Damit sich Lohnarbeit nicht wie ein Lauf im Hamsterrad anfühlt, wählen viele Beschäftigte ein Teilzeit-Modell.
Foto: Getty Images

Jede Entscheidung hat ihre Konsequenzen. Und so können sogar Errungenschaften zur Falle werden. Teilzeit ist dafür ein gutes Beispiel. Gefordert im Frauenvolksbegehren 1997 als Patentrezept für Gleichstellung und Vereinbarkeit, bejubelt und umgesetzt als Recht für Eltern, machen dem Arbeitsminister jetzt die Konsequenzen, Arbeitskräftemangel und leere Versicherungskassen, Angst.

Es soll Schluss sein mit den Lockungen von weniger bezahlter Arbeit. Wer ohne erkennbaren Zwang nur wenige Stunden arbeitet, soll aufstocken. Dem Phänomen Arbeitszeitverkürzung soll eine Schubumkehr verpasst werden. Und die individuellen Konsequenzen von anhaltend nur wenigen Arbeitsstunden – etwa Altersarmut – sollen den Menschen drastisch vor Augen geführt werden.

Eine Arbeitsgruppe im Ministerium von Arbeitsminister Martin Kocher durchforstet nun die Anreize im Steuer- und Förderregime für wenige Stunden im Job. Dass Leistungen, wie etwa die Familienbeihilfe, gekürzt oder rasch andere aktive Sanktionen eingezogen werden, halten Experten für unwahrscheinlich. Eine Einigung mit den Sozialpartnern gilt laut Insidern allerdings etwa bei Steuerfreibeträgen im Fall von Aufstockung oder Steuerbefreiungen für Mehrarbeit als gut möglich.

Dass Teilzeit steuerlich belohnt wird, weil bei mehr Arbeitsstunden Sonderzahlungen nicht mehr fließen und entlang steiler Progression schnell mehr Lohnsteuer fällig wird, stimmt schon. Aber sie wird auch schon jetzt bestraft: Weniger Beiträge bedeuten weniger Arbeitslosengeld, weniger Pension.

Mehr Leben, weniger Arbeit

Das ist besonders für Frauen schlecht, weil die Hälfte der unselbstständig beschäftigten Frauen Teilzeit arbeitet. Bei Männern sind es nur elf Prozent. Ein Drittel der Frauen sieht sich laut Mikrozensus-Erhebung durch Betreuungspflichten in die Teilzeit gezwungen – es fehlen immer noch Angebote für die Kinderbetreuung. Ein Viertel sagt aber, dass sie einfach keinen Vollzeitjob wollen. Und wer junge, meist akademisch gebildete Menschen fragt, erfährt: Vollzeit wollen diese High Potentials nicht arbeiten, wenn es sich finanziell irgendwie anders ausgeht.

Dieser Druck von Arbeitnehmerseite zeigt sich in vermehrten Teilzeitstelleninseraten, aber auch Viertagewochen mit Stundenreduktion und vollem Lohnausgleich. Denn in Unternehmen fehlen längst nicht mehr nur Facharbeiter wie Schweißer oder Elektromechaniker. Es fehlt schlicht überall an Arbeitskraft. Doch paradox ist: Wer es sich leisten kann, will weniger arbeiten. Da hat die Erbengeneration besonders gute Karten. Alte Statussymbole des Aufstiegsglaubens – Haus, Auto, Boot – verlieren bei den jüngeren Generationen an Bedeutung. Seit geraumer Zeit treibt der Nachwuchs auf dem Arbeitsmarkt die Arbeitgeber mit dem Wunsch nach mehr Leben und weniger Arbeit vor sich her. Die Firmen "tanzen", lautet dazu das Bonmot von Johannes Kopf, Chef des Arbeitsmarktservice, mit einem Rekord (260.000) an offenen Stellen.

Breitet sich Teilzeit in Kombination mit der demografischen Tendenz der alternden Gesellschaft zu stark aus, und muss ordnungspolitisch in Richtung Vollzeit gedreht werden? Das ist argumentierbar. Aber kaum möglich. Der Arbeitsminister wird in zähem Ringen um Anreize und mit konsequentem Ausbau der Kinderbetreuung ein paar Stunden mehr einsammeln können. Gesellschaftliche Entwicklungen umzukehren – das wird nicht gelingen. Und es gibt schließlich auch eine Teilzeit, die allen nützt.

