu Erfolg gebracht zu haben. Gleichberechtigung ist nicht erreicht, wenn manche Frauen sich durchbeißen und es an die Spitzen von Wirtschaft, Politik oder Gesellschaft schaffen – wie der von Spitzenmanagerin und Bestsellerautorin Sheryl Sandberg geprägte neoliberale "Lean in"-Feminismus predigt.

Ganz oben angekommen, haben Frauen zwar symbolisch etwas bewirkt. Doch die als "erfolgreich" und "stark" abgefeierten Frauen sind nicht dort, wo sie sind, weil es nun weniger Hindernisse für sie gibt. Sie haben es vielmehr trotz frauenfeindlicher Strukturen geschafft – und damit bleibt das System dahinter weitgehend unangetastet. Der Fokus richtet sich weiterhin auf die Einzelne und ihre Leistung, und die muss in unserer misogynen Welt eben nach wie vor umfangreicher sein als jene von Männern.

Sexismus versus Selbstermächtigung

Die Abwertung und die an Frauen angelegten Doppelstandards werden noch immer oft isoliert betrachtet. Und damit landet man letztlich wieder bei den einzelnen Frauen und der Frage: Ist das jetzt tatsächlich Sexismus, wenn ein paar Klatschspalten das Verhalten von Frauen sezieren, Frauen, die schließlich selbst im Rampenlicht stehen wollen? Die offenbar alles dafür tun?

Dabei ist es doch ziemlich offensichtlich: Das grelle Scheinwerferlicht, der hämische Fokus, ist fast immer auf Frauen gerichtet. Warum wurde Justin Timberlakes Ungeschicklichkeit bei einem gemeinsamen Super-Bowl-Auftritt mit Janet Jackson zum "Nipplegate"-Skandal? Warum ging die außereheliche Beziehung eines US-Präsidenten, ohne ihn namentlich zu erwähnen, als "Lewinsky-Affäre" und "Monica-Gate" in die Geschichte ein? Warum wurde nicht über Tommy Lee jahrelang sabbernd und abwertend gewitzelt, der schließlich gemeinsam mit Pamela Anderson auf dem inzwischen berühmten Sex-Tape zu sehen war?

Beate Hausbichler, Noura Maan (Hrsg.),"Geradegerückt". € 24,– / 224 Seiten. Kremayr & Scheriau, 2023. Das Buch erscheint am 27. Februar.
Foto: Verlag

Die Zeit

Es ist ein uralter misogyner Nährboden, der unser frauenfeindliches Denken, Sprechen und Handeln am Leben erhält. Misogynie beschreibt die Verachtung, die Abwertung von Frauen und den Hass auf sie – aber nicht von Einzelnen, sondern als System: über tausende Jahre eingeübte und verinnerlichte Hierarchien zwischen den Geschlechtern, die in der Gesellschaft fest verankert sind. Die Philosophin Kate Manne sieht in ihrem Buch Down Girl. Die Logik der Misogynie als zentralen Aspekt von Misogynie, dass Frauen "nicht einfach Menschen sein" können. "Sie dürfen nicht einfach sein, wie es für ihn gilt."

Eines wird beim Lesen und Betrachten der geradegerückten Frauenschicksale auffallen: Es ist einiges an Zeit vergangen. Es scheint also, dass es viel Distanz braucht, bis wir misogyne Muster klarer erkennen. Äußerungen, Bewertungen oder Urteile, die man Jahre oder Jahrzehnte später eindeutig als sexistisch bezeichnet, werden im Moment des sogenannten Skandals oft nicht als solche erkannt. Das zeigte sich erst 2022 wieder beim Prozess zwischen Johnny Depp und Amber Heard. Der Hohn, der Hass, die Morddrohungen, die die Schauspielerin während des Rechtsstreits erhalten hat, wird Betroffenen von Gewalt noch lange in Erinnerung bleiben.

Es dauert noch immer zu lange, bis wir das ganze Bild sehen – oder bereit sind, es zu sehen? Womöglich ist es schlicht zu schwer, uns einzugestehen, wie unfrei wir noch immer von klischeehaften Geschlechterrollen sind, wie stark sie uns noch immer einengen, wie sehr wir ihnen noch immer auf den Leim gehen. Kein Wunder, sind wir doch alle mit ihnen aufgewachsen. Dieses Buch, 28 ins rechte Licht gerückte Geschichten, soll dabei helfen, klarer zu sehen.

Wie die Öffentlichkeit mit Frauen umgeht, bleibt in der Gesellschaft vor allem bei Jüngeren hängen: als Bild, wie sie später zu sein haben oder Frauen zu behandeln sind. Egal, was sie tun, wie sie aussehen oder was sie leisten. Für künftige Generationen von Mädchen ist es wichtig, dass sich diese frauenverachtenden Erzählungen nicht mehr durchsetzen – und sie einfach Menschen sein können. (Beate Hausbichler, Noura Maan, 25.2.2023)