Große Überlastung: Valentina S.* (29), Pflegekraft

Acht Jahre habe ich Vollzeit in der Pflege als diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin gearbeitet. Ich bin Stationsleitungsvertretung, mache Dienstpläne, bin Mentorin für Praktikantinnen und Praktikanten, und vor allem bin ich eins: ziemlich am Ende meiner Kräfte. Im Oktober 2022 habe ich von 40 auf 30 Stunden reduziert, da ich viel zu lange nicht auf körperliche und psychische Signale gehört habe, regelrecht mit Gewalt gegen meine persönlichen Grenzen angekämpft habe. Die Entscheidung, nicht mehr Vollzeit zu arbeiten, ist mir unheimlich schwergefallen. Und doch war sie bitter nötig. Seit der Umstellung geht es mir viel besser – ich bin nicht nur ausgeglichener, sondern kann meine Arbeit wieder mit Freude machen. Wenn einmal jemand ausfällt, springe ich auch ein. Seit den stark gestiegenen Kosten muss ich mir schon Gedanken über mein finanzielles Auskommen machen. Vollzeit kann ich mir aber nicht mehr vorstellen. Mit einem kaputten Körper und einer kaputten Seele hat man von ein bisschen mehr Geld auch nichts.

Geteilte Kinderbetreuung: Florian Klein (40), IT-Projektmanager

Zur Teilzeit bin ich durch die Geburt meines Sohnes vor 13 Jahren gekommen. Für mich und meine damalige Partnerin war immer klar, dass wir uns die Kinderbetreuung aufteilen wollen. Ich bin also für ein paar Monate in Karenz und anschließend mit 30 Wochenstunden in Elternteilzeit gegangen. Nach sieben Jahren habe ich mich mehr oder weniger dazu überreden lassen, wieder Vollzeit zu arbeiten – und dann gemerkt, dass ich das nicht mehr möchte. Bei meinem damaligen Arbeitgeber war ich der erste Mann, der sowohl in Karenz als auch in Teilzeit war. Begeistert war man darüber nicht, durch die gesetzliche Grundlage konnte ich es aber dennoch machen. Auf meine berufliche Laufbahn hat sich meine Entscheidung negativ ausgewirkt. Ich würde mir wünschen, dass sich das ändert. Die gewonnene Zeit verbringe ich mit meinem Sohn und engagiere mich zudem in einem Verein. In der IT wird gut bezahlt, daher komme ich sehr gut mit meinem Gehalt aus. Ich bin aber auch in der glücklichen Situation, dass ich etwas geerbt habe.

Mehr als ein Job: Ines H.* (25), Büroangestellte

Ich studiere nicht, habe keine Kinder und arbeite trotzdem Teilzeit. Ursprünglich bin ich mit einem Vollzeitjob ins Berufsleben eingestiegen, damit ging es mir aber psychisch überhaupt nicht gut. Dann habe ich auf 20 Stunden reduziert – das war mir allerdings finanziell zu wenig. Mittlerweile arbeite ich 30 Stunden pro Woche in einem anderen Unternehmen. Meine Entscheidung können vor allem männliche Kollegen nicht nachvollziehen. Für sie ist Vollzeit immer noch die Norm. Bei Frauen, die oft selbst in Teilzeit sind, sieht das anders aus. Neben der gewonnenen Zeit kann ich nach der Arbeit besser abschalten. In meiner Freizeit bin ich ehrenamtlich Hundetrainerin. Ab und zu gehe ich außerdem am Wochenende kellnern, um mir etwas dazuzuverdienen. Das bringt etwas Abwechslung in meinen Alltag, weil mir der Kontakt zu den Gästen Spaß macht. Ein Eigenheim zu finanzieren wäre für mich sowieso nicht möglich – auch nicht in Vollzeit. Mit meinem Gehalt komme ich sonst gut zurecht, wobei teure Konzertbesuche oder Urlaube aktuell weniger leistbar für mich sind.

Ein Leben lang Teilzeit: Christoph Kaindel (55), Medienpädagoge

Vollzeit bei einem Unternehmen habe ich nie gearbeitet. Dafür habe ich aber auch nicht groß Karriere gemacht. Studiert habe ich ursprünglich Geschichte, dann aber auf Werkvertragsbasis als Grafiker in einer Werbeagentur begonnen. Danach war ich – ebenfalls nicht fest angestellt – bei einer Jugendmarketingagentur. Seit 2000 bin ich beim Wiener Bildungsserver in Teilzeit angestellt. Nebenbei habe ich lange selbstständig als Grafiker gearbeitet und Medienpädagogik-Workshops gehalten. Seit ein paar Jahren bin ich ausschließlich 30 Stunden in meinem Job. Meine Pension wird zwar nicht allzu hoch sein, aber es wird sich schon ausgehen. Im Nachhinein hätte ich mir darüber lieber schon früher Gedanken gemacht. Gemeinsam mit meiner Partnerin habe ich zum Glück eine kleine Eigentumswohnung, die wir bereits abbezahlt haben. Wenn ich mir die aktuellen Preise auf dem Wohnungsmarkt ansehe, bin ich darüber wirklich froh. Meine Freizeit ist und war mir mehr wert als ein höheres Einkommen. Ich denke, dass es viele genauso machen würden, wenn es für sie möglich wäre. (Text: Karin Bauer, Protokolle: Anika Dang, 25.2.3023